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UN-KONFERENZ : Neuer Anlauf

In Paris soll ein Rahmen für die Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte geschaffen werden

27.07.2015
2023-08-30T12:28:06.7200Z
4 Min

Bei mehr als 190 Vertragsparteien ist ein Scheitern immer möglich. Trotzdem stehen die Chancen für einen neuen, umfassenden Klimavertrag in diesem Jahr besser als 2009. Im Dezember soll in Paris beim 21. Weltklimagipfel ein Klimaabkommen beschlossen werden, das das Kyoto-Protokoll ablöst. 2009 hat die Weltgemeinschaft das schon einmal versucht und ist nach dramatischen Nächten, in denen eine Gruppe von Staats- und Regierungschefs schließlich allein verhandelten - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war nicht eingeladen - mit leeren Händen aus Kopenhagen abgereist. Sechs Jahre hat es gedauert, bis das Vertrauen in eine globale Lösung wieder so weit gewachsen ist, dass nun ein neuer Versuch gewagt wird.

Kommt es zu dem Pariser Abkommen, wird es mit dem Kyoto-Protokoll nicht mehr allzu viel zu tun haben. Die Idee, einen Vertrag zu haben, mit dem die Teilnehmer zu Leistungen verbindlich verpflichtet werden, und der womöglich sogar Sanktionen nach sich zieht, wenn die Ziele nicht erfüllt werden, diese Idee wird mit dem Kyoto-Protokoll als gescheitert in die Geschichte eingehen.

Einsparpläne eingereicht Das Pariser Abkommen wird grundlegend anders aussehen. Kernstück sind die sogenannten INDCs (Intended Nationally Determindes Contributions), das lässt sich in etwa übersetzen mit: Beabsichtigte von nationalen Umständen bestimmte Beiträge. Rund 20 INDCs sind bislang beim UN-Klimasekretariat in Bonn eingereicht worden, sie decken gut 60 Prozent der Weltemissionen ab. Die USA, China und die EU als größte Treibhausgasemittenten haben ihre Angebote vorgelegt. Die USA wollen ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 bringen. Die Schiefergasrevolution macht es möglich: In den USA werden im großen Stil Kohle- durch Gaskraftwerke ersetzt.

China will seine Energieintensität bis 2030 um 60 bis 65 Prozent im Vergleich zu 2005 vermindern. Das bedeutet, dass mit deutlicher weniger Energie produziert würde. Zudem will China seinen Anteil an "nicht-fossiler" Stromproduktion von derzeit 11,9 auf 20 Prozent erhöhen. Zwar zählt China die Atomenergie mit zu diesen klimaneutralen Energiequellen. Doch mit 2.900 Megawatt Leistung liegt die Atomenergie im Reich der Mitte weit hinter der Wasserkraft mit 300.000 Megawatt, Windenergie an Land mit 95.810 Megawatt und noch unter dem Anteil der Solarenergie mit 28.050 Megawatt. Zudem will China die Pilotprojekte für einen Emissionshandel, der in einzelnen Provinzen erprobt wird, im kommenden Jahr zu einem landesweiten System ausbauen. Wie in der EU wird es damit eine Obergrenze für den Kohlendioxid-Ausstoß der Industrie geben. Die Emissionsberechtigungen werden versteigert und teilweise kostenlos ausgegeben. Wer mehr braucht, als ihm zur Verfügung stehen, muss Zertifikate zukaufen; wer effizienter produziert, kann Zertifikate verkaufen. Peking sagt in seinem INDC zu, den Höhepunkt seiner Treibhausgasemissionen spätestens 2030 zu erreichen, doch dürfte China das schon früher schaffen.

Die Europäische Union will ihren Treibhausgasausstoß um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Entsprechende gesetzliche Regelungen wie der Emissionshandel werden fortgeschrieben und entsprechend wirksamer gemacht. Kanada will seine Treibhausgasemissionen dagegen nur um zwei Prozent im Vergleich zu 1990 senken, kritisiert das wissenschaftliche Bewertungsportal Carbon Action Tracker. Bei diesem Portal bewerten vier Institute die INDCs auf ihre Wirksamkeit zur Erreichung des Ziels, die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, sowie auf ihre Angemessenheit im globalen Vergleich. Kanada hat als Vergleichsjahr 2005 gewählt und will bis 2030 seinen Treibhausgasausstoß um 30 Prozent senken. Klingt besser, ist aber nur gut verkauft.

Weil die Angebote bisher nicht ausreichen, um die Welt auf den Zwei-Grad-Pfad zu bringen, soll der Pariser Gipfel sich Regeln geben, in welchen Abständen die Ziele überprüft und ehrgeiziger gemacht werden. Es dürfte auf einen Fünf-Jahres-Rhythmus hinauslaufen.

Der Blick auf die INDCs zeigt, welche Probleme in Paris noch gelöst werden müssen. Damit sie tatsächlich einen Beitrag zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels leisten, müssen sie vergleichbar gemacht werden. Der Gipfel muss sich also auf Regeln für die Berichtspflichten einigen, die tatsächlich Transparenz schaffen. Das gilt nicht nur für die Minderung der Emissionen, sondern auch, wenn es darum geht, angemessene Finanzmittel für die armen Länder aufzubringen, sowie für die Anstrengungen, sich dem Klimawandel anzupassen.

Beim Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung, der Anfang Juli in Addis Abeba stattfand, hat die Welt lediglich das schon 2009 in Kopenhagen gegebene Versprechen wiederholt, bis 2020 zunächst einmal 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung aufzubringen und von dann an jedes Jahr die gleiche Summe. Inzwischen gibt es allerdings einen Grünen Klimafonds, über den ein Teil dieser Summen abgewickelt werden kann. Die Entwicklungsbanken haben sich kurz vor dem Gipfel auf Regeln geeinigt, wie über die Klimafinanzierung berichtet wird. Denn es sollen nicht nur öffentliche, sondern auch private Mittel dafür aufgebracht und bilanziert werden.

Alles in allem stehen die Chancen nicht schlecht, dass in Paris ein Regelwerk verabschiedet wird, das der Klimapolitik für die kommenden Jahrzehnte einen Rahmen gibt. Es wird kein verbindlicher Vertrag sein, denn den würde der US-Kongress nie ratifizieren, und dann dürfte auch weltweit die Zustimmung dramatisch sinken. Aber er wird durch Transparenzregeln und den damit verbundenen öffentlichen Druck mindestens die reale Verbindlichkeit des Kyoto-Protokolls erreichen. Denn daran haben sich wesentliche Vertragsparteien ja auch nicht gehalten.

Die Autorin ist Politikredakteurin  beim "Tagesspiegel" in Berlin.