Piwik Webtracking Image

Wirtschaft : Dann fließt der Strom unter der Erde

Akzeptanz von Energieleitungen soll verbessert werden. Kosten steigen

19.10.2015
2023-08-30T12:28:11.7200Z
3 Min

Die Lösung klingt so einfach. Statt überdimensionaler Strommasten und Höchstspannungsleitungen unmittelbar an Dörfern und an Städten vorbei werden die Kabel einfach in der Erde vergraben. Und schon kann der Strom ungehindert von den Windenergieanlagen an der Küste ins windarme Bayern fließen, wo in einigen Jahren die letzten Atommeiler abgeschaltet werden sollen. Dass die Idee gut, aber in der Praxis nicht ganz so einfach durchführbar ist, zeigte eine Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie in der vergangenen Woche. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wollen mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus (18/4655, 18/5581) den Vorrang der Erdverkabelung für Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) einführen. Damit soll auf die Bürgerproteste gegen die geplanten Gleichstrom-Freileitungen von Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg Rücksicht genommen werden.

Unterstützung In der Anhörung unterstützte Tjark Bartels, Landrat des niedersächsischen Landkreises Hameln-Pyrmont, die Energiewende und die Notwendigkeit der "SuedLink"-Trasse von Norddeutschland nach Bayern. Durch den geplanten Vorrang für die Erdverkabelung sei eine hohe Akzeptanz zu erwarten. Für die Deutsche Umwelthilfe bezeichnete Peter Ahmels den Vorrang von Erdverkabelungen für HGÜ-Verbindungen in Siedlungsnähe als eine Verbesserung des Wohnumfeldschutzes. Außerhalb von Siedlungsgebieten seien Eingriffe in den Boden genau zu prüfen. "Wenn die Erdverkabelung keine bessere Lösung darstellt, muss auch weiter eine Freileitung möglich sein", hieß es in der Stellungnahme der Umwelthilfe. In der Anhörung wurde deutlich, dass für die Erdkabel rund 25 Meter breite Schneisen geschlagen werden müssen

Von den Übertragungsnetzbetreibern wurde auf Zeitverzögerungen bei der Umplanung und auf Kostensteigerungen hingewiesen. So erklärte der Netzbetreiber TenneT, die für die Erdverkabelung von HGÜ-Leitungen notwendige Neuplanung könne zu einer Verzögerung von drei Jahren führen. Daher müssten Planung und Genehmigung von Leitungsbauprojekten erheblich beschleunigt werden. TenneT-Vertreter Lex Hartmann sprach in der Anhörung von einem "Genehmigungssumpf" in Deutschland. Manche Projekte gingen auf das Jahr 2002 zurück.

Die Erdverkabelung im Drehstrombereich entspricht laut TenneT noch nicht dem Stand der Technik und müsse daher weiter in Pilotvorhaben an den Stand der Technik herangeführt werden. Auch die Kosten sind höher als bei Freileitungen. Nach Angaben des Netzbetreibers Amprion sind die Investitionskosten für Erdverkabelung bei der Drehstromtechnik etwa vier- bis zehnmal so hoch wie bei Freileitungen. In der Gleichstromtechnik liege der Faktor zwischen drei und acht. Am Beispiel der geplanten SuedLink-Trasse machte TenneT die bei einem Erdkabel-Anteil von 90 Prozent zu erwartenden Mehrkosten deutlich: Sie lägen bei acht bis neun Milliarden Euro statt bei drei Milliarden in der Variante mit Freileitungen.

Amprion wies außerdem darauf hin, dass Kabelsysteme in der Höchstspannung sowohl bei Wechsel- als auch Gleichstrom eine deutlich höhere Nichtverfügbarkeit als Freileitungssysteme hätten. Je nach Fehlerereignis könne eine Reparatur mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Amprion-Vertreter Klaus Kleinekorte empfahl daher auch bei der Gleichstromtechnik zunächst Pilotvorhaben. TenneT-Vertreter Hartmann zeigte sich besorgt über die Beanspruchung des Stromnetzes: Man drohe nicht mit Blackout. Aber "wir sind überlastet. Die Risiken werden immer größer."

Die Kosten für die Erdverkabelung würden an die Industrie weitergereicht, beklagte Thomas Mock (Hydro Aluminium). Diese Kosten könnten nicht eingepreist werden, weil die internationalen Wettbewerber diese Kosten nicht hätten. Der "Erdkabel-Effekt" für ein Aluminium-Werk betrage bis zu 1,2 Millionen Euro. Eine Kostendeckelung sei bei der Erdverkabelung bisher nicht vorgesehen.