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Vor 60 Jahren... : Der Seitenwechsler

 17. September 1954: John-Ausschuss eingesetzt 

15.09.2014
2023-08-30T12:26:18.7200Z
1 Min

Am Abend des 20. Juli 1954 überquerte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, die Sektorengrenze in Richtung Sowjetzone. Am Steuer seines Wagens ein Freund, der Frauenarzt Wolfgang Wohlgemuth. Drei Tage später tauchte eine Tonbandaufnahme auf, auf der John erklärt, er sei freiwillig übergelaufen. Am 11. August warf John in einer Pressekonferenz in Ost-Berlin der Bundesregierung Kriegstreiberei vor und warnte vor einer „Renazifizierung in Westdeutschland“. In Bonn war man geschockt. Was könnte der scheinbar übergelaufene Geheimdienstchef im Osten verraten? Und unter welchen Umständen hat er tatsächlich die Bundesrepublik verlassen? Das sollte ein Untersuchungsausschuss klären, den der Bundestag nach zweitägiger Debatte am 17. September einsetzte. Im Juli 1957 legte der Ausschuss seine Ergebnisse vor: „Die letzte Klarheit über die Vorgänge am 20. Juli 1954 (...) kann heute noch nicht geschaffen werden“, schreiben die Abgeordneten darin.

Zu diesem Zeitpunkt ist John längst wieder im Westen und erzählt, Wohlgemuth – angeblich KGB-Agent – habe ihn betäubt und bewusstlos in den Osten gebracht. Geglaubt wurde John diese Geschichte nicht. Ende 1956 wurde er wegen „landesverräterischer Fälschung und Konspiration“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis zu seinem Tod 1997 kämpfte John vergeblich um Rehabilitation. Forscher streiten sich bis heute, ob er Verräter oder Opfer war. Benjamin Stahl