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Entbürokratisierung im Blick

GEMEINNÜTZIGKEITSRECHT Koalitionsentwurf ist unter Fraktionen ebenso umstritten wie unter Experten

17.12.2012
2023-08-30T12:17:44.7200Z
3 Min

Ute Kumpf ist nicht zufrieden. Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (17/11316) sei halbherzig und bleibe hinter den Erwartungen zurück, meint die SPD-Abgeordnete. Barbara Höll (Die Linke) spricht gar von einem "Skandal", wenn Ehrenamtliche einspringen sollten, wo sich die öffentliche Hand zurückziehe. Kein Verständnis für die steuerliche Ungleichbehandlung von Übungsleitern und anderen ehrenamtlich Tätigen hat Lisa Paus (Bündnis 90/DieGrünen). Von der Kritik unbeeindruckt zeigt sich indes Markus Grübel (CDU). Mit dem Gesetz würden die Rahmenbedingungen verbessert, sagt der Vorsitzende des Unterausschusses Bürgerliches Engagement. Der Opposition wirft Grübel vor: "Mit der Kritik verunsichern Sie die vielen Ehrenamtlichen vor Ort." Positiv bewertet wird der Entwurf von Birgit Reinemund (FDP). Die Vorsitzende des Finanzausschusses sieht "deutliche Verbesserungen im steuerlichen und zivilrechtlichen Bereich".

Steigende Pauschalen

Ähnlich umstritten wie unter den Fraktionen ist der Gesetzentwurf auch bei Praktikern. Während der Expertenanhörung des Finanzausschusses vergangene Woche gab es viel Lob, während gleichzeitig auf erheblichen Nachbesserungsbedarf hingewiesen wurde. Der Entwurf sieht unter anderem eine Anhebung der Übungsleiterpauschale von 2.100 auf 2.400 Euro jährlich vor. Zugleich soll die Ehrenamtspauschale von 500 auf 720 Euro pro Jahr angehoben werden. Wer für einen Verein oder eine Stiftung ehrenamtlich tätig ist, soll zudem in Zukunft bei einer zweckwidrigen Verwendung von Spendengeldern nur noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften. Bisher setzte die Haftung bereits bei leichten Nachlässigkeiten ein. Außerdem sollen Vereine in Zukunft leichter Geld ansparen können. Bisher müssen eingeworbene Gelder bis zum Ende des nächsten Jahres verwendet werden. Diese Frist soll um ein Jahr verlängert werden.

Mehr Rechtssicherheit

Aus Sicht des Deutschen Fußballbundes (DFB) ist die "moderate Anpassung" des Übungsleiterfreibetrages auf 2.400 Euro "unbedingt notwendig". Begrüßt wurde vom DFB auch die Verlängerung des Zeitraums der zulässigen Mittelverwendung von bisher einem Jahr auf künftig zwei Jahre. Somit werde den Vereinen eine gezielte Planung hinsichtlich der Verwendung überschüssiger Mittel ermöglicht, sagte DFB-Vertreter Stefan Hans. Rund 500.000 Übungsleiter würden von der Pauschalenänderung profitieren, die auch in der Höhe "absolut sachgerecht" sei, hieß es vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Die zweijährige Verwendungsfrist stelle eine wirkliche Entbürokratisierung dar, machte DOSB-Justiziar Holger Niese deutlich. Ebenso wie Jörg Schwenker von der Bundessteuerberaterkammer befürwortete auch Niese das geplante neue Verfahren zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Die schnelle Klärung schaffe Rechtssicherheit, machte Schwenker deutlich.

Kein Verständnis für die Schlechterstellung der Ehrenamtlichen im Vergleich zu den Übungsleitern zeigte die Steuerrechtlerin Birgit Weitemeyer. Zwar sei die Anhebung der Übungsleiterpauschale richtig. Es sei aber nicht nachvollziehbar, dass ein Übungsleiter im Sport eine höhere Pauschale erhalte als ein ehrenamtlich Tätiger im Kinderhospiz. "Hier sollten Einebnungen angestrebt werden, statt Unterschiede zu zementieren", forderte Weitemeyer.

Die geplante Verlängerung des Zeitraums der zulässigen Mittelverwendung auf zwei Jahre wurde von mehreren Experten mit Skepsis betrachtet. Sowohl Steuerberater Schwenker als auch Professor Hans Fleisch vom Bundesverband Deutscher Stiftungen machten darauf aufmerksam, dass bislang die Angemessenheit des Zeitraumes im Ermessen der Finanzverwaltung gestanden habe. Dabei seien Fristen von drei bis vier Jahren anerkannt worden. Nach Ansicht Schwenkers ist es daher besser, "die Regelung im Ermessen der Finanzverwaltung zu lassen". Auch Olaf Zimmermann vom Bündnis für Gemeinnützigkeit verwies darauf, dass die bisherige Praxis der Finanzämter positiv für die Rücklagensicherung gewesen sei. "Wir müssen aufpassen, dass die Festschreibung auf zwei Jahre nicht nachteilig wirkt", sagte er.

Zimmermann, zugleich Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, warnte auch vor einer Instrumentalisierung des "Bürgerschaftlichen Engagements". Die Begründung zu dem Gesetzentwurf lasse den Eindruck entstehen, dass das Bürgerliche Engagement gestärkt werden solle, um die Lücken zu schließen, die durch die leeren Kassen des Staates gerissen werden. "Das Ehrenamt darf aber kein Erfüllungsgehilfe für den Ausfall staatlicher Leistungen sein", forderte Zimmermann.

Monetarisierung

Der Gesetzentwurf leiste keinen Beitrag, um "bildungs- und beteiligungsferne Bevölkerungsgruppen" an das Engagement heranzuführen, kritisierte der Politikwissenschaftler Roland Roth. Er sei vielmehr darauf ausgelegt, "klassische Institution auf die klassische Art und Weise zu fördern", sagte Roth. Benötigt werde jedoch ein Ausbau der Infrastruktur, um das Engagement auf bereitere Pfeiler zu stellen. Zugleich forderte Roth, die "zunehmende Monetarisierung" bei der Evaluation im Blick zu behalten. Es bestehe die Gefahr, "dass damit letztlich Schaden angerichtet wird", befand er.