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Milliarden für Millionen

RENTENPAKET Mit großer Mehrheit stimmt der Bundestag für das Gesetz. Im Juli tritt es nun in Kraft

26.05.2014
2023-08-30T12:26:15.7200Z
4 Min

Acht Monate ist es her, dass die Bundesbürger eine neue Regierung gewählt haben. Im Juli dürfen die ersten Wahlgeschenke ausgepackt werden, denn am vergangenen Freitag billigte der Bundestag mit großer Mehrheit das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung (18/909, 18/1489). Besser bekannt unter dem einfachen Begriff "Rentenpaket". Dass es beim Rentenpaket genau darum ging, machten die

Ministerin und Koalitionsabgeordnete wiederholt deutlich. "Wir halten Wort", hieß es unisono von Union und SPD - auch in der abschließenden Beratung.

Freuen dürfen sich über die Geschenke vor allem Beschäftigte, die 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie können abschlagsfrei unter bestimmten Bedingungen nun schon mit 63 in Rente gehen. Auch Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente bekommen, werden die Verbesserungen spüren. Die zahlenmäßig größte Gruppe der Beschenkten sind jedoch all jene Mütter, die vor 1992 ihre Kinder geboren haben. Fast zehn Millionen werden von der besseren Anerkennung ihrer Erziehungsleistung für die Rente profitieren (Details Seite 3).

Die Kostenfrage

Trotz großer Sympathien in der Bevölkerung: Mulmig wurde dennoch vielen, als mit diesen Plänen auch die Kosten dafür bekannt wurden. Auf 160 Milliarden beziffern diese sich bis zum Jahr 2030. Doch aus Sicht der Bundesregierung geht es dabei nicht um Privilegien. Vielmehr handele es sich um ein solidarisches Geben und Nehmen, betonte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der Debatte. "Das Rentenpaket ist ein Signal, dass auch diejenigen vom Wohlstand profitieren, die ihn geschaffen haben", verteidigte Nahles die milliardenschwere Reform. Und der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion Karl Schiewerling bemerkte: "Wir tun das, weil es um Generationengerechtigkeit geht. Denn ohne die Erziehungsleistung von Millionen von Müttern in der Vergangenheit wäre der Wohlstand von heute nicht denkbar."

Ganz anders die Perspektive von Bündnis 90/Die Grünen. Deren rentenpolitischer Sprecher Markus Kurth sträubten sich beim Stichwort Generationengerechtigkeit alle Nackenhaare und er prophezeite düster: "Wir werden uns alle an die Entscheidung von heute noch erinnern, wenn 2018 die Rücklagen der Rentenversicherung aufgebraucht sind und die zehn Milliarden Euro jährlich, die das Paket kostet, finanziert sein wollen." Deswegen sei der 23. Mai 2014 ein "verhängnisvoller Tag".

Die Armutsrenten

Nicht ganz so pessimistisch bewertete die Fraktion Die Linke das Rentenpaket. So gestand der Rentenexperte der Linken, Matthias Birkwald, der Regierung zwar zu, mit dem Rentenpaket "durchaus etwas geschaffen" zu haben. "Ja, manches wird besser. Aber vieles bleibt schlecht", sagte Birkwald. Und auch ihm ging es um die Kostenfrage - allerdings aus der Perspektive der zukünftigen Rentengenerationen. Er bezog sich dabei vor allem auf das weiter sinkende Rentenniveau und dem damit weiter sinkenden Lebensstandard der Rentner. Daran ändere das Rentenpaket nichts, empörte sich Birkwald. Die Frage der drohenden Altersarmut trieb auch Markus Kurth um, der den Koalitionsfraktionen vorwarf, der Rentenversicherung die finanziellen Spielräume zu nehmen, um sehr niedrige Renten aufzustocken. "In 20 Jahren werden sich die Historiker fragen: Wieso haben die Politiker damals nicht daran gedacht, die Rücklagen für eine armutsfeste Rente zu verwenden?", so sein erneuter Blick in die Zukunft.

Karl Schiewerling versuchte die Opposition zu beruhigen, indem er versicherte, die Finanzierung des Rentenpaketes sei solide gestaltet. "Wir werden nicht zulassen, dass der Rentenbeitrag durch die Decke schießt und das Rentenniveau ins Bodenlose fällt. Daran kann keine Regierung ein Interesse haben", betonte der CDU-Abgeordnete. Es sei aber dennoch wichtig, heute mehr Gerechtigkeit für Millionen von Müttern und neue Perspektiven für den Übergang in den Ruhestand zu schaffen und die Lebensleistung von besonders langjährig Versicherten besser anzuerkennen.

Anerkennung von Lebensleistung. In diesem Punkt, war sich die Opposition einig, entstünden durch das Rentenpaket neue Gerechtigkeitslücken. Für Matthias Birkwald unter anderem deshalb, weil Hartz-IV-Leistungen bei der Rente mit 63 nicht mitberücksichtigt werden: "Wer einmal in seinem Leben vier Jahre arbeitslos war, wird gegenüber jenem benachteiligt, der vier Mal jeweils ein Jahr lang arbeitslos war", rechnete er vor. Außerdem bewerte die Mütterrente Erziehungsleistungen in Ost und West immer noch unterschiedlich. Und Markus Kurth fragte mit Blick auf die nötigen 45 Beitragsjahre bei der Rente mit 63: "Haben denn diejenigen, die 40 Jahre auf dem Buckel haben und unverschuldet arbeitslos wurden, nichts geleistet?"

Die neuen Möglichkeiten

Einig waren sich alle Fraktionen dagegen darin, flexible Übergänge in den Ruhestand zu erleichtern. Hier formuliert das Gesetz die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse auch über das Renteneintrittsalter hinaus zu verlängern. Allerdings wurde die konkrete Ausgestaltung dieser so genannten Flexi-Rente zunächst an eine Arbeitsgruppe delegiert. "Wer fit ist und das möchte, soll auch über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten dürfen. Wir werden damit die Rente den veränderten Lebensverhältnissen anpassen", sagte Ministerin Nahles. Ihre Parteikollegin Carola Reimann warnte jedoch, dass damit kein Zwei-Klassen-Arbeitsrecht für über das Renteneintrittsalter hinaus Beschäftigte geschaffen werden dürfe.

Die Flexi-Rente ist Teil des vergangene Woche ausgehandelten Kompromisses, mit dem die Koalitionsfraktionen vor allem Kritik aus der Wirtschaft entgegenkommen wollte. Diese hatte zuvor auch vehement vor einer Frühverrentungswelle durch die Rente mit 63 gewarnt. Nicht zuletzt deshalb werden nun Zeiten der Arbeitslosigkeit zwei Jahre vor der Rente mit 63 nur in Ausnahmefällen angerechnet. "Dadurch sei das Paket rund geworden", freute sich Nahles. Nicht rund fand diese Lösung die Opposition. Ihr reichen Insolvenz und Betriebsaufgabe als Ausnahmegründe nicht aus. Diese Gerechtigkeitslücke werde die Justiz noch beschäftigen, sagte die Linksfraktion voraus.