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Im Zeichen der Revolten

AUSWÄRTIGES Opposition und Koalition streiten über die deutsche Rolle im syrischen Bürgerkrieg

17.09.2012
2023-08-30T12:17:37.7200Z
4 Min

Diese Empörung kann keine Rechtfertigung für Gewalt sein," veruteilte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zum vergangenen Wochenende die Unruhen in gleich mehreren arabischen Staaten als Reaktion auf ein islamfeindliches Video. Nach der Erstürmung der deutschen Botschaft im Sudan kündigte er an, Sicherheitsmaßnahen für deutsche Auslandsvertretungen in der arabischen Welt zu verstärken.

Die arabische Welt, sie stand bereits im Zentrum der Plenardebatte zum Etat des Auswärtigen Amtes 2013 am Mittwoch vergangener Woche im Bundestag.

Sowohl Koalition als auch Opposition nutzten ihre Redezeit, um außenpolitisch Position zu beziehen. Erst unmittelbar vor der Debatte waren die Anschläge auf das US-Konsulat in Bengasi bekannt geworden, bei denen der US-Botschafter in Libyen sowie drei seiner Mitarbeiter getötet worden waren.

"Wir verurteilen die Übergriffe auf das Schärfste": Mit diesen Worten eröffnete Westerwelle seine Rede. Den Anschlag nahm der Außenminister zum Anlass, die Regierungen in Ägypten und Libyen aufzufordern, die Sicherheit ausländischer Arbeiter in beiden Ländern zu gewährleisten. Die Lage in Syrien sei bestürzend, fuhr er fort. Das Land müsse den Händen des Präsidenten Baschar al-Assad entzogen werden. Westerwelle kam so auf die Lage im gesamten Nahen und Mittleren Osten zu sprechen, auf Iran und sein Atomprogramm sowie auf den arabischen Frühling. Mit Blick auf Syrien kritisierte er "die Blockadepolitik Chinas und Russlands im UN-Sicherheitsrat".

Später warf ihm der Linkspolitiker Jan van Aken vor, Panzer an die Türkei, Saudi-Arabien und Katar geliefert zu haben, "die an die Rebellen in Syrien weitergegeben wurden". Die Bundesregierung habe "somit die Gewalt in Syrien gefördert."

Guido Westerwelle warnte, noch unter dem Eindruck seiner Israel-Reise stehend, deutlich vor einer Eskalation der Situation zwischen Iran und Israel. Zum Haushaltsentwurf des Auswärtigen Amtes äußerte sich Westerwelle nur indirekt, was ihm später der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich zum Vorwurf machte.

In dem Etat für 2013 sind Ausgaben in Höhe von 3,46 Milliarden Euro vorgesehen - 128 Millionen Euro mehr als 2012. Ein Teil der Gelder soll in Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe investiert werden.

Etwas konkreter als Westerwelle wurde sein Parteikollege, der Abgeordnete Bijan Djir-Sarai: "50 Millionen Euro für Transformationspartnerschaften in den Regionen" seien im Etat 2012 vorgesehen. In Syrien drohe wegen des anhaltenden Bürgerkriegs eine humanitäre Katastrophe. 185 Millionen Euro, "so viel wie noch nie", seien deshalb für humanitäre Hilfe vorgesehen.

Die Gelder für Afghanistan würden mit 180 Millionen Euro im kommenden Jahr auf dem gleichen Niveau bleiben wie 2012, erklärte Djir-Sarai. Im Entwurf finden sich aber auch Positionen, die gegenüber dem Vorjahr mit Kürzungen belegt werden, so zum Beispiel der Beitrag des Auswärtigen Amtes an die Vereinten Nationen. Er soll sich 2013 auf 607,19 Millionen Euro belaufen. Das wären rund 7 Millionen weniger als im aktuellen Haushalt. Diese Summe umfasst auch die Beiträge zu verschiedenen UN-Missionen weltweit. Dazu zählen unter anderem die Missionen Unifil im Libanon und die Unamid in Darfur (Sudan) sowie die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe für Ex-Jugoslawien und Ruanda.

