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Schicksalstag in Armenien vor 100 Jahren : "Das war ein Völkermord"

Abgeordnete haben das Massaker in Armenien erstmals als Genozid bezeichnet. Bundestagspräsident Lammert betont, der Streit über die Deutung gehört ins Parlament.

27.04.2015
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3 Min

Für die Armenier ist es seit langem ein Datum mit großer Symbolkraft: Jedes Jahr am 24. April gedenken sie der Deportationen und der Massaker, denen 1915/1916 schätzungsweise 1,5 Millionen Armenier zum Opfer fielen. Der diesjährige 100. Jahrestag des Ereignisses wird auch in Deutschland in Erinnerung bleiben. Zum ersten Mal bezeichneten das Ereignis Parlamentarier aller Fraktionen als Genozid: „Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) unmissverständlich zum Auftakt der Debatte am vergangenen Freitag.

Im Vorfeld war heftig darüber gestritten worden, ob die Massaker, wie unter Historikern unumstritten, als Völkermord bezeichnet werden sollten. Oder ob es, aus diplomatischer Rücksicht auf die Türkei im Sinne des Versöhnungsprozesses ratsamer wäre, auf den Begriff zu verzichten. Lammert sagte dazu: „Geschichte erzwingt jenseits der historischen Fakten eine Deutung, sie ist damit zwangsläufig politisch. Diesen Streit mag man beklagen, aber er ist unvermeidlich – und er gehört auch ins Parlament.“ Dort war er auch ausgetragen worden. Um den am vergangenen Freitag diskutierten Antrag der Koalitionsfraktionen hatte es ein langes Tauziehen gegeben. Nachdem das Wort „Völkermord“ anfangs nicht im Antrag vorgesehen war, heißt es jetzt darin, dass „das Schicksal der Armenier beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde des 20. Jahrhunderts stehe“.

Auch Bundespräsident Gauck weist auf die Mitverantwortung Deutschlands hin

Den Begriff Völkermord hatte am Vorabend auch, wie bereits erwartet worden war, Bundespräsident Joachim Gauck in einer vielbeachteten Rede benutzt. Dabei hatte er ebenfalls die Mitverantwortung Deutschlands thematisiert. Ein Aspekt, auf den auch Lammert mit Nachdruck einging: „Diese Mitschuld einzuräumen, ist Voraussetzung unserer Glaubwürdigkeit gegenüber Armenien wie der Türkei“, sagte der Bundestagspräsident.


„Wir können durch unsere eigenen Erfahrungen andere ermutigen, sich ihrer Geschichte zu stellen.“
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)

Der SPD-Abgeordnete Gernot Erler betonte ebenfalls die deutsche Mitverantwortung für das Geschehen. Das reiche aber nicht aus. Vielmehr müsse der Versöhnungsprozess zwischen der Türkei und Armenien unterstützt werden: „In Deutschland stehen wir in der Pflicht, unsere Beziehungen zu beiden Ländern zu nutzen, um bei der Suche nach solchen Auswegen zu helfen,“ sagte Erler.

Linke spricht von „vorsätzlich geplantem Völkermord“

In vielen Punkten bestand bei den Parlamentariern Einigkeit: die Aussöhnung zwischen beiden Ländern müsse weiter intensiviert und unterstützt werden. Dies bedürfe einer schmerzhaften Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Dennoch ging der Opposition der Antrag der Regierung dabei nicht weit genug. Ulla Jelpke (Die Linke), deren Fraktion einen eigenen Antrag einbrachte, erklärte, dass es sich bei den Verbrechen an den Armeniern um einen „vorsätzlich geplanten Völkermord“ gehandelt habe. Sie sprach davon, dass es von deutscher Seite „eine verbrecherische Komplizenschaft“ und eine „Beihilfe zum Völkermord“ gegeben habe, für die der Bundestag um Verzeihung bitten müsse.

Cem Özdemir kritisierte für die Grünen, die ebenfalls einen eigenen Antrag einbrachten, dass die Bundesregierung mit ihrer bisherigen Haltung diejenigen unterstützt habe, die den Völkermord leugneten. Er hob hervor, dass im Bundestag eine „neue Seite“ aufgeschlagen worden sei. Das „Verdrängen und Vertuschen“ sei an diesem Tag beendet worden. Gleichzeitig warnte Özdemir, der selbst türkische Wurzeln hat, vor möglicher Überheblichkeit gegenüber der Türkei: „Es geht nicht darum, dass wir mit erhobenem Zeigefinger sprechen, sondern wir sprechen als Freunde zu Freunden.“

Zuvor hatte auch Lammert gewarnt: „Wir Deutsche haben niemanden über den Umgang mit seiner Vergangenheit zu belehren. Aber wir können durch unsere eigenen Erfahrungen andere ermutigen, sich ihrer Geschichte zu stellen, auch wenn das schmerzt. Das selbstkritische Bekenntnis zur Wahrheit ist Voraussetzung für Versöhnung.“

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