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wirtschaft : Wir sind Meister

Bundestag will Handwerkerqualifikation vor Deregulierung schützen

08.12.2014
2023-08-30T12:26:25.7200Z
3 Min

Das Handwerk habe goldenen Boden, weiß der Volksmund. Auch die Politiker schätzen Deutschlands vielseitigsten Wirtschaftszweig mit Berufen vom Installateur über Elektriker bis zum Hörgeräteakustiker. Doch nun droht vielleicht Ungemach aus Brüssel. Die EU-Kommission will den Wettbewerb stärken und Marktzugangsschranken beseitigen. Das könnte den deutschen Meisterbrief bedrohen, Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten in Gefahr bringen, wird befürchtet.

Im Bundestag bekannten sich am Freitag alle Fraktionen zum Erhalt des Meisterbriefs. Während CDU/CSU, SPD und Linke vor weiteren Deregulierungen warnten, rieten die Grünen allerdings auch zu einer differenzierten Betrachtung.

Innovationsmotor Sabine Poschmann (SPD) erklärte, nicht nur das Gütesiegel „Made in Germany“ sei Exportschlager, „auch unser Meisterbrief ist ein Wettbewerbsfaktor und Fundament des Erfolges“. Der Meisterbrief biete jungen Menschen eine Perspektive und vermittle hohe Qualifikation. „Er trägt zur Fachkräftesicherung bei und macht das Handwerk zum Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft.“ Wenn die EU jetzt fordere, die Bedingungen für den Zugang zu bestimmten Berufen zu prüfen, stehe auch der Meisterbrief zur Disposition. Damit habe man schon 2004 schlechte Erfahrungen gemacht, als viele Gewerke aus der Meisterpflicht herausgenommen wurden. Folge sei ein Gründungsboom gewesen. Mehr als die Hälfte der neuen Betriebe sei aber nach fünf Jahren wieder vom Markt verschwunden, ausgebildet werde in den zulassungsfreien Berufen nur noch sehr wenig. „Und das ist die Gefahr: Ohne Meister, ohne fachliche Eignung, sind viele Betriebe gar nicht ausbildungsfähig.“ Und „wenn es um den Abbau von Zutrittsbarrieren auf dem europäischen Binnenmarkt geht, ist der Meisterbrief für uns kein Verhandlungsgegenstand“, versicherte Poschmann. Auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Iris Gleicke (SPD), bezeichnete den Meisterbrief als Eckpfeiler der Wirtschaft. „Wir halten an der Meisterpflicht fest“, sagte Gleicke.

Erfreut über die Haltung der Koalition und den Meinungsumschwung bei der SPD zeigte sich Klaus Ernst (Linke). Er erinnerte an die von der rot-grünen Koalition beschlossene Handwerksnovelle von 2004. „Das war die Zeit, in der Rot-Grün alles deregulieren wollte“, sagte Ernst. Bis 2004 war der Meisterbrief zum Führen eines Handwerksbetriebes Pflicht. Mit der Novelle wurde in über der Hälfte der Gewerke die Meisterpflicht abgeschafft. Ernst bezeichnete die Auswahl der Gewerke als nicht nachvollziehbar: „Ein Maler und Lackierer braucht einen Meisterbrief, ein Fliesenleger nicht.“ Ebenso müsse ein Feinmechaniker Meister sein, ein Uhrmacher nicht. Das sei unlogisch. „Welchen Unsinn haben sie damals beschlossen?“, fragte Ernst. Rot-Grün habe das Handwerk und damit auch die qualifizierte Ausbildung massiv geschwächt.

Lena Strothmann (CDU) sagte, der Meisterbrief sei mehr als ein Zertifikat: „Er steht für hochwertige Qualifizierung, für fachliches Können, für ausgezeichnete Produkte und Dienstleistungen. Er steht vor allen Dingen für Ausbildung und hochqualifizierten Nachwuchs.“ 95 Prozent der 400.000 Auszubildenden in den 130 Gewerken des Handwerks würden in Meisterbetrieben ausgebildet. Die Ausbildungsquote sei doppelt so hoch wie in Handel und Industrie. Was die EU-Kommission mache, sei falsche Harmonisierung um jeden Preis. Sie sage dagegen: „Keine Meister – kein Nachwuchs.“ Man habe 2004 schmerzhafte Erfahrungen gemacht, nachdem 53 Berufe zulassungsfrei geworden seien. „Wer den Meisterbrief angreift, legt gleichzeitig die Axt an ein erfolgreiches Ausbildungssystem“, warnte Strothmann. Sie wies aber auch auf Probleme hierzulande hin: Für viele Schulabgänger, Eltern und Lehrer sei die duale Ausbildung im Handwerk nur zweite Wahl. Dieser Trend sei jedoch gefährlich. „Wir brauchen Meister statt Master“, forderte Strothmann.

Thomas Gambke (Grüne) warf der Koalition vor, Teile ihres Antrages aus Veröffentlichungen des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) zum Teil wörtlich abgeschrieben zu haben. „Das Abschreiben ehrt den Autor, aber nicht den Plagiator“, spottete Gambke. Es sei ein Trauerspiel, dass der Koalition „nichts anderes einfällt, als Verbandspositionen eins zu eins in einen Antrag des Deutschen Bundestages einzubringen“. Gambke bekannte sich zum Handwerk, „aber wenn wir das Handwerk, den Meisterbrief und die duale Ausbildung stärken wollen, dann müssen wir uns kritisch mit dem Thema auseinandersetzen“, verlangte Gambke. Das tue die Koalition nicht, sondern bleibe in ihrem Antrag nebulös statt Möglichkeiten zur Weiterentwicklung aufzuzeigen. Er sei für die Meisterpflicht, aber es dürfe keine dogmatischen Festlegungen geben, sagte Gambke.

In ihrem vom Deutschen Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (18/3317) fordert die Koalition, die Reglementierung von Berufen müsse „eine autonome Entscheidung der Mitgliedstaaten“ bleiben.