Piwik Webtracking Image

Mütterrente sorgt für Streit

Renten Die Beitragssätze sollen 2014 nicht wie vorgesehen sinken. Denn die Koalition braucht das Geld

23.12.2013
True 2023-08-30T12:24:09.7200Z
3 Min

Eigentlich müssten die Rentenbeiträge ab dem 1. Januar 2014 sinken. Die Rentenkasse ist prall gefüllt und laut Gesetz schmälert das ab einer bestimmen Rücklage die Beiträge der Versicherten. Theoretisch müssten die demnächst also nicht mehr 18,9 Prozent, sondern nur noch 18,3 Prozent zahlen. Doch kurz nach der Wahl ist mit diesem Automatismus Schluss: Aus den Mehreinnahmen der Rentenkasse will die schwarz-rote Regierung ihre im Wahlkampf versprochenen Rentenpläne finanzieren. Wichtigstes Projekt dabei: die Mütterrente.

Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, sollen den Müttern ab dem 1. Juli 2014 einen Rentenpunkt mehr bringen - das entspricht 28 Euro pro Monat und Kind. Um das finanzieren zu können, braucht die Koalition Geld, rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr. Das soll aus der Rentenkasse kommen, die anstehende Beitragssenkung wird daher gestoppt. Der entsprechende Gesetzentwurf (18/187) wurde am vergangenen Donnerstag erstmals im Bundestag beraten.

Das Urteil der Opposition könnte harscher nicht ausfallen: Grüne und Linke bezeichneten das Vorhaben als Trickserei und Plünderung der Rentenkasse. Mit ihrer Rentenpolitik setze die neue Regierung den Kurs von Schwarz-Gelb fort, nur mit einer "schöneren Verpackung", sagte die Linken-Politikerin Sabine Zimmermann. Die Anerkennung der Erziehungszeiten von vor 1992 sei "zwar mehr als überfällig", warum es aber keine vollständige Gleichstellung von Ost und West gebe und damit die Erziehungsleistung der Mutter im Osten weniger wert sei als die der Mutter im Westen, müsse die Koalition den Beitragszahlern erklären. Die SPD zahle nun den Preis dafür, dass sie ihre "richtigen und nötigen" Forderungen nach Umverteilungen im Wahlkampf aufgegeben habe.

Für die Grünen sagte Kerstin Andreae, die Begründung des Gesetzentwurfs sei ein "Hohn", denn es gehe nicht um die Stabilität der Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung, sondern um die Finanzierung von Wahlkampfversprechen. Die Mütterrente müsse steuerfinanziert werden, sie werde in vier Jahren 26 Milliarden Euro kosten. So, wie sie jetzt geplant sei, verlagere sie die Lasten auf zukünftige Generationen. Das werde auf den "entschlossenen Widerstand" der Grünen-Fraktion treffen, kündigte Andreae an.

Die Große Koalition dagegen warb für das Projekt: Damit werde "ein stabiles System gerechter" gemacht, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Die Stichtagsregel bei den Kindererziehungszeiten aufzulösen, sei "gut und richtig". Für die Union betonte der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling, die Anerkennung der Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder sei sozial gerecht. Damit erkenne man die Leistung von Müttern an, die ohne Krippen und entsprechende Rahmenbedingungen Kinder geboren und so erzogen hätten, dass sie "mit ihrer Hände Arbeit" zur Sicherung der Solidarsysteme beitrügen. Weil ein Drittel der Rücklagen der Rentenkasse aus Steuermitteln stamme, werde die Allgemeinheit angemessen an dem Vorhaben beteiligt. Wenn alles gut gehe und man "auf Anhörungen verzichtet", werde man das Gesetzesvorhaben im Februar im Bundesrat verabschieden können.

Kritik an "Trickserei"

Genau dieses Verfahren hält die Opposition für Trickserei. Der Bundesrat wird frühestens in seiner Sitzung am 14. Februar über den Gesetzentwurf entscheiden, die Beiträge sollen aber ab 1. Januar gelten. Das Gesetz wirkt dann rückwirkend. Dies sei "mitnichten ein geordnetes Verfahren", sagte Kerstin Andreae. Schwarz-Rot könne nicht ernsthaft Sachverständige zu einer Anhörung laden und deren Expertise gar nicht zur Kenntnis nehmen, weil alles schon vorgegeben sei.

Auf eine Zwischenfrage des Linken-Politikers Matthias Birkwald, warum die Koalition sich nicht einem Antrag der Linken angeschlossen habe, mit dem man das Vorhaben noch in diesem Jahr hätte umsetzen können, sagte Schiewerling, der Vorschlag der Linken sei "ordentlich" gewesen, "unserer war ordentlicher". Auch die im Bundestag nicht mehr vertretene FDP äußerte ihren Protest: Der sächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Sven Morlok, sagte im Plenum, das Vorhaben belaste "die Leistungsträger der Gesellschaft". Gefragt, ob dies die Haltung der schwarz-gelben Landesregierung sei, sagte Morlok, Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) habe sich schon angesichts voller Kassen bei den Rundfunkbeiträgen dafür eingesetzt, dass die Beiträge an jene zurückgingen, die sie bezahlt hätten. Gleiches gelte in der Frage der Renten.

Die Mütterrente ist nicht das einzige, milliardenschwere Rentenprojekt der Koalition. Sie hat auch eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren, höhere Erwerbsminderungsrenten und Rentenaufschläge für Geringverdiener angekündigt.