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ausländer : Zwei Botschaften

Trotz harscher Oppositionskritik reformiert der Bundestag das Aufenthaltsrecht

06.07.2015
2023-08-30T12:28:05.7200Z
4 Min

Der Bundesinnenminister wusste schon zu Beginn der Debatte, dass der schwarz-rote Gesetzentwurf zur Reform des Bleibe- und des Ausweisungsrechts (18/4097) bei der Opposition auf massive Kritik stoßen würde: "Es ist ein umstrittenes Gesetz", räumte Thomas de Maizière (CDU) ein, und das bestätigte auch der weitere Debattenverlauf. Das Gesetz sei "für viele Menschen eine Katastrophe", kritisierte Volker Beck (Grüne). Für Die Linke sprach Ulla Jelpke von einem "unglaublichen Skandal" und fand es "beschämend, dass die SPD-Fraktion hier mitmacht". Deren Abgeordneter Rüdiger Veit verteidigte das mit der Union ausgehandelte Kompromisspaket, machte aber zugleich deutlich, dass der Gesetzentwurf in verschiedenen Punkten anders geschrieben worden wäre, hätte die SPD alleine zu entscheiden gehabt.

Bleiberechtsregelung begrüßt Der vom Bundestag schließlich mit Koalitionsmehrheit in modifizierter Fassung verabschiedete Entwurf (18/4097, 18/5420) hat "zwei Botschaften", wie de Maizière es formulierte: "Gut integrierte Ausländer erhalten ein dauerhaftes Bleiberecht" und "Nicht schutzbedürftige Ausländer müssen schneller in ihre Heimatländer zurückkehren". Nötig seien schnellere Verfahren und eine "schnellere Integration für diejenigen, die positiv anerkannt sind oder sonst Schutz verdienen", aber auch "nach dem schnelleren Verfahren für die, die abgelehnt worden sind und keine Bleibeperspektive haben, eine konsequentere Rückkehrpolitik".

Erstmals schaffe man ein dauerhaftes stichtagsunabhängiges Bleiberecht für Menschen, die auch ohne regulären Aufenthaltsstatus gut integriert sind, Deutsch können, ihren Lebensunterhalt sichern und "nicht in besonderer Weise straffällig in Erscheinung getreten sind", sagte der Minister. Auch werde klargestellt, dass "junge Geduldete mit Bleibeperspektive" hierzulande eine Ausbildung beginnen und zu Ende führen können. Wer eine betriebliche Ausbildung erfolgreich abschließe, könne dauerhaft ein Aufenthaltsrecht erhalten. Wer dagegen "unter keinem Aspekt für ein Bleiberecht in Betracht kommt", müsse das Land wieder verlassen. Diese Ausreisepflicht solle wirkungsvoller als bisher durchgesetzt werden. Dabei sei mit den im Entwurf stehenden Regelungen zu den Gründen für die Abschiebehaft keine Verschärfung gegenüber dem bisherigen Zustand verbunden.

Jelpke gestand zu, dass der Gesetzentwurf "einige Verbesserungen" wie die gesetzliche Verankerung des Resettlement-Verfahrens zur Neuansiedlung von Schutzsuchenden und die Schaffung einer gesetzlichen Bleiberechtsregelung enthalte. Diese Verbesserungen gingen jedoch nicht weit genug. Auch sei es "brandgefährlich", dass die Vorlage "von richtigen und falschen Flüchtlingen ausgeht". So sollten "sogenannte nicht schutzwürdige Flüchtlinge direkt aus den Auffanglagern wieder abschoben werden", was vor allem Flüchtlinge vom Westbalkan treffen werde. Ferner werde über diese Flüchtlinge zusätzlich ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird. Und schließlich enthalte "das Gesetz uferlose Regelungen zur Abschiebehaft". Inhaftiert werden könne künftig etwa, "wer aus einem anderen EU-Land hierherkommt, ohne den Abschluss des dort laufenden Asylverfahrens abgewartet zu haben", wer keine Ausweispapiere mehr besitzt oder wer einen Schleuser bezahlt hat. Dabei zwinge die "Politik der Abschottung der EU" Flüchtlinge, sich an Schleuser zu wenden, sagte Jelpke und fügte hinzu: "Flucht ist kein Verbrechen". Mit den Verschärfungen könne aber "nahezu jeder Flüchtling inhaftiert werden".

Auch Beck wertete die Bleiberechtsregelung als Fortschritt, der indes von der SPD "teuer erkauft" worden sei: "Allerlei Haft, viele Grundrechtseingriffe und mögliche Rückschritte für Geduldete in der Ausbildung", listete der Grünen-Abgeordnete auf. So sorge die Vorlage "für mehr rechtliche Unsicherheit für Auszubildende, die mit über 21 Jahren eine Ausbildung aufnehmen". Ferner bestehe die Koalition beim Ehegattennachzug weiter auf den "unsinnigen Sprachtests". Auch führe sie mit dem Ausreisegewahrsam eine "neue Hintertür" ein. Man dürfe aber "Leute nicht ohne Haftgrund einsperren", betonte Beck: "Das sind keine Straftäter."

SPD-Mann Veit verwies demgegenüber darauf, dass der Ausreisegewahrsam maximal vier Tage dauere und die Koalition "im gleichen Atemzug die sogenannte kleine Sicherungshaft, die bis zu 14 Tage dauern kann, abgeschafft" habe. Der Vorwurf, die Koalition wolle "die Menschen massenhaft einsperren", gehe "an der Sache völlig vorbei". Die Anhaltspunkte bezüglich der Fluchtgefahr, die im Gesetzentwurf genannt würden, seien früher die Regel gewesen, um Fluchtgefahr zu begründen. Insoweit ändere sich für die Betroffenen nichts. "Es wird deswegen kein Einziger mehr in Haft kommen", versicherte Veit. Er räumte indessen ein, dass die SPD die Voraussetzung eines Sprachnachweises beim Ehegattennachzug gerne aufgehoben hätte, dies aber "mit der Union nicht zu machen" gewesen sei. Auch wäre es seiner Fraktion lieber gewesen, für Jugendliche in der Berufsausbildung nicht nur eine Duldung vorzusehen, sondern eine Aufenthaltserlaubnis. "Aber auch da war nicht mehr machbar", fügte Veit hinzu. Er verwies zugleich darauf, dass man beim Resettlement-Verfahren klargestellt habe, "dass die Betroffenen, wenn sie denn hier sind und eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, ihre Familien nachholen können". Auch subsidiär Geschützte bekämen die Möglichkeit, ihre Familien nachzuholen. Ferner gebe es einen verbesserten Status für Opfer von Menschenhandel und einen neuen Aufenthaltstitel für Personen, die hierzulande zusätzliche Qualifikationen erwerben, "damit im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen anerkannt werden können". Diese Punkte seien "eindeutig auf der Habenseite zu verbuchen" und begünstigten "ganz viele Menschen".

450.000 Asylbewerber Andrea Lindholz (CSU) verwies darauf, dass in diesem Jahr 450.000 Asylbewerber erwartet würden. Für die Akzeptanz des Asylsystems sei neben einer verbesserten Bleiberechtsregelung und schnellerer Hilfe für schutzberechtigte Asylbewerber auch eine zügige Rückführung aussichtsloser Asylbewerber entscheidend.