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Vom Stent bis zum Katheter

MEDIZINPRODUKTE Nach dem Skandal um Brustimplatate soll nun die Sicherheit für die Patienten erhöht werden und verunsichert Firmen blindtext geht weiter…

21.01.2013
2023-08-30T12:23:51.7200Z
3 Min

Medizinprodukte sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Ähnlich wie Medikamente bilden sie ein wichtiges diagnostisches oder therapeutisches Instrument in der Hand des Arztes. Anders als Medikamente wirken Medizinprodukte aber in erster Linie physikalisch auf den menschlichen Körper ein. Dies klingt harmlos, sofern man an Produkte wie Stützstrümpfe, Rollstühle oder Hörgeräte denkt. Andere Produkte mit meist ebenfalls segensreicher Wirkung sind jedoch alles andere als harmlos. Sie bergen vielmehr ein zum Teil hohes Gefährdungspotential. Dies gilt vor allem für Medizinprodukte der sogenannten Risikoklasse III, wie Herzschrittmacher, Hüftprothesen oder Brustimplantate, die in den Körper eingepflanzt werden. Welche Gefahren hier lauern, ist der Öffentlichkeit im Dezember 2011 durch den sogenannten PIP-Skandal schlagartig bewusst geworden. Das französische Unternehmen Poly Implant Prothèse (PIP) hatte für Brustimplantate statt medizinischen Silikons billiges Industriesilikon verwendet, das erhebliche gesundheitliche Gefahren birgt. Der Skandal hatte auch eine politische Debatte über den Umgang mit Medizinprodukten in Gang gesetzt. Vergangene Woche lagen dem Bundestag dazu vier Anträge, einer der Koalition (17/11830) und drei der Opposition (17/8920, 17/9932 und 17/8581), zur abschließenden Beratung vor. Der Koalitionsantrag wurde angenommen, die Oppositionsanträge hingegen abgelehnt.

Richtlinien

Das deutsche Medizinproduktegesetz sei stark durch entsprechende EU-Richtlinien geprägt. Diesen Hinweis hielt der Abgeordnete Dietrich Monstadt (CDU) für wichtig. Die Richtlinien würden zurzeit überarbeitet. Der Antrag der Koalition enthalte Forderungen, die von der Bundesregierung bei den Verhandlungen in EU-Recht umgesetzt werden sollten. Monstadt zufolge lehnt die Koalition anders als die Opposition eine staatliche Zulassung von Medizinprodukten der hohen Risikoklassen II b und III ab. "Die Lösungsansätze der Regierungskoalition suchen wir primär innerhalb des derzeitigen Marktzugangs- und Überwachsungssystems", meinte Monstadt. Außerdem dürften Medizinprodukte und Arzneimittel nicht gleich behandelt werden.

Die Abgeordnete Marlies Volkmer (SPD) war da anderer Auffassung. Das geltende Zulassungsverfahren für Medizinprodukte sei anfällig für Manipulationen. "Die benannten Stellen sind private Unternehmen und verdienen an Beratung sowie Zulassung", meinte Volkmer. Es sollten aber nur solche Medizinprodukte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken wissenschaftlich belegt sei. Daher setzt sich Volkmer für eine amtliche Zulassung für die Medizinprodukte höherer Risikoklassen ein. Hingegen halte die Koalition "noch immer an dem Irrglauben fest, dass das bestehende System ausreichende Sicherheit für die Patientinnen und Patienten gewährleistet".

Der Abgeordnete Harald Weinberg (Die Linke) wurde zunächst grundsätzlich: "Die Medizinprodukte-Industrie ist kein Selbstzweck, sondern sie ist dazu da, um nützliche und sichere Produkte herzustellen". Nötig seien daher Zulassungsregelungen für Medizinprodukte, die die Industrie auf diesen Grundsatz verpflichteten. Es gebe immer wieder Meldungen, wonach Patienten Gesundheitsschäden davontrügen, weil Medizinprodukte in Deutschland und der gesamten EU viel zu schlecht geprüft würden. Die Zulassung müsse daher von einer zentralen Bundesbehörde statt durch den TÜV und andere Stellen vorgenommen werden.

Laufende EU-Beratungen

Ähnlich argumentierte der Abgeordnete Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen). Die Koalition beschränke sich in ihrem Antrag darauf, der Bundesregierung Wünsche mit auf den Weg zu den laufenden EU-Beratungen über Medizinprodukte zu geben. "Im Kern entsprechen die Vorschläge weitgehend dem, was ohnehin bereits Gegenstand des EU-Verordnungsentwurfs ist. Insofern ist ihr Antrag eigentlich überflüssig", folgerte der Abgeordnete. Deutlicher könne man kaum zum Ausdruck bringen, dass die Koalition vor allem die Interessen der Medizinproduktehersteller vertrete. Es sei unverantwortlich, bei Produkten der höchsten Risikostufe keine klinischen Studien durchzuführen.

Der Abgerodnete Jens Ackermann (FDP) warnte hingegen vor politischem Aktionismus. Die Lösung der bekannten Probleme müsse innerhalb des bestehenden Systems gesucht werden. Bevor man einen vollständigen Systemwechsel in Erwägung ziehe, sollten die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten ausgereizt werden. "Das heißt aber auch, dass wir keine Verschärfung der Zulassungskriterien möchten, da die Standards bereits heute sehr hoch angesetzt sind", betonte Ackermann. "Hier unterscheiden wir uns fundamental von der Opposition; die möchte nämlich am liebsten die Zulassungskriterien verschärfen", sagte Ackermann. Dies hätte jedoch große Probleme bei der Markteinführung neuer Produkte zur Folge.