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Haushalt : Klotzen für den Nachwuchs

Koalition stellt zusätzliche Mittel zum Ausbau der Betreuung bereit. Position enttäuscht

29.09.2014
2023-08-30T12:26:20.7200Z
4 Min

Diesen einen gezielten Seitenhieb wollte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann doch gönnen: Mit Fetischismus habe das Streben nach einem ausgeglichenen Haushalt nichts zu tun, wolle er mal „ganz freundlich, aber klar“ herausstellen: „Ich habe nicht erkannt, dass grundgesetzliche Regelungen als Fetischismus bezeichnet werden sollen.“

Das war seine Reaktion auf die jüngste Haushaltswoche im Bundestag. Und vorbeugend war der Hinweis gewiss auch gedacht. Schäuble machte am Freitag vergangener Woche den Auftakt zu einer Debatte, in der es um fette Milliarden-Beträge ging, die der Bund zu einem Paket für Länder und Kommunen zwecks Ausbaus der Kinderbetreuung schnüren will. Doch für die Opposition, das war für den Finanzminister nicht schwer zu erahnen, blieb es ein zu mickriges Päckchen.

Mit dem Vorstoß der Koalition befasste sich der Bundestag erstmals, bevor darü-ber nun die Ausschüsse weiter beraten. Schäuble befand: Mit dem Vorhaben erweise sich die Bundesregierung als „verlässlicher Partner für Länder und Kommunen“. Schäuble nahm indes alle staatlichen Ebenen in die Pflicht zu „zukunftsfördernden Investitionen“. Und merkte an: „Der Bund muss auch handlungsfähig bleiben.“ Die Kommunen „attraktiv, lebendig und le-benswert“ zu halten, sei auch eine Aufgabe der Länder, die zudem allein für den Aus-gleich zwischen den Gemeinden verantwortlich seien.

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) pries das Maßnahmenbündel: „Wir wursteln nicht herum, wir klotzen.“ Sie sprach von einem „doppelten Gewinn“. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie werde weiter verbessert. Gleiches gelte für die Bildungschancen der Kinder: „Jetzt ist wichtig, dass die Euros schnell vor Ort ankommen.“ Sie unterstrich, dass bei allem Blick auf die Quantität die Qualität nicht auf der Strecke bleibe – von gesundem Essen bis gezielter Sprachförderung.

Damit hob sie ab auf kritische Äußerungen der Abgeordneten Diana Golze von der Linksfraktion. Deren Befund: Ob Betreuungsschlüssel, ob Ausbildung und Entlohnung des Personals: „Von Qualität steht in diesem Gesetzentwurf nichts.“ Dabei sei gerade in dem Bereich „der Handlungsbedarf groß“. Golze machte sich stark für eine Sachverständigenkommission, die erarbei-ten soll, wie die Qualität in der Kinderbetreuung verbessert werden kann. Sie setzte sich für „gesetzlich verbriefte Mindeststandards“ ein: „Wir brauchen den großen Wurf.“ Es genüge nicht allein der Rechtsanspruch auf einen Platz. Er müsse auch für die Ausstattung gelten.

Grüne enttäuscht Sven-Christian Kindler (Grüne) sah in dem Gesetzentwurf eine „herbe Enttäuschung für die Kommunen“. Die angepeilten zusätzlichen Milliarden für die Kinderbetreuung blieben unter der Summe, die die schwarz-gelbe Regierung durch Steuerentlastungen den Kommunen genommen habe. Zudem verschiebe die Koalition den Beginn der Maßnahmen nach hinten – gemessen am Koalitionsvertrag, was „Wortbruch“ sei. Die Kommunen hätten allen Grund zu klagen. So stiegen die ohnehin hohen Sozialkosten weiter an – mehr, als der Bund an Entlastung biete.

Für Eckhardt Rehberg (CDU) ist es allemal noch „das Wichtigste, meinen Enkelkindern keine Neuverschuldung zu überge-ben“. Stärker sprudelnde Steuerquellen? Ihn stört, wie er sagte, dass „so getan wird, als ob nur der Bund Steuermehreinnahmen hat“. Und er betonte: „In der Gesamtheit geht es den Ländern und Kommunen deutlich besser als dem Bund.“ Dank „innovativer und kompetenter Haushaltspolitik“ werde im nächsten Jahr die „schwarz-rote Null“ erreicht – wobei der Bund die Kommunen schon massiv entlastet habe. Für ihn sei es eine „spannende Frage“, ob denn das Geld, von dem in dem Gesetzentwurf die Rede ist, „wirklich bei den Kommunen ankommt“.

Bettina Hagedorn (SPD) erklärte: „Wir reden hier über richtig viel Geld.“ Die Debatte bedeute „einen guten Tag für die Familien und die frühkindliche Bildung“. Schwarz-Rot werde dem Koalitionsvertrag gerecht, in dem die kommunale Entlastung in den Mittelpunkt gestellt worden sei. „Die wichtigste Ressource sind die Köpfe unserer Kinder“, meinte sie: „Bildung fängt schon in Kita und Krippe an.“ Sie blickte zurück auf einen „Kraftakt in den letzten zehn Jahren“. Rot-Grün habe 2004 den Startschuss zum Ausbau der Krippenplätze gegeben. Ergebnis sei eine Steigerung von 60.000 auf fast 800.000 Plätze. Dazu habe der Bund sehr wohl seinen Beitrag geleistet.

In der Debatte beleuchtete das Parlament den „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und quali-tativen Ausbau der Kinderbetreuung“ (18/2586). In der Aussprache ging es auch um einen Antrag der Linksfraktion zum schnelleren Ausbau der Kinderbetreuung und einer Qualitätsverbesserung (18/2605).

Die Regierung hat vor, die Kommunen in den Jahren 2015 bis 2017 jährlich um eine Milliarde Euro zu entlasten. Dies soll zur Hälfte dadurch erreicht werden, dass der Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung (Sozialgesetzbuch) steigt. Die andere Hälfte soll in einem höheren Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer zulasten des Bundes bestehen.

Überdies will die Bundesregierung, so sieht es der Gesetzentwurf vor, einen Teil der vorgesehenen Entlastung von insgesamt sechs Milliarden Euro im Zusammenhang mit den Herausforderungen bei der Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen bereit stellen. Das bestehende Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ soll deshalb um 550 Millionen Euro aufgestockt werden.

Da das Sondervermögen im Mai dieses Jahres nicht abgeflossene Mittel in Höhe von 450 Mil-lionen Euro aufgewiesen habe, stehe somit eine Milliarde Euro zur Verfügung, heißt es in dem Gesetzentwurf. Darin ist außerdem davon die Rede, dass zur weiteren Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der Kinderbetreuung der Länderanteil an der Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes in den Jahren 2017 und 2018 um je 100 Millionen Euro erhöht werden soll.