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Sorge ums Netz

inNERES Nach fast drei Jahren wieder Innenminister, stehen für Thomas de Maizière (CDU) alte und neue Streitthemen an

03.02.2014
2023-11-08T12:31:29.3600Z
4 Min

Da ist er also wieder, der Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Von Oktober 2009 bis März 2011 hatte der CDU-Mann schon einmal an der Spitze des Ressorts gestanden und sich dabei auch bei der Opposition Respekt erarbeitet, dann wechselte er für den Rest der Legislaturperiode ins Verteidigungsministerium. Nun, in der Neuauflage der Großen Koalition, ist er wieder für die breite Themenpalette der Innenpolitik zuständig. Wie breit die Bandbreite dieser Themen ist, wurde auch deutlich, als de Maizière am Donnerstagabend im Bundestag die innenpolitischen Schwerpunkte der neuen Legislaturperiode darstellte: Es ging um die Bekämpfung von internationalem Terrorismus, organisierter Kriminalität und Gewalt im Alltag, um Demografiepolitik, um Integration, um "Sicherheit im Netz" und und und.

Neuer Anlauf

Manche Themen wie der Streit um die Vorratsdatenspeicherung waren schon während der ersten Amtszeit des Ministers im Innenressort aktuell, andere sind seitdem neu hinzugekommen, etwa die Konsequenzen aus der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie oder die Ausspähaffäre um den US-Geheimdienst NSA. Die Vorratsdatenspeicherung freilich präsentiert sich dem Ressortchef nun aus neuer Perspektive: Sie war von der Großen Koalition 2007 schon einmal beschlossen worden, wurde dann aber 2010 vom Bundesverfassungsgericht in der damaligen Fassung gekippt, und eine Neuauflage scheiterte in der Folgezeit am seinerzeit FDP-geführten Justizministerium. Jetzt aber regiert wieder Schwarz-Rot, und damit steht ein neuer Anlauf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung an, wie de Maizière in der Debatte bekräftigte. "Wir brauchen dieses Instrument, um schwerste Straftaten aufklären zu können", argumentierte der Ressortchef.

Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann kündigte an, dass die Koalition nach der erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur entsprechenden EU-Richtlinie eine Regelung vorlegen werde. "Im Unterschied zur Vergangenheit" würden sich der Innen- und der Justizminister dabei "zusammenraufen", gab sich Hartmann überzeugt. "Vorgelegt werden" könne indes nur, "was grundrechtschonend ist, einem Richtervorbehalt unterliegt und zeitlich sehr begrenzt wirkt". Auch müssten die Daten der Bürger vor dem "unberechtigten Zugriff durch Dritte geschützt sein".

Hartmann warb zugleich dafür, den "ewigen Glaubenskrieg um die Mindestspeicherfristen" zu beenden. Es handele sich weder um "das Instrument der Totalausspähung" noch um "das Allheilmittel polizeilicher Arbeit", sagte er. "Eine Polizei wäre arm dran, wenn sie nicht mehr ermitteln könnte ohne die Vorratsdatenspeicherung", fügte der SPD-Abgeordnete hinzu.

Verzicht gefordert

Die Opposition lehnte eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung erwartungsgemäß entschieden ab. Für Die Linke forderte ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Jan Korte Schwarz-Rot auf, endgültig darauf zu verzichten. Die Vorratsdatenspeicherung sei "nichts anderes als die Totalprotokollierung des menschlichen Kommunikationsverhaltens", betonte Korte.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz nannte es "groben Unfug", dass die Koalition an der Vorratsdatenspeicherung "als Instrument der anlasslosen Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung" festhalte. Die Vorratsdatenspeicherung sei "kein Mehr an Sicherheit", sondern "ein zusätzliches Risiko für den Datenschutz und für die Datensicherheit der Menschen und der Wirtschaft", sagte er.

Beide Oppositionspolitiker warfen der Regierung zudem Versagen in der NSA-Ausspähaffäre vor. "Seit sechs Monaten bewegt die Ausspähaffäre dieses Land und die Menschen, diese Bundesregierung bewegt das aber herzlich wenig", schimpfte Korte. Dabei gefährde die massenhafte Überwachung die Fundamente der Demokratie. "Wer überwacht wird, ist nicht frei", fügte er hinzu und warf dem Minister vor, nicht gesagt zu haben, wie er die Bevölkerung und Unternehmen konkret vor Spionage schützen wolle.

Notz bescheinigte der Bundesregierung im Zusammenhang mit der NSA-Affäre ein "handfestes Sicherheitsproblem", das alle Bürger unmittelbar treffe. "Im größten Überwachungsskandal aller Zeiten" stehe die Regierung mit leeren Händen dar. "Die einzigen Antworten der Bundeskanzlerin in dieser schweren Krise unseres Rechtsstaates - EU-Datenschutzverordnung und No-Spy-Abkommen - sind beide kläglich gescheitert", konstatierte der Grünen-Parlamentarier und forderte "Aufklärung, Transparenz und den parlamentarischen Untersuchungsausschuss".

IT-Sicherheitsgesetz angekündigt

De Maizière sagte mit Blick auf die NSA-Affäre, darüber werde zu Recht viel geredet, und verwies auf entsprechende Ausführungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung vom Vortag (Siehe Seite 1). Das sei aber nur ein "Ausschnitt eines ganz großen Themas", betonte er: "Gleichgültig mit welcher Motivation, mit welchen Methoden oder von wo aus auch immer das Netz angegriffen wird, es muss uns dabei stets um eines gehen: um den Erhalt und den Schutz des Netzes als geordneten Freiheitsraum". Angesichts der "angespannten Bedrohungslage im Netz" sei der Schutz kritischer Infrastrukturen besonders wichtig, fügte de Maizière hinzu und kündigte die Vorlage eines neuen Entwurfs für ein IT-Sicherheitsgesetz an.

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer wertete die NSA-Affäre als "besondere Problematik". Auch er sei nicht zufrieden mit den bisherigen Antworten der USA und Großbritanniens in der Affäre. Die größten Gefahren für Datensicherheit drohten aber nicht von befreundeten Nationen, sondern von "uns weniger freundlich gesonnenen Staaten" und Strukturen der Organisierten Kriminalität.