Piwik Webtracking Image

"Nicht belehren, sondern vormachen"

Politik Parteinahe Stiftungen wollen im In- und Ausland zur Demokratie erziehen

19.08.2013
2023-08-30T12:24:04.7200Z
6 Min

Entscheidend ist die permanente und eigentliche Aufgabe der politischen Stiftungen: die Erziehung zur Demokratie, das heißt nicht nur belehren, sondern vormachen. Sie stellt sich im Inland wie im Ausland." Dieses Zitat von Roman Herzog, dem damaligen Bundespräsidenten, ist einer gemeinsamen Erklärung der damals fünf haushaltsrechtlich anerkannten Politischen Stiftungen aus dem Jahr 1998 vorangestellt, der sich 2003 die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung anschloss. Die parteinahen Stiftungen wollten damit gegenüber der Öffentlichkeit begründen, warum sie zurecht aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Denn sie sind eigentümliche Gebilde, deren Daseinsberechtigung nicht jeder auf Anhieb einsieht.

Das geläufige - und in den Stiftungen gar nicht gern gehörte - Wort "Parteistiftungen" rührt an den Kern des Problems. Jede der sechs Politischen Stiftungen ist entweder direkt aus einer Partei heraus gegründet worden oder im engen Umfeld einer Partei entstanden und dann von ihr als "ihre" Stiftung anerkannt worden. Eine solche Anerkennung ist sogar Voraussetzung für die Förderung aus Bundesmitteln. Eine andere ist die mehr als einmalige Wahl der "nahestehenden" Partei in den Deutschen Bundestag.

1966 verbot das Bundesverfassungsgericht die Finanzierung parteipolitischer Bildungsarbeit aus öffentlichen Mitteln und erzwang damit eine Verselbständigung der Politischen Stiftungen. Eine erneute Klage der Bundestagsfraktion der Grünen gegen die öffentliche Finanzierung der politischen Bildungsarbeit der Stiftungen wies Karlsruhe 1986 ab. Bei "gebotener Distanz zu den jeweiligen Parteien" sei diese ausdrücklich zulässig. "Die Stiftungen sollen die Beschäftigung der Bürger mit politischen Sachverhalten anregen und den Rahmen bieten für eine - allen interessierten Bürgern zugängliche - offene Diskussion politischer Fragen", heißt es in dem Richterspruch (BverfG 2 BVE 5/83). "Dadurch wird das Interesse an einer aktiven Mitgestaltung des gesellschaftlichen und politischen Lebens geweckt und das dazu nötige Rüstzeug vermittelt."

Eigenverantwortlich

Die Parteinähe der Stiftungen steht diesem Auftrag nicht entgegen, schließlich gehören Parteien zum Wesen der Demokratie. Der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Hans Zehetmair, formuliert dieses Verhältnis so: "Bei aller Nähe zur CSU, von der wir als Politische Stiftung unsere Legitimation empfangen, sind wir keine Marketingagentur für bestimmte Parteipolitik. Wir wollen selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit die Menschen von der Staatsform der Demokratie überzeugen, nicht nur in theoretischen Debatten, sondern im gemeinsamen Erleben. Wir wollen als Hanns-Seidel-Stiftung eine Schule demokratischen Denkens und Handelns, ein Übungsfeld für Zivilcourage und Gemeinsinn sein." Bei den Politischen Stiftungen wissen interessierte Bürger, wo diese stehen. Ohne sie blieben nur die staatlichen Bundes- und Landeszentralen für Politische Bildung, und auch die sind nicht immer frei von parteipolitischen Einflüssen.

Ihr Selbstverständnis über alle politischen Gegensätze hinweg bekräftigten die sechs Politischen Stiftungen 2011 mit einer neuen gemeinsamen Erklärung. Das parlamentarische System setze informierte und politisch gebildete Bürger voraus, heißt es da. "Insofern erfüllen die Träger der Politischen Bildung einen öffentlichen Auftrag, der für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von elementarer Bedeutung ist." Eine Besonderheit Politischer Stiftungen liege darin, dass sie "nicht wertneutral sind, sondern den politischen Pluralismus in Deutschland repräsentieren".

Das gilt auch für ihre Auslandsarbeit. Bei der Demokratisierung Europas - erst in Spanien, Portugal und Griechenland, dann östlich des früheren Eisernen Vorhangs - haben die deutschen Politischen Stiftungen hervorragende, auch international anerkannte Arbeit geleistet. Sie haben den sich formierenden demokratischen Kräften unterschiedlicher Orientierung die Räume und die Informationen geboten, um sich zu vernetzen und ihre Ideen weiterzuentwickeln. Dasselbe tun sie auch heute rund um die Welt - und ecken damit zunehmend bei den herrschenden Kräften an.

Als die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung 1996 ihr Büro in Peking schließen musste, weil sie gute Kontakte zum Dalai Lama pflegte und auch um die demokratische Regierung Taiwans keinen Bogen machte, war das noch ein Einzelfall.

