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Spiegel der Gerechtigkeit

VON JÖRG BIALLAS

26.05.2014
2023-08-30T12:26:15.7200Z
2 Min

Das im Bundestag beschlossene Rentenpaket ist vor allem eines: ein Kompromiss innerhalb der Regierungskoalition. Kein Wunder, dass die Begeisterung außer bei der federführenden Ministerin allenthalben verhalten daherkommt. Denn Kompromisse haben nun einmal die Eigenschaft, ein Ergebnis von Zugeständnissen am Verhandlungstisch zu sein. Und so hat die Union einen Zuschlag für Mütter von vor 1992 geborenen Kindern durchgesetzt; dafür wurde der SPD zugestanden, nach 45 Beitragsjahren schon mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen zu können.

Schwierig wird es in der Politik immer dann, wenn Emotionen ins Spiel kommen. Bei der Rentenpolitik ist das zweifelsfrei der Fall. Es geht um die Belastung der nachfolgenden Generationen, um das Bemühen, die unterschiedlichen Rentnergruppen finanziell in ein Verhältnis zueinander zu setzen und immer wieder und vor allem: um Gerechtigkeit. In kaum einem anderen Politikfeld wird dieser Begriff so inflationär bemüht. Gleichzeitig ist es nirgendwo sonst so schwierig, für alle beteiligten Personengruppen umfassend gerechte Lösungen zu finden. Schon deshalb, weil Erwerbsbiografien immer individueller werden. Früher war es typisch, bis zur Rente bei einem einzigen Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Heute gehören Arbeitsplatzwechsel mit zumindest kurzfristiger Erwerbslosigkeit durchaus zum Berufsleben. Außerdem haben vielfältige Formen des familiären Zusammenlebens die einst gängigen Modelle abgelöst. Im Westen der Republik war das der Alleinverdiener, der das Auskommen im Alter für sich und seinen Partner regelte, im Osten das Ehepaar mit zwei Einkommen.

Das alles eröffnet neue Dimensionen für die Frage, wie gerecht es in der Rentenpolitik zugeht. Mitunter wäre es hilfreich, die gesetzliche Altersvorsorge pragmatisch als das zu betrachten, was sie im Kern ist: eine Versicherung mit schwankender Geschäftsgrundlage. Die Politik muss diese Versicherung so gestalten, dass niemand der Not anheimfällt, wenn sie gewissenhaft bedient worden ist. Bisher ist das überwiegend gelungen. Ob das so bleibt, wird der an Fahrt gewinnende demografische Wandel schneller zeigen, als uns lieb sein kann.

Diese Rentenreform ist also gewiss nicht die letzte. Vermutlich wird schon bald wieder um einen weiteren Kompromiss im Spiegel der Gerechtigkeit gerungen werden müssen.