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Ein Tor für das Ehrenamt

FINANZEN Höhere Übungsleiterpauschale. Opposition: Vereine können Sparpolitik nicht kompensieren

12.11.2012
2023-08-30T12:17:41.7200Z
4 Min

Was haben der Kinderfußball und ein Kleingartenverein miteinander zu tun? Auf den ersten Blick gar nichts. Erst bei näherer Betrachtung zeigen sich hier zwei wenn auch weit ausanderliegende Bereiche des deutschen Freizeit- und Vereinlslebens. Und wenn im Fußballverein auf einen neuen Kleinbus gespart wird und im Kleingartenverein auf ein Gemeinschaftshaus, dann haben es beide mit denselben steuerlichen Bestimmungen zu tun. Und diese Bestimmungen sollen nach dem Willen aller Fraktionen des Bundestages verbessert werden.

In einer Debatte am vergangenen Donnerstag sicherten Redner aller Fraktionen den 23 Millionen Ehrenamtlichen die Unterstützung der Politik zu. Christian Freiherr von Stetten (CDU) erklärte, man wolle den Bürgern zeigen, "dass wir es mit der Förderung des Ehrenamtes gemeinsam ernst meinen und nicht nur in Sonntagsreden darüber sprechen".

Höherer Freibetrag

Von Stetten erklärte, die Koalition wolle den Ehrenamtlichen und den Vereinen ihre wichtige Arbeit "durch Entbürokratisierung, Konkretisierung und Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen erleichtern". Deshalb wolle sie den Freibetrag für Übungsleiter um 15 Prozent und den Ehrenamtsfreibetrag für Vorstandsmitglieder, Schiedsrichter, Platzwarte und besonders engagierte Helfer im Verein um 44 Prozent erhöhen. Das sei ein "deutlicher Schritt" und eine "wichtige Investition in unsere Gesellschaft". Die kulturelle und soziale Bedeutung der Vereine sei gestiegen: "Wer sich in funktionierenden Vereinen aufhält, der spürt eine Art Wärme, ja fast schon familiäre Atmosphäre." Von Stetten hob auch die Bedeutung der Vereinsarbeit für die Integration ausländischer Jugendlicher hervor.

Petra Hinz (SPD) nahm das Angebot der Koalition zur Zusammenarbeit gerne an. Zugleich machte sie deutlich, Ehrenamtliche wollten keine Entgeltumwandlung oder Entlohnung, "sondern sie wollen eine Würdigung, sie möchten, dass ihr Aufwand entlohnt wird". Daher dürfe das Ehrenamt angesichts von Haushaltskürzungen und schlechterer finanzieller Bedingungen für die Kommunen nicht zur Kompensation für falsche Prioritätensetzung und verfehlte Politik werden, warnte Hinz: "Bürgerschaftliches Engagement ist kein Reparaturbetrieb für versäumte Politik, sondern ganz im Gegenteil eine zusätzliche Komponente."

"Wir haben ein richtig gutes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht", freute sich Birgit Reinemund (FDP). Nur der furchtbare Name "Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz" gefalle ihr nicht, sagte die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages. "Denn das ist ein Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes, und so sollte es auch genannt werden" Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens wären ohne Ehrenamtliche nicht machbar. Daher sei es auch richtig, den Ehrenamtlichen die Angst zu nehmen, plötzlich mit Haftungsansprüchen konfrontiert zu werden, wo sie ursprünglich nur Gutes tun wollten.

Barbara Höll (Linke) verwies darauf, dass sich viele Bürger ehrenamtlich engagieren würden und nannte ein Beispiel: In ihrer Heimatstadt Leipzig gebe es 208 Kleingartenvereine mit über 32.500 Parzellen sowie viele weitere Vereine. "Es wird unendlich viel gemacht - freiwillig und unentgeltlich." Eine Vergütung gebe es nur für die wenigsten ehrenamtlich Tätigen. Die Verbesserung betreffe gerade zehn Prozent der freiwillig Engagierten. "Und das ist einfach zu wenig, um zu sagen, jetzt haben wir richtig was geschafft." So erhalte ein Fußballtrainer in Leipzig-Nordost im Kinder- und Jugendbereich 1,50 Euro pro Stunde und könne damit nie den Freibetrag ausschöpfen. Viele dieser Ehrenamtlichen seien früher hauptberuflich tätig gewesen und hätten ihre Stellen verloren. Ehrenamtliche sollten einspringen, wo sich die öffentliche Hand zurückziehe. Das sei ein Skandal.

Lisa Paus (Grüne) lehnte es ab, von einem großen Wurf zu sprechen. Die Übungsleiterpauschale werde zwar erhöht, aber die Frage, ob es sinnvoller sei, den Kreis der Berechtigten zu erhöhen, sei bis heute unbeantwortet. Paus nannte ein Beispiel: Beim Behindertentransport könne der Fahrer eines Fahrzeuges den Freibetrag nicht in Anspruch nehmen, der Betreuer der behinderten Person jedoch wohl. Es könne auch nicht angehen, dass ein Vater, der Kinder im Fußball trainiere, 2.400 Euro gelten machen könne, während die Mutter, die die Trikots zu waschen und andere Tätigkeiten ausübe, nur 720 Euro absetzen könne. "Das finden wir falsch", kritisierte Paus, die sich "weniger Amtsschimmel und mehr Praxistauglichkeit" wünschte.

Der Bundestag überwies den von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (17/11316) an die zuständigen Ausschüsse. Kernpunkt ist die Anhebung der Übungsleiterpauschale von 2.100 auf 2.400 Euro jährlich. Auch die Ehrenamtspauschale soll von 500 auf 720 Euro (60 Euro monatlich) angehoben werden. Diese Einnahmen unterliegen weder der Steuer- noch der Sozialversicherungspflicht. Außerdem sollen die Gewinne aus Sportveranstaltungen steuerfrei bleiben, solange die Einnahmen die Grenze von 45.000 (bisher 35.000) Euro nicht überschreiten.

Wer für einen Verein oder eine Stiftung ehrenamtlich tätig ist, soll in Zukunft bei einer zweckwidrigen Verwendung von Spendengeldern nur noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit statt leichten Nachlässigkeiten haften. Außerdem sollen Vereine leichter Geld für Investitionen ansparen können. Ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen wurde ein Gesetzentwurf des Bundesrats (17/5713) zur Haftung von Vereinsmitgliedern.