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Von guten und bösen Waffen

KAMPFDROHNEN Die Furcht vor risikolosen und automatisierten Kriegen bestimmt die deutsche Diskussion

17.06.2013
2023-08-30T12:24:01.7200Z
6 Min

Die Soldaten vermuten hinter einem Gehöft eine Gruppe Aufständischer: Der Zugführer lässt die mitgeführte "Mikado" aufsteigen, eine nicht einmal zwei Kilogramm schwere Drohne, die ihm gut 20 Minuten lang Live-Bilder seiner unmittelbaren Umgebung liefert. Szenenwechsel: Ein Kompaniechef möchte während einer Patrouille durch ein afghanisches Dorf vor Angreifern gewarnt werden. Darauf hin: Im Bundeswehr-Camp bei Kundus startet eine 170 Kilogramm schwere "KZO". Das mit einer Wärmebildkamera ausgestattete "Kleinfluggerät zur Zielortung" kann drei bis fünf Stunden hoch über dem Einsatzgebiet kreisen und in Echtzeit Informationen liefern.

Ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gelangten die unbemannten Systeme der Bundeswehr erst vor ein paar Monaten. In Afghanistan aber ist seit Jahren täglich eine ganze Palette von Drohnen im Einsatz. Die Kleinsten lassen sich wie ein Modellhubschrauber aus der Hand starten. Die Größten im Arsenal sind drei in Masar-i-Scharif stationierte "Heron 1"-Drohnen mit dem Gewicht eines Kleinwagens, die rund um die Uhr die Lage im Norden Afghanistan beobachten.

Gemeinsam haben alle diese Flugkörper, dass sie nicht aktiv in das Kampfgeschehen eingreifen können. Werden mit ihnen etwa Aufständische geortet, die eine Einheit der Bundeswehr unter Beschuss nehmen oder einen Sprengsatz am Rande einer Straße vergraben, übertragen die Dohnen nur deren Koordinaten. Soll geschossen werden, müssen erst einmal Kampfjets oder Hubschrauber angefordert werden.

"Ethisch neutral"

Geht es nach dem Bundesverteidigungsminister, wird sich das bald ändern. Im August letzten Jahres sprach sich Thomas de Maizière (CDU) offen für den Erwerb bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr aus und trat damit eine kontroverse Debatte los. "Der Sache nach ist eine Drohne doch nichts anderes als ein Flugzeug ohne Pilot", sagte der Minister damals im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt". Und noch grundsätzlicher: "Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten." Kaum ein Beitrag in der öffentlichen Auseinandersetzung über Kampfdrohnen kommt seitdem ohne einen Bezug auf diese beiden Sätze aus.

Die offizielle Bestätigung, dass die Bundeswehr die Anschaffung bewaffneter Drohnen auch tatsächlich plant, fiel dann eher beiläufiger im Januar dieses Jahres. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/12136) bezeichnet die Bundesregierung "eine durchhaltefähige bewaffnete Aufklärung" als "unbedingt erforderlich". Vom Grundsatz her sei der Einsatz bewaffneter Dohnen "eine Fähigkeitserweiterung einer bereits bestehenden Palette von Wirksystemen", heißt es dort im schönsten Bundeswehr-Deutsch. Die Möglichkeit einer späteren Bewaffnung sei daher "bei Entscheidungen aus Sicht der Bundeswehr mit zu betrachten".

Bei diesen Entscheidungen über künftige Beschaffungen geht es vor allem um ein Nachfolgemodell für die größten der von der Bundeswehr derzeit genutzten Drohnen. Die in Afghanistan stationierten "Heron 1"-Drohnen sind nur von Israel geleast. Der entsprechende Vertrag läuft im Oktober 2014 aus, soll allerdings um sechs Monate verlängert werden. Angestrebt wird langfristig eine gemeinsame Entwicklung mit Frankreich. Als Interimslösung stehen die amerikanischen Drohnen vom Typ "Predator B" und "Reaper" sowie eine neue Version der aktuell genutzten israelischen "Heron" zur Auswahl. Wahrscheinlich wird man sich für letztere Option entscheiden. Geeignet zur späteren Bewaffnung sollen alle drei Modelle sein.

Über bewaffnete Drohnen verfügen bislang Großbritannien, Israel - und vor allem die USA. Die Entwicklung bei den US-Streitkräften ist so dramatisch, dass sich seit 2008 die Zahl der Drohnenpiloten in den USA auf 1.300 vervierfacht hat. Derzeit werden mehr Piloten für Drohnen ausgebildet als für bemannte Flugzeuge. Und diese Zahlen beinhalten nicht einmal jene Drohnen und deren Personal, die in der öffentlichen Debatte im Fokus stehen: Die Flotte der in Afghanistan und im Jemen eingesetzten Maschinen der CIA.

Gezielte Tötungen

Es sind vor allem deren Einsätze gegen mutmaßliche Führungskader des Terrornetzwerks Al-Qaida, die sogenannten "gezielten Tötungen", die das Bild von Drohnen in der deutschen Öffentlichkeit prägen. Dabei gibt es bei der ethischen wie rechtlichen Einschätzung dieser amerikanischen Praxis fast keine Differenzen. "Man würde nach europäischer Rechtsauffassung kaum die These vertreten, dass die Bekämpfung von Terrorverdächtigen an sich Teil eines bewaffneten Konfliktes ist", stellt Thilo Marauhn, Professor für Völkerrecht an der Universität Gießen, fest. Die Frage, "ob gezielte Tötungen völkerrechtswidrig sind oder nicht" habe jedoch mit dem Einsatz von Kampfdrohnen "überhaupt nichts zu tun". Drohnen seien, sagt Marauhn, "weder gut noch schlecht". Es komme "immer darauf an, wie sie eingesetzt werden und ob ihr Einsatz die Einhaltung des geltenden Völkerrechts erleichtert oder erschwert".