Linksfraktions-Redner Jan van Aken kritisierte, dass "der Etat für Abrüstung schon wieder gekürzt" worden sei, er sei "praktisch auf 36 Millionen Euro" gesunken und damit halbiert worden. Dagegen seien 927 Millionen Euro für neue Waffen eingeplant, "25 mal so viel für Auf- wie für Abrüstung", sagte van Aken. Weiter warf er dem Außenminister und der Bundesregierung vor, das Versprechen, dass die letzten in Deutschland noch stationierten US-Atomwaffen abgezogen werden, nicht eingelöst zu haben. Die Waffen seien vielmehr modernisiert worden, was Auf-, nicht Abrüstung bedeute. Auch sei die Regierung indirekt an der Eskalation in Syrien beteiligt, ihr "Spionageschiff" gebe offenbar Informationen an syrische Rebellen weiter.

Paroli bieten

In Bezug auf deutsche Rüstungsexporte argumentierten Rolf Mützenich und der Grünen-Abgeordnete Frithjof Schmidt ähnlich wie Jan van Aken: "In Spannungsgebieten müssen Sie der Waffenindustrie Paroli bieten, notfalls auch dem Wirtschaftsminister", appellierte Schmidt an Westerwelle und sprach von "Doppelmoral und Doppelpolitik". Mützenich forderte die Regierung auf, nicht zuerst ihre Partner, sondern das Parlament zu konsultieren. Zudem verlangte er, die Auseinandersetzung mit dem politischen Islam zu intensivieren.

Der Unions-Parlamentarier Andreas Schockenhoff (CDU) ging zwar ebenfalls auf die Lage im Nahen und Mittleren Osten ein, äußerte sich darüber hinaus aber dezidiert zur Situation der Europäischen Union. Zuerst einmal sei der Bericht der Troika über die Lage in Griechenland abzuwarten, sagte Schockenhoff. Das bedeute allerdings nicht, dass nicht trotzdem "schon einmal mögliche außenpolitische Folgen eines Scheiterns Griechenlands" durchzugehen seien. Sollte Griechenland scheitern, zeigte sich Schockenhoff überzeugt, sei das "nicht nur ein ökonomischer Schock, sondern das Land könnte in eine politische Instabilität abgleiten". Die Ausschreitungen der jüngsten Zeit würden das bereits ahnen lassen. Die Regierungen müssten daher "alles unternehmen, um die Schuldenkrise zu bewältigen und Europa wettbewerbsfähiger zu machen". Die Frage, ob Europa die Krise erfolgreich bewältige, "entscheidet auch darüber, ob sich die EU über Kroatien hinaus erweitern kann", erklärte Schockenhoff weiter. Schließlich kam er noch auf Serbien zu sprechen: Das Land wolle möglichst bald in den Beitragsdialog treten. Doch zuvor müssten eine Reihe von Auflagen erfüllt werden. Zentral seien die Beziehungen zum Kosovo.

Sanierungsmaßnahmen

Mit fast 410 Millionen Euro plant die Bundesregierung Im Haushalt 2013 Sanierungs- und Neubaumaßnahmen für deutsche Konsulate und Botschaften weltweit. Für die "Herrichtung" der Kanzleietage im brasilianischen Rio de Janeiro etwa sind 3,14 Millionen Euro kalkuliert. Für die Sanierung von Kanzlei, Residenz und Dienstwohnungen in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia werden sogar 17,46 Millionen Euro veranschlagt. Ähnliche Baumaßnahmen werden in insgesamt 88 deutschen Auslandsvertretungen weltweit vorgenommen.

Um auf das Deutschlandbild im Ausland Einfluss zu nehmen, stellt das Auswärtige Amt 2013 13,71 Millionen Euro zur Verfügung. 2012 entfielen diese Position12,51 Millionen Euro. Verena Renneberg