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Rote Linie gewünscht

NSA-AFFÄRE US-Präsident Obama verteidigt Geheimdienstaktivitäten, kündigt aber Einschränkungen an. Der Bundestag streitet über ein mögliches Scheitern…

20.01.2014
2023-11-08T12:31:20.3600Z
4 Min

War es das schon? Die Spannung vor der Rede von US-Präsident Barack Obama am Freitagabend über Konsequenzen aus dem Abhörskandal des US-Geheimdienstes NSA, der angesichts der gigantischen Ausspähung von Millionen Bürgern und selbst von Regierungschefs bis hin zu Verbündeten wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) massive Kritik provoziert hat, war weltweit und auch im Bundestag riesig. Doch im Kern verteidigte Obama die US-Geheimdienstarbeit. Die Terrorattacken vom 11. September 2001 hätten die Notwendigkeit deutlich gemacht, die Überwachung von gegnerischen Nationen auf Individuen und Gruppen auszuweiten, um solche Angriffe künftig zu vermeiden. Auf diese Weise seien viele Attacken verhindert und Menschenleben geschützt worden. Allerdings brächten die verbesserten Geheimdienstmethoden die Gefahr mit sich, dass die Regierung übertreibe und die massenhafte Datensammlung durch den Staat missbraucht werde.

Der US-Präsident kündigte Einschränkungen beim Zugriff der NSA auf Telefon-Anrufdaten an. Die Behörde müsse in der Regel künftig jedes Mal die Zustimmung eines Geheimgerichts einholen, bevor sie Einblick in die Daten nehmen könne. Ausländer sollten von den Geheimdiensten nur im Zuge des Anti-Terror-Kampfes oder bei Gefährdung der nationalen Sicherheit überwacht werden. Staats- und Regierungschefs eng befreundeter Regierungen sollten nicht überwacht werden, sagte Obama. Zugleich betonte er grundsätzlich, dass die Überwachung anderer Regierungen weitergehe. Dies machten andere Länder auch, fügte der US-Präsident hinzu.

Es mutet zweifelhaft an, ob diese Rede die Gemüter im Ausland zu beruhigen vermag. Schließlich tauchen immer neue Schreckensmeldungen aus der Welt Big Brothers auf. So berichtete die "New York Times" über das Programm "Quantum", das es der NSA erlaube, mit Hilfe eingeschleuster Funkwanzen Computer selbst dann auszuspionieren, wenn sie gar nicht mit dem Internet verbunden sind. Weltweit soll diese Schnüffel-Software bereits in 100.000 Geräten installiert sein. Und unmittelbar vor Obamas Auftritt machte der englische "Guardian" publik, dass es das Programm "Dishfire" US- und britischen Diensten gestattet, täglich 200 Millionen SMS zu erfassen und auszuwerten.

Scheitern droht

Auch nach Obamas Rede ist offen, was aus dem von Berlin angestrebten "No-Spy-Abkommen" mit Washington wird, das ein gegenseitiges Ausspionieren ausschließen soll. Ein solcher Vertrag spielt eine zentrale Rolle beim Bemühen der Bundesregierung, Konsequenzen aus dem NSA-Skandal zu ziehen. Doch Medienberichte und Kommentare von Politikern legen die Vermutung nahe, dass die Verhandlungen mangels eines Entgegenkommens der USA vom Scheitern bedroht sind.

Im Vorfeld von Obamas Auftritt gingen im Bundestag bei einer von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde die Wogen hoch. Die Opposition machte die Regierung für das sich abzeichnende Desaster verantwortlich. Konstantin von Notz (Grüne) kritisierte, nach monatelanger "Verklärung und Vertuschung" stehe die Regierung "völlig blank da", das sei ein "Skandal nach dem Skandal". Der Union gehe es nicht um Freiheit und Rechte der Bürger; sie interessiere sich nur für das Abhören des Handys der Kanzlerin. Kernproblem aber sei, dass keine massenhafte Überwachung der Bürger ohne konkreten Anlass stattfinden dürfe.

Jan Korte (Linke) bezeichnete die NSA-Ausforschung als "einen der größten Datenschutzskandale" und "fundamentalen Angriff auf die Grundrechte". Er forderte, auf Washington Druck auszuüben und etwa die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zu kündigen, auf die Übermittlung von Bankdaten an die USA zu verzichten oder Angehörige ausländischer Botschaften auszuweisen, die spionieren.

Sprecher der Koalition äußerten zwar deutliche Kritik an Washington, hoffen indes, doch noch ein No-Spy-Abkommen zu erreichen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), nannte die Informationspolitik der USA "inakzeptabel". Es sei "nicht verhandelbar, dass auf deutschem Boden uneingeschränkt deutsches Recht zu gelten hat". Der CDU-Parlamentarier Clemens Binninger unterstrich, es müsse "klare rote Linien" geben, die auch von Amerikanern und Briten zu beachten seien. Michael Hartmann (SPD) sagte, Washington müsse verstehen, dass es eine "patriotische Pflicht" sei, hierzulande die Freiheitsrechte zu schützen. Die Regierung sei dem Vorgehen Washingtons nicht wehrlos ausgesetzt, betonte der SPD-Parlamentarier: Warum solle man Fluggastdaten an die USA übermitteln, "wenn man sich illegal über die Hintertür noch viel mehr Daten holt?"

Binninger räumte ein, dass die Verhandlungen in einer "Sackgasse" steckten. Wie Krings und Hartmann warnte er jedoch davor, die Gespräche abzubrechen, auch lehnte er Drohungen gegenüber Washington ab. Hartmann: "Es wäre schlimm, wenn das No-Spy-Abkommen scheitert."

Bekannt wurde dieser Tage, dass die Bundesregierung auch über einen Anti-Spionage-Vertrag zwischen den EU-Staaten verhandelt. Nach Medienmeldungen stocken diese Gespräche freilich ebenfalls, vor allem wegen britischer Widerstände.

Einen Warnschuss Richtung USA feuerte derweil das EU-Parlament ab, das dafür plädiert, den Datenaustausch einzuschränken, um so die Geschäfte von US-Unternehmen in Europa zu treffen. Und der Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses verurteilt eine "gewaltige, systematische Blanko-Erfassung persönlicher Daten" durch die NSA.