Repressalien

Zuletzt aber häuften sich solche Vorfälle. Ende 2011 wurden in Kairo die Büroräume der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und anderer ausländischer Nicht-Regierungs-Organisationen von der Staatsanwaltschaft und bewaffneten Polizeieinheiten durchsucht. Sämtliche Computer und zahlreiche Dokumente der Stiftung wurden beschlagnahmt. Diesen Juni nun wurden der Büroleiter und seine Mitarbeiterin in Abwesenheit zu fünf beziehungsweise zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Ende 2012 schloss die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung ihr Büro in Äthiopien, weil die Regierung die Arbeit von Nicht-Regierungs-Organisationen massiv eingeschränkt hatte.

Im März dann durchsuchte die russische Staatsanwaltschaft Büros ausländischer Nicht-Regierungs-Organisationen, darunter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Petersburg. Bei der Adenauer-Stiftung wurden die Computer mitgenommen. Und vor wenigen Wochen wurde die Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sri Lanka völlig überraschend verhaftet und konnte erst auf Intervention des deutschen Außenministers ausreisen. Auch in anderen Ländern häufen sich die Schwierigkeiten. Matthias Barner, Sprecher der Konrad-Adenauer-Stiftung, führt das darauf zurück, dass "die zivilgesellschaftlichen Akteure in vielen Staaten lebhafter und selbstbewusster geworden sind". Stiftungen suchten in ihrer Arbeit die Kooperation mit diesen, und "manche Regierungen sehen das als ein Problem". Aus anderen Stiftungen ist auch zu hören, dass sich gerade in Entwicklungsländern der wachsende chinesische Einfluss negativ bemerkbar mache. Allerdings lassen sich die Stiftungen dadurch nicht von ihren Zielen abbringen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat im vergangenen Jahr ein neues Büro in Beirut eröffnet, das sich auch um die Rechtsstaatsentwicklung in der gesamten Region kümmert, die Heinrich-Böll-Stiftung vor wenigen Monaten statt des ursprünglich geplanten Büros in Kairo eines in Tunis, das auch Ägypten abdecken soll.

Neben der politischen Bildungsarbeit im In- und Ausland sind die Politischen Stiftungen auch Denkfabriken. Dabei geht es selbstverständlich um Politikberatung für die Funktions- und Mandatsträger der jeweils nahestehenden Partei. Sie soll helfen, möglichst fundierte Entscheidungen zu treffen. In erster Linie aber ist ihre Forschungsarbeit für die Allgemeinheit bestimmt. Regelmäßig geben die Politischen Stiftungen der öffentlichen Diskussion Impulse, und wenn es irgendwo auf der Welt brennt, sind ihre außenpolitischen Experten gefragte Gesprächspartner der Medien.

Stipendien

Ein wichtiges Arbeitsfeld aller Stiftungen ist schließlich die Studienförderung. Voraussetzung für die Aufnahme sind nicht nur gute Noten, sondern auch gesellschaftliches Engagement. Das muss keineswegs in einer Partei sein, aber wenn, sollte es schon die sein, der die politische Stiftung nahesteht. Die Studienwerke der Politischen Stiftungen sind definitiv keine Kaderschmieden, aber junge Menschen mit einer bestimmten Grundhaltung zu fördern, ist schon ihr erklärtes Ziel. Ausgewählt werden die Stipendiaten nicht von den Stiftungen selbst, sondern von unabhängigen Ausschüssen. Dabei gibt es gewisse Vorgaben vom Bundesbildungsministerium. So sollen sich die Stiftungen derzeit verstärkt darum bemühen, Stipendiaten aus Nicht-Akademiker-Familien zu gewinnen. Ansonsten setzen die Stiftungen auch eigene Schwerpunkte. So bieten die Konrad-Adenauer- und die Hanns-Seidel-Stiftung sowie in geringerem Umfang auch die Friedrich-Ebert-Stiftung und mit einem besonderen Akzent die Heinrich-Böll-Stiftung Förderprogramme für den journalistischen Nachwuchs.

Finanziert werden die Politischen Stiftungen zu weit über 90 Prozent aus dem Bundeshaushalt. Den Grundstock von etwa 25 Prozent bilden die sogenannten Globalmittel, die aus dem Etat des Bundesinnenministeriums stammen, der Rest ist projektgebunden. Das Innenministerium unterstützt die Angebote zur politischen Bildung im Inland. Das Geld für die Auslandsarbeit kommt, da sie sich hauptsächlich in Entwicklungsländern abspielt, überwiegend vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch vom Auswärtigen Amt und in bestimmten Fällen, etwa wenn es um die Energiewende geht, vom Bundesumweltministerium. Die Begabtenförderung finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Sowohl Globalmittel als auch Projektmittel werden nach einem Schlüssel verteilt, auf den sich die Stiftungen auf Grundlage der letzten vier Bundestagswahlergebnisse verständigen. Derzeit erhält die Friedrich-Ebert-Stiftung 31,9 Prozent, die Konrad-Adenauer-Stiftung 28 Prozent, Friedrich-Naumann- und Heinrich-Böll-Stiftung jeweils 10,425 Prozent, die Hanns- Seidel-Stiftung 9,75 Prozent und die Rosa-Luxemburg-Stiftung 9,5 Prozent. Nächstes Jahr müssen sie sich erneut zusammensetzen und aufgrund des Wahlausgangs im Herbst einen neuen Schlüssel für die Zeit ab 2015 vereinbaren.