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Druck auf Schlapphüte

INNERES Koalition und Opposition fordern eine bessere Sicherheitsarchitektur in Deutschland

17.09.2012
2023-08-30T12:17:37.7200Z
4 Min

In einem Punkt waren sich Vertreter von Regierungskoalition und Opposition in der ersten Lesung des Etats 2013 von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) einig: Unisono forderten sie unter dem Eindruck der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie (siehe auch Seite 12) Strukturverbesserungen der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Im Fokus der Abgeordneten stand dabei in der Debatte am vergangenen Donnerstag insbesondere der Verfassungsschutz: "Im Zentrum des Sicherheitsversagens", kritisierte etwa für Die Linke ihre Abgeordnete Petra Pau, "agierten das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz", die "im besten Fall die polizeilichen Ermittlungen nicht befördert" hätten. Und der FDP-Parlamentarier Hartfrid Wolff mahnte, der Verfassungsschutz dürfe nicht so wie bisher weitermachen: "miefig, angestaubt und geheimnistuerisch".

Gleich zu Beginn der Aussprache verwies Ressortchef Friedrich darauf, dass man bereits dabei sei, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu reformieren. Es werde sich künftig "auf den Bereich der gewaltgeneigten Organisationen und auf besonders gefährliche verfassungsfeindliche Tendenzen" konzentrieren. Auch müsse die Analysefähigkeit des BfV und des Verfassungsschutzverbundes insgesamt verbessert werden. Die Erkenntnisse, die verschiedene Behörden haben, müssten allen zur Verfügung gestellt werden. "Die Konzeption für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland muss heißen: arbeitsteiliges Herangehen der einzelnen Behörden, Kooperation dieser Behörden und Vernetzung der Behörden", unterstrich Friedrich.

Erfolgreiches Beispiel dafür sei die gemeinsame Terrorabwehr gegen den Islamismus, sagte der Minister weiter. Auch das Ende 2011 gegründete "Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus", in dem Vertreter von Verfassungsschutz, Kriminalpolizei und Militärischem Abschirmdienst zusammenarbeiteten, lasse sich erfolgreich an. Er habe entschieden, "in allen Phänomenbereichen, denen sich der Verfassungsschutz widmet, jetzt ein solches Abwehrzentrum als gemeinsames Sicherheitszentrum" zu gründen. Die Vorarbeiten dazu seien bereits am Laufen.

Friedrich verwies zugleich darauf, dass seine Länder-Kollegen für eine Stärkung der "Zentralstellenfunktion" des BfV plädiert hätten. Für ihn sei klar, dass eine solche Stärkung auch eine Koordinierungsfunktion des BfV umfassen müsse.

SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht kritisierte, die Sicherheitsbehörden und insbesondere der Verfassungsschutz hätten bei der Beobachtung des NSU "derart krass versagt, dass das Vertrauen der Bürger völlig verloren gegangen ist". Deshalb brauche man Verbesserungen der Sicherheitsstruktur. Nicht geben dürfe es aber die Auflösung aller Landesverfassungsschutzämter zugunsten einer Superbehörde des Bundes. Auch brauche man keine Aufteilung der Aufgaben, wonach der Bund für gewaltbereite Extremisten zuständig wäre und die Länder "für den Rest".

Mentalitätswechsel gefordert

Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland mahnte eine "Veränderung der Mentalität" bei den Sicherheitsbehörden an. Dies sei entscheidender als organisatorische Veränderungen. "Das gegenseitige Abschotten muss aufhören, die Blockade untereinander, die Blockade zu Parlamentariern, die Blockade zwischen Verfassungsschutz und Polizei - das alles ist ein System der Abkapselung, ein System des Schmorens im eigenen Saft", sagte Wieland. Diese Behörden müssten neu aufgestellt werden und völlig andere Arbeitsstrukturen bekommen.

Pau bekräftigte für Die Linke die Forderung, die Verfassungsschutzämter aufzulösen. So könne erstens die "unsägliche V-Leute-Praxis" sofort eingestellt werden. Ein zweiter Schritt wäre die Entziehung der Geheimdienst-Befugnisse und der dritte "die Umwandlung zu einer kompetenten Politikberatung".

FDP-Mann Wolff drang auf eine Stärkung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes. Es brauche "jederzeit Zugang zu allen Vorgängen, volle Akteneinsicht und einen ständigen Sonderermittler des Kontrollgremiums", der den Abgeordneten zuarbeitet. Auch müsse dem Vertrauensverlust insbesondere des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern durch eine gründliche Revision dieser Behörden selbst und der Strukturen der Zusammenarbeit entgegengetreten werden.

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), verwies auf das "Strukturproblem", dass es mit Landeskriminal- und Landesverfassungsschutzämtern sowie den entsprechenden Bundes-Einrichtungen fast 40 Sicherheitsbehörden gebe, von denen jede vor sich hin arbeite. Dies sei nicht gut für die Sicherheit im Lande. Man solle gemeinsam die Strukturen verbessern. Dabei halte er die Idee, "in den Ländern einen Vertreter des Bundes in den Behörden zu haben", für nicht schlecht. Dieser Vertreter wäre "das Bindeglied zwischen einer Landesicherheitsbehörde und einer Bundessicherheitsbehörde".

Nach dem Regierungsentwurf umfasst der Haushalt des Bundesinnenministeriums im kommenden Jahr ein Ausgabevolumen von gut 5,84 Milliarden Euro und damit fast 355 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr, in dem Ausgaben in Höhe von 5,49 Milliarden Euro vorgesehen sind. Dem gegenüber stehen im Entwurf 2013 Einnahmen in Höhe von knapp 406 Millionen Euro nach fast 416 Millionen Euro im Etat 2012.

Die Personalausgaben sollen laut Regierungsvorlage von für dieses Jahr veranschlagten gut 2,85 Milliarden Euro um rund 249 Millionen Euro auf mehr als 3,1 Milliarden Jahr in 2013 steigen. Die sächlichen Verwaltungsausgaben werden für 2013 mit rund 1,13 Milliarden Euro nach fast 1,08 Milliarden Euro in 2012 veranschlagt. Zuweisungen und Zuschüsse sollen den Angaben zufolge 2013 im Vergleich zum laufenden Jahr um gut 55 Millionen Euro auf mehr als 1,2 Milliarden Euro anwachsen, während die Ausgaben für Investitionen um mehr als vier Millionen Euro auf gut 534 Millionen Euro zurückgehen sollen.

Gros für innere Sicherheit

Auch 2013 sollen laut Friedrich mehr als zwei Drittel der im Innen-Etat enthaltenen Mittel auf den Bereich der inneren Sicherheit entfallen. Alleine für die Bundespolizei sieht der Etatentwurf 2013 Ausgaben in Höhe von fast 2,53 Milliarden Euro nach gut 2,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr vor. Die Ausgaben des Bundeskriminalamtes sollen laut Vorlage von gut 397 Millionen Euro in 2012 auf knapp 426,5 Millionen Euro im kommenden Jahr steigen und die des BfV von rund 189 Millionen Euro auf fast 207 Millionen Euro.