NSA-aUSSCHUSS : Im Labyrinth geheimer Datenspionage
Internet-Manager rügt Unklarheiten in der staatlichen Überwachungspraxis
Der zur Durchleuchtung des NSA-Spähskandals eingesetzte Untersuchungsausschuss versucht weiter, die abgeschottete Sphäre der Geheimdienste zu durchdringen und eine eventuelle Verwicklung des Bundesnachrichtendienstes (BND) in diese Affäre aufzuklären. Bislang saßen vor allem BND-Vertreter auf dem Zeugenstuhl, die ausgedruckte Erklärungen oder handschriftliche Notizen mitbrachten. Vergangene Woche erschien mit Klaus Landefeld dann ein ganz anderer Typus im Gremium. Ein Manager der Internetwirtschaft mit langem Pferdeschwanz, der flugs einen Tablet Rechner auspackte, auf dem er immer wieder herumnavigierte. Wenn Landefeld sprach, schwirrten Begriffe wie „Switch-Infrastruktur“, „Office-Netz“, „Data-Center“, „Traffic autonomer Systeme“, „Logik des Switchs“ und andere mysteriöse Wörter durch den Europasaal des Bundestags..
Gleichwohl redete Landefeld Klartext und kritisierte die staatliche Überwachungspraxis. Der 46-Jährige ist beim Internetverband eco für dessen Frankfurter Internetknoten DE-CIX zuständig. Laut Landefeld greift der BND seit 2009 beim DE-CIX legal mit einer Genehmigung der G-10-Kommission des Bundestags auf Daten zu. Der Zeuge beklagte, dass Internetfirmen zwar zur Unterstützung des BND bei der Umsetzung von G-10-Anordnungen verpflichtet seien, es aber an „klaren Standards“ für diese Praxis mangele. Deshalb könnten Provider die Rechtmäßigkeit solcher Aktionen nicht überprüfen. Für die Internetwirtschaft sei es schwierig, beim Thema Überwachung auf staatlicher Seite Ansprechpartner zu finden: „Wie sollen Anbieter dann mit Behörden kooperieren?“ Als man seitens des DE-CIX Kontakte mit der G-10-Kommission gesucht habe, sei Druck aufgebaut worden, sogar eine Vorladung ins Kanzleramt habe es gegeben, das sei doch „sehr ungewöhnlich“.
Limitierte Abhörmasse Die Unklarheiten in der Überwachungspraxis können laut Landefeld dazu führen, dass die vom BND tatsächlich angezapften Datenströme größer sind als die zur Auswertung freigegebene „Abhörmasse“. Der BND darf keine Daten über Deutsche ausspähen, aber 20 Prozent des internationalen Fernmeldeverkehrs. Indes bezieht sich dieses Limit nicht auf die durch ein Internetkabel fließende Datenmenge, sondern auf die Kapazität dieser Leitung. Da diese Kapazität stets nur zum Teil genutzt werde, rechnete der Zeuge vor, könne der BND im Prinzip weit mehr als 20 Prozent der effektiv durch eine Leitung geschickten Datenströme erfassen: „Das ist wohl nicht das, was man sich unter einer Beschränkung der Fernmeldeaufklärung vorstellt“, sagte er. Ein Ausspionieren des DE-CIX durch ausländische Geheimdienste ist für Landefeld nicht vorstellbar, auch wenn dies nicht zu 100 Prozent garantiert werden könne. Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) wollte wissen, ob im Internetknoten unbemerkt „irgendwo ein Dingelchen“ eingebaut werden könnte, also ein Abhörgerät. Landefeld sagte, eine solche Installation würde ebenso auffallen wie das Anbringen eines Kabels zur Ableitung der Datenströme. Beim DE-CIX lagerten die Daten in „hochsicheren Rechenzentren“ mit mehrstufigen Zugangskontrollen.
Kritik am BND kam auch von Hans de With, Ex-Vorsitzender der G-10-Kommission. Der BND habe das Gremium über die Operation „Eikonal“, in deren Rahmen er in Frankfurt auf Daten zugriff und sie teils an den US-Geheimdienst NSA übermittelte, nicht umfassend informiert. Zunächst hatte der BND einen Vertrag mit der Telekom geschlossen und erst später eine G-10-Genehmigung eingeholt. Die Opposition moniert seit langem, dass die Bundestagskommission vom BND über die Abschöpfung auch internationaler Telekommunikation bei „Eikonal“ im Unklaren gelassen worden sei.