Kritik der Kirchen

In einer Diskussion mit den beiden Militärbischöfen der Bundeswehr im April dieses Jahres schloss Minister de Maizière ähnliche Einsätze wie die der CIA für die Bundeswehr aus: "Extralegale Hinrichtungen kommen für uns nicht in Frage." Außerdem könnten Drohnen "nur in dem von einem Mandat abgesicherten Gebiet eingesetzt werden", also dem vom Bundestag beschlossen Einsatzraum der Bundeswehr. "Ein Einsatz außerhalb" entspreche nicht der Rechtslage und "es wird ihn nicht geben". Diese Statements de Maizières waren auch eine Reaktion auf die ungewöhnlich deutlich geäußerte Kritik der kirchlichen Vertreter. "Vor dem Kauf von Kampfdrohnen braucht die Bundeswehr klare ethische Kriterien", fordert der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck, "sonst kann der Einsatz dieser Waffe zu hohe Risiken enthalten". Man müsse eine "Beliebigkeit des Töten verhindern". Es bestehe "bei jeder Gewaltanwendung die Gefahr der Grenzverletzung". Ähnlich argumentieren auch die Herausgeber des jährlichen Friedensgutachtens. Die Möglichkeit, vermeintliche Terroristen oder Aufständische überall auf der Welt zu eliminieren ohne eigene Soldaten zu gefährden, so meinen die Vertreter der großen deutschen Friedensforschungsinstitute, senke "die Hemmschwelle für den Griff zu militärischen Mitteln".

Psychische Belastungen

Ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag vom Mai 2011 verweist allerdings darauf, dass "moderne Sensoren den menschlichen Sinnen in vielen Fällen deutlich überlegen" sein können. Zudem gäbe es auch die Auffassung, dass "die Distanz des Steurers" vom Kampfgebiet es diesem ermögliche, "unter weniger Stress zu entscheiden als im Kampfgeschehen vor Ort".

Nach einer vom US-Militär selbst durchgeführten Untersuchung zeigen die Piloten der Drohnen jedoch ebenso deutliche Anzeichen psychischer Belastung wie ihre Kollegen im Cockpit. Obwohl sie physisch unter Umständen tausende Kilometer vom eigentlichen Schlachtfeld entfernt sind, leiden sie gleichermaßen unter Angststörung, Depression und Posttraumatische Belastungsstörung. Als einer der Gründe vermuten die Luftwaffen-Psychologen die Belastung durch die ständige Nähe zu Kampfsituationen über den Bildschirm. Anders als der Pilot im Cockpit kann der Soldat im Kontrollstand der Drohne seinen Opfern per Liveschaltung fast in die Augen sehen und muss im Anschluss den verursachten Schaden im Detail betrachten.

Doch die Befürchtungen der Kritiker gehen über die aktuellen Anwendungen hinaus. Am Ende der Entwicklung würden "Entscheidungen über Leben und Tod am Computer abgegeben", schreiben die Autoren des Friedensgutachtens. Der Einstieg in die Nutzung bewaffneter Drohnen, so das Argument, sei auch ein Einstieg in die Automatisierung der Kriegführung, "an deren Ende nicht Menschen sondern Maschinen Entscheidungen über Leben und Tod fällen". In der Konsequenz fordern die Friedensforscher die völkerrechtliche Ächtung von Kampfdrohnen.

Geächtete Waffen

Bewaffnete Drohnen würden damit in eine Kategorie mit den international geächteten Bio- und Chemiewaffen sowie mit den Antipersonenminen und Streumunition fallen. Auch gegen den Einsatz von Atomwaffen geht man von einer anerkannten Norm aus, die zumindest den Einsatz verbietet. Diese Waffenkategorien haben ein gemeinsames Merkmal: Es sind Waffen, die unterschiedslos töten und deren Wirkung nicht auf ein Ziel begrenzt werden kann. Bewaffnete Drohnen aber werden gerade deshalb kritisiert, weil sie relativ gezielt eingesetzt werden können.

Doch auch ohne völkerrechtliche Instrumente dürften der Nutzung von Drohnen Grenzen gesetzt sein. Die Vorstellung, Kriege nur noch mit bewaffneten Drohnen zu führen, scheint angesichts der ernüchternden Erfahrungen in Irak und Afghanistan illusorisch. Schwierig für die US-Truppen wurde es in beiden Kriegen erst, als Bodentruppen die Länder unter Kontrolle bringen sollten. Das wird so bleiben. Die Führung des Luftkrieges hingegen war in beiden Fällen für die US-Streitkräfte praktisch risikolos, die eigenen Kräfte nahezu unverwundbar. Angesichts der sensiblen Technik und dem Austausch immer größerer Datenmengen, könnte der Einsatz bewaffneter Drohnen langfristig sogar zu einer größeren Verwundbarkeit der US-Streitkräfte führen.

In Deutschland wurde die Entscheidung über die Beschaffung bewaffneter Drohnen zunächst einmal auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. Unterdessen greift die Bundeswehr in Afghanistan längst auf die umstrittenen Waffen zurück. Geraten deutsche Soldaten unter Beschuss und fordern sie bei der ISAF-Führung Luftnahunterstützung an, dann kann es sein, dass die amerikanischen Verbündeten statt Flugzeugen oder Husbschraubern eben Kampfdrohnen schicken. Nach Angaben der Bundesregierung wurden bereits im Juni 2009 und im November 2010 bewaffnete Drohnen zur Unterstützung deutscher Truppen aus der Luft eingesetzt.