Viele Jahre lang war der Ausbau der Windkraft auf hoher See ("Offshore) eine einzige Aneinanderreihung von Enttäuschungen, technischen Pannen aufgrund der schwierigen Bedingungen weit von der Küste - und auch politischen Fehlgriffen. Die Netzverbindungen ans Festland wurden nicht fertig, Fehlkalkulationen der Investoren führten zu Pleiten und die vor zehn Jahren gehegten großen Pläne für den Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee verkamen zur Makulatur. Im Jahr 2015 scheint es nun so, als ob der Knoten geplatzt ist.
Eine Erfolgsgeschichte Mitte Mai eröffnete Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zusammen mit seinen G7-Kollegen den Windpark Nordsee Ost von RWE. 35 Kilometer nördlich von Helgoland drehen sich jetzt 48 riesige Sechs-Megawatt-Turbinen und liefern pro Jahr etwa eine Milliarde Kilowattstunden Strom. Es ist nur eine Erfolgsmeldung unter vielen. Allein im ersten Halbjahr hat sich die Zahl der Hochsee-Windräder auf 668 verdreifacht, meldeten die Lobby-Verbände der Branche kürzlich. Insgesamt sollen 2015 rund 2.250 Megawatt Offshore-Leistung ans Netz gehen und die Gesamtleistung von 3.300 erreicht werden. Weltweit wird Deutschland damit die Spitzenposition beim Bau von Neuanlagen vor Großbritannien und China einnehmen. Und: Am Ende des Jahres ist damit schon mehr als die Hälfte des Ausbauziels der Bundesregierung für 2020 erreicht, das allerdings aufgrund größer ausgelegter Netzkapazitäten auch leicht überschritten werden kann.
Verantwortlich dafür, dass es mit Offshore doch noch geklappt hat, sind drastische Maßnahmen der Politik. So wurde unter anderem Anfang 2013 die sogenannte Offshore-Umlage für die Stromkunden in Deutschland eingeführt, die damit für etwaige Entschädigungszahlungen an Offshore-Windpark-Betreiber aufkommen, falls der Netzanschluss nicht rechtzeitig fertig ist. Bislang sind keine großen Belastungen zustande gekommen, aber die Risiken für Netzbetreiber und Windpark-Investoren sind gesunken - damit ist die Investitionsbereitschaft gestiegen.
Gleichzeitig wurden allerdings mit der jüngsten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auch die Ausbauziele deutlich gesenkt. Die Branche macht sich folglich mehr um die Zukunft als um die Gegenwart Sorgen. Langfristig sollen nur zwei größere Windparks pro Jahr entstehen. Zu wenig, finden die See-Investoren. Sie bemängeln zudem, genau wie die Windmüller an Land, dass die Umstellung auf ein Ausschreibungsmodell große Unsicherheit bringt und kritisieren, der Netzausbau werde von der Bundesnetzagentur nicht schnell genug vorangetrieben.
Auf der anderen Seite gerät die Branche immer wieder wegen der hohen Kosten in den Fokus der Kritik, die letztlich von den Stromverbrauchern über die EEG-Umlage getragen werden. Diese Umlage ist 2015 erstmalig gesunken, und zwar auf 6,1 Cent pro Kilowattstunde. Auf hoher See wird für Strom aus Windkraftanlagen gut 15 Cent pro Kilowattstunde bezahlt, an Land ist es etwa die Hälfte. Verbraucherschützer attackierten die Technologie als "Milliardengrab" und der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Rainer Baake, hat aus seiner Skepsis nie einen Hehl gemacht. Schon in seiner vorherigen Aufgabe als Chef des Berliner Think-Tanks Agora Energiewende sagte er, der Ausbau müsse gedrosselt stattfinden, um die richtige Balance zwischen Kosten und Zukunftschancen zu wahren.
Die Branche weiß um den enormen Druck, die Kosten zu senken - und sie will liefern. So kündigte der Technologie-Riese und Marktführer Siemens an, die Kosten bis 2020 auf unter zehn Cent pro Kilowattstunde drücken zu wollen. Gelänge es dagegen nicht, Offshore deutlich billiger zu machen, sagt Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts Berlin, "dann ist die Technik nach 2025 aus dem Rennen".
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