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Manuela Schwesig kündigt einen "Dreiklang" an

FAMILIE Union und SPD betonen die Vielfalt der Lebensentwürfe. Linke und Grüne vermissen das Thema Kinderarmut.

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
3 Min

Manuela Schwesig hat sich viel vorgenommen: Sie will nicht weniger als in dieser Legislatur die Lebensbedingungen von Familien zu verbessern und die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen. Das betonte die SPD-Bundesfamilienministerin in der Debatte zur Familienpolitik am vergangenen Donnerstag. Es gehe ihr um eine "moderne Gesellschaftspolitik des 21. Jahrhunderts", die die "Vielfalt der Lebensentwürfe als Chance" wahrnehme, sagte sie.

Geld, Angebote und Zeit

Die Ministerin benannte für ihre Amtszeit sechs Schwerpunkte: eine moderne Familienpolitik, eine starke Gleichstellungspolitik, eine gute Kinderpolitik, eine engagierte Jugendpolitik und eine Seniorenpolitik, die dafür sorge, dass Ältere ihre Lebenskenntnisse einbringen könnten, sowie die Stärkung von Demokratie und Toleranz.

Es sei "klar, dass es kein Steuergeld für Extremisten" geben dürfe, betonte die Ministerin - und spielte dabei auf die umstrittene Extremismusklausel an. Diese Einverständniserklärung hatte Schwesigs Amtsvorgängerin Kristina Schröder (CDU) eingeführt. Sie besagt, dass sich Antragsteller, die für zivilgesellschaftliche Projekte Geld aus Bundesprogrammen beantragen, zunächst zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen müssen. Schwesig hatte mehrfach angekündigt, die Erklärung abschaffen zu wollen.

Die neue Ministerin will, dass alle Lebensformen, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, unterstützt werden. Dafür gebe es einen "Dreiklang" aus Geld, Angeboten und Zeit. Sie kündigte für 2014 eine flexible Elternzeit, das "Elterngeld Plus" und das Rückkehrrecht aus Teilzeit in Vollzeit als zentrale Vorhaben an. Zudem werde die Pflegereform und ein Pflegeberufegesetz für mehr Unterstützung der Familien bei der Pflege sorgen. Ein Entgeltgleichheitsgesetz und die Förderung von Frauen in Führungspositionen sollten Missstände für Frauen abschaffen.

Für die Union betonte die Familienpolitikerin Nadine Schön (CDU), es gehe um eine Gesellschaft, die "bei aller Vielfalt auch bindende Elemente" habe. Eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, sei der Bundesfreiwilligendienst; dabei handele es sich um "ein Paradebeispiel christdemokratischer Gesellschaftspolitik". Schön verteidigte außerdem die Vielfalt familienpolitischer Leistungen. Diese sei nötig, weil Familien "einen guten Werkzeugkasten" benötigten, um die für sie passende Unterstützung zu bekommen. Wer kein Familienmodell "zum Allheilmittel" erklären wolle, müsse unterschiedliche Angebote machen. Grundsätzlich, so die CDU-Politikerin, werde das "Schöne und Sinnstiftende" am Kinderhaben zu wenig betont. Kinder würden zu oft "outgesourct", damit entstehe eine familienunfreundliche Gesellschaft.

Carola Reimann, in der SPD-Fraktion für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zuständig, sagte, mit Schwesig gebe es neuen Schwung in der Familien- und Gleichstellungspolitik. Die Große Koalition werde dafür sorgen, dass Vorstands- und Chefetagen für Frauen nicht verschlossen blieben. Das Versprechen des Grundgesetzes auf gleiche Chancen müsse "endlich eingelöst" werden. SPD und Union würden sich für die Entgeltgleichheit einsetzen und über den Mindestlohn das Einkommen vieler Frauen verbessern, versicherte Reimann.

Warten auf Taten

Die Opposition dagegen bleibt skeptisch: Sie bemängelte, dass der Koalitionsvertrag zu wenige wichtige Vorhaben in der Familienpolitik enthalte und warf Schwesig vor, sich auf eine "Ankündigungspolitik" zu beschränken. So kritisierte der Linken-Familienpolitiker Jörn Wunderlich, mit dem geplanten "Elterngeld Plus" würden Alleinerziehende benachteiligt, der Vorschlag einer 32-Stunden-Woche komme nur Ausnahmefällen zu gute und sei ohnehin "schon plattgemacht" worden. Im Koalitionsvertrag finde sich außerdem nichts zur Finanzierung der Frauenhäuser oder zur Kinderarmut, obwohl davon jedes fünfte Kind betroffen sei. Auf das von Schwesig angekündigte "entspannte Verfahren" zur Extremismusklausel, die sie erst habe abschaffen wollen, nun aber beibehalte, sei er "furchtbar gespannt", so Wunderlich.

Massive Kritik äußerte auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen Katja Dörner. Dass Nadine Schön in neun Minuten Redezeit keine einzige konkrete Maßnahme benannt habe, lasse die "Alarmglocken" läuten. Man werde die Koalition "an Taten messen, nicht an Ihren Diskussionsbeiträgen". Am Beispiel der Diskussion um die 32-Stunden-Woche habe sich gezeigt, dass "gut gemeinte Diskussionsbeiträge" eine "gut gemachte Politik" nicht ersetzten. Schwesig hatte im Januar den Vorschlag gemacht, dass es für Arbeitnehmer mit kleinen Kindern eine neue Regelarbeitszeit von 32 Stunden geben solle, dafür aber viel Kritik sowohl aus der Wirtschaft als auch vom eigenen Koalitionspartner geerntet.

Dörner sagte weiter, dass 2,5 Millionen Kinder in Deutschland arm seien, der Begriff Kinderarmut in den 185 Seiten des Koalitionsvertrags aber nicht vorkomme, sei "nicht akzeptabel". Es bedürfe eines Gesamtkonzepts und nicht "Flickschusterei", um dieses Problem zu lösen. Auch die vielbeschworene Wahlfreiheit sei in Deutschland noch eine "Fata Morgana".