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Die Freiheits-Szene wächst in Deutschland rasant

Spurensuche Libertäre Strukturen sind innerhalb und außerhalb der FDP zu finden. Noch fehlt eine Denkfabrik nach dem Vorbild amerikanischer Ideenschmieden

04.11.2013
2023-08-30T12:24:07.7200Z
3 Min

Wie aus dem Nichts sind die European Students for Liberty (ESFL) entstanden. Innerhalb von zwei Jahren wurde die Jugendorganisation, die sich Freiheit auf die Fahnen geschrieben hat, an mehr als 200 europäischen Universitäten aktiv. Die Mutterorganisation Students for Liberty betreut weltweit über 1.000 Hochschulgruppen, die mehr als 300.000 Bücher verteilen. Dieses Jahr sollen es noch mehr werden.

Die Aktivitäten der EFSL fallen in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Seit Jahren wird die Freiheits-Szene hierzulande rasch größer, manche sprechen gar von exponentiellem Wachstum. Die EFSL sind ein Nachzügler. Schon seit Jahren wird hier der freisinnige Acker bestellt. Natürlich standen auch am Anfang Studentengruppen, die sich dort bilden konnten, wo noch liberale Professoren tätig waren. Aus solch einem studentischen Milieu heraus ist 1998 die Szenezeitschrift "eigentümlich frei" entstanden, die auch heute noch konkurrenzlos ist. Mit dem Internet wuchsen die Zeitschrift und die libertäre Szene.

Inhaltlich konnte man sich auf die amerikanischen Libertären berufen und an diese anknüpfen. Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der amerikanischen "libertarians" spielte Murray Rothbard. Er war zunächst 1974, im Jahr des Austrian Revival, Co-Gründer des "Cato Institute" und später dann des "Ludwig von Mises Institute". Beide Denkfabriken haben den amerikanischen "libertarianism" geprägt. Bemerkenswert ist auch der stete wechselseitige Austausch mit der Libertarian Party, einer so genannten Third Party im amerikanischen System. Ein erster Durchbruch gelang auch in den USA erst durch den Aufzug des Internets. Endlich konnten Ideen ungefiltert publiziert werden. Die libertäre Bewegung ist - auch heute noch - eher intellektuell denn praktisch geprägt. Es gibt kaum einen Libertären, der nicht Mises, Hayek oder die anderen Protagonisten gelesen hat. Sie gedeiht an den Universitäten, an denen sich zuweilen ganze Fakultäten - wie etwa an der George-Mason-University - als libertär beschreiben lassen können.

Erst in den letzten Jahren ändert sich das Erscheinungsbild der Bewegung und sie emanzipiert sich von ihrem akademischen Milieu. Entscheidend hierfür war die US-Präsidentschaftskampagne des libertären Kandidaten Ron Paul 2008. Die Kampagne konsolidierte einerseits die Bewegung, andererseits war durch den unvermeidlichen Fokus der Medien auf die Kandidatur Pauls gewährleistet, dass die libertären Ideen eine größere Menge von Menschen erreichen und begeistern konnten. Kernthemen der Kampagne waren einerseits die Abschaffung der amerikanischen Zentralbank und eine nicht-interventionistische Außenpolitik: Die USA sollten ihre Kriege beenden und die Truppen nach Hause holen. Diese beiden von Ron Paul wohl gesetzten Themen zwischen rechts und links lassen ahnen, warum es gerade deutschen Beobachtern so schwer fällt, die Tea-Party-Bewegung einzuordnen. Denn diese feierte ihrerseits ihre Geburtsstunde während des Ron-Paul-Wahlkampfes, ist aber inzwischen hauptsächlich wegen ihrer dezentralen Struktur ausdifferenziert und lässt sich nicht mehr monolithisch verorten. Seitdem wächst die Bewegung deutlich schneller, und es existiert eine Reihe amerikanischer Politiker, die sich als libertär bezeichnen.

So weit ist Deutschand noch nicht. Hierzulande haben Anhänger der Freiheit es schwerer, eine politische Heimat zu finden. Sie richten ihre Hoffnungen vor allem auf die libertäre "Partei der Vernunft" oder den Liberalen Aufbruch, einen Flügel der FDP. Außerhalb des Parteiensystems ist die Vielfalt weitaus größer. Die Zahl der unterschiedlichen libertären Treffen ist enorm. Meistens handelt es sich um intellektuelle Zirkel, darunter die Treffen der Freiheitsfreunde, der Hayek-Clubs oder der ESFL.

Das Interesse wächst rasant. Auch die deutschsprachige Szene hat eine Reihe eigenständiger Denker hervorgebracht, und mittlerweile finden sich sogar ausgewiesene Libertäre auf herkömmlichen deutschen Lehrstühlen. Auffällig ist indes das Fehlen einer Denkfabrik. Eine deutsche Ideenschmiede von Bedeutung sucht man vergeblich.

Finanziell gut ausgestattete, privat finanzierte Ideenschmieden bildeten zwar in den USA den Grundstein der Bewegung. Für Deutschland könnte es allerdings so sein, dass die Entstehung einer Ideenschmiede von Bedeutung dem Richtfest gleichkommt. Man kann die Prognose wagen, dass eine in diese Marktlücke vorstoßende Einrichtung sich als Kraftwerk für den deutschen Libertarismus erweisen wird.