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Künftig mit eigenem europäischen Rechtstatus

PARTEIENFAMILIEN Ihre Aufgabe ist die Bildung eines europäischen Bewussteins. Ein neues Statut soll dabei helfen

28.04.2014
2023-08-30T12:26:13.7200Z
3 Min

Zum achten Mal seit 1979 sind die Bürger der EU-Staaten vom 22. Mai bis 25. Mai zur Direktwahl des Europäischen Parlaments aufgerufen. Erstmals treten Parteienfamilien mit eigenen Spitzenkandidaten an. Der luxemburgische Christdemokrat Jean-Claude Juncker und der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz haben dabei nicht nur den Anspruch, sondern auch gewisse Chancen, künftig die Europäische Kommission zu führen. Dafür müssen natürlich die über das Vorschlagsrecht verfügenden 28 Staats- und Regierungschefs mitspielen.

Mit der Zuspitzung auf die Alternative "Juncker oder Schulz" ist nicht nur die Hoffnung verbunden, dass die Wahlen Ende Mai weniger als früher in den Ruch einer innenpolitisch motivierten "Denkzettelwahl" gelangen. Auch für die europäischen Parteien bietet sich dadurch die Gelegenheit, ihr Profil zu schärfen. Dies gilt nicht nur für die christlich-demokratische Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), sondern auch für die anderen, kleineren Parteien.

13 europäische Parteienfamilien

Insgesamt gibt es 13 europäische Parteienfamilien, die offiziell gemäß den Vorgaben der EU-Verträge als "politische Parteien auf europäischer Ebene" anerkannt worden sind und im Jahr 2012 insgesamt 31 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt erhalten haben. Darunter sind neben "Dinosauriern" der Parteienlandschaft wie die 1981 gegründete regionalistische Europäische Freie Allianz (EFA), die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE), die Europäische Grüne Partei (EGP) oder die Europäische Linke. Hinzu kommen neuere Gründungen wie die euroskeptische Allianz der Europäischen Konservativen (AECR) oder die 2010 entstandene rechtspopulistische Europäische Allianz für Freiheit (EAF). Sie stellt derzeit fünf von 766 Europaabgeordneten, könnte aber, vor allem mit Hilfe der Wähler des französischen Front National im Mai deutlich erstarken - und damit mehr Gelder aus Brüssel bekommen.

Die Geschichte der europäischen Parteien reicht weiter als die erste Direktwahl zum Parlament im Jahr 1979 zurück. Die EVP wurde 1976 gegründet. Auch im damals noch indirekt gewählten Parlament gab es durch die Gemeinschaft finanzierte Fraktionen. In einem schleichenden Prozess kam es dazu, dass die europäischen Parteien zunehmend indirekt über die ihnen nahestehenden Fraktionen finanziert wurden. Das änderte sich, als 1992 den Parteien in den EU-Verträgen die Rolle zugesprochen wurde, "ein europäisches Bewusstsein herauszubilden". Erst mit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 wurde auch die rechtliche Möglichkeit zur Finanzierung der Parteien aus dem EU-Haushalt eröffnet.

In der Praxis können Parteien seit 2004 eine Finanzhilfe beantragen. Dieser sogenannte Betriebskostenzuschuss kann sich auf bis zu 85 Prozent der Ausgaben belaufen. Die Mittel dienen zur Finanzierung von Sitzungen und Konferenzen, Veröffentlichungen, Studien und Werbung, aber auch von Verwaltungsaufwendungen, Personal- und Reisekosten. Die Gelder dürfen jedoch nicht zur Finanzierung einzelstaatlicher, sondern nur für europäische Wahlkampagnen genutzt werden. Ausgeschlossen sind Quersubventionen für Mitgliedsparteien.

Neue Regeln im Statut

Rechtzeitig zum Abschluss der Wahlperiode hat das Parlament kurz vor Ostern eine mit den EU-Regierungen ausgehandelte Neuregelung zum Statut der europäischen Parteien gebilligt. Während diese bisher aus praktischen Gründen meist nach belgischem Vereinigungsrecht eingetragen waren, können sie künftig einen eigenen europäischen Rechtstatus erhalten. Verschärft und klarer gefasst sind die Auflagen zur Achtung der in Artikel 2 des EU-Vertrags enthaltenen Grundwerte. Über die Anerkennung der Parteien und ihrer Stiftungen wird ein neues, unabhängiges Gremium entscheiden. Entfallen wird die Verpflichtung, künftig jährlich ein Arbeitsprogramm vorzulegen.

Die für die entsprechende Änderung der Haushaltsordnung zuständige Europaabgeordnete Inge Gräßle zeigte sich zufrieden mit der von 2017 an gültigen Neuregelung. "Die neuen Rechtsgrundlangen werden es den europäischen politischen Parteien ermöglichen, auf wirksame Weise die ihnen in den Verträgen zugewiesene Rolle zu erfüllen: Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger", sagt die CDU-Politikerin, die seit 2004 dem Europaparlament angehört. Der SPD-Abgeordnete Jo Leinen glaubt, dass europäische Parteien zu grenzüberschreitenden Diskussionen und damit zur Ausbildung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen könnten. Für den Ex-Vorsitzenden des Verfassungsausschusses des Parlaments liegt es in der Logik der Entwicklung, einen Teil der Abgeordneten über transnationale Listen wählen zu lassen. "Das wäre dann wirklich der Durchbruch zu europäischen Wahlkampagnen mit europäischen Persönlichkeiten und Programmen", sagte Leinen.