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NSA-UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS : Wieder ein Loblied auf das hohe Verantwortungsbewusstsein des BND

Ein Referatsleiter des Bundesnachrichtendienstes betont die Rechtstreue seiner Behörde

07.12.2015
2023-08-30T12:28:14.7200Z
4 Min

Sein Arzt, sagte der Zeuge, als er nach zwei Stunden um ein Ende der Befragung bat, habe ihm abgeraten. Warum sollte er sich das antun? Ein halbes Jahr war er krank geschrieben, fühlt sich nach wie vor nicht fit. Doch hätten ihn seit der Rückkehr an den Schreibtisch seine Vorgesetzten ständig mit der Frage traktiert, wann endlich er dem Untersuchungsausschuss in Berlin Rede und Antwort stehen könne.

Dort wurde der Referatsleiter H. K. aus der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach am Donnerstag nicht zuletzt von den Vertretern der Opposition mit Ungeduld erwartet. Er war im Jahr 2013 beteiligt, als beim BND die in der Abhöranlage in Bad Aibling genutzten Suchmerkmale überprüft wurden und dabei rund 40.000 politisch bedenkliche Selektoren ans Licht kamen. Nach Ansicht von Linken und Grünen ist die Aktion noch immer nicht restlos aufgeklärt.

Auskunft erhofften sie sich von H.K. auch über eine ominöse Breitbandverbindung zwischen dem BND und der amerikanischen National Security Agency (NSA). Könnte auf diesem Weg eine Unmenge von Daten unter zweifelhaften Umständen an die NSA abgeflossen sein? "Wir haben uns auf Sie gefreut", verabschiedete der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) den Zeugen. "Die Freude war ganz Ihrerseits", gab der verdrossen zurück.

Der ausgebildete Luft- und Raumfahrtingenieur leitete von 2003 bis 2009 das Referat T2c und bearbeitete dort Nachrichten zu den Themen Terrorismus und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Anschließend führte er bis September 2011 das Referat T1e, zuständig für die Überwachung kabelgestützter Kommunikation in Deutschland. Als Referatsleiter T2c war H.K. auch mit sogenannten G10-Anträgen befasst. Dabei geht es um die Genehmigung, in Einzelfällen Verdächtige zu überwachen, die als deutsche Staatsbürger den grundgesetzlichen Schutz des Fernmeldegeheimnisses genießen.

Womit er nichts zu tun hatte, sei der Datenaustausch mit der NSA gewesen, betonte der Zeuge: "Wir haben nicht Rohdaten irgendwo hingeschoben, sondern klassische Nachrichtenbearbeitung gemacht." Eine enttäuschende Aussage für die Opposition, die einem Hinweis in den Unterlagen des NSA-Enthüllers Edward Snowden nachgeht. Demnach waren der NSA massenhaft und unkontrolliert Metadaten etwa über Zeitpunkt, Ort und Dauer einer Kommunikation aus Abhöranlagen des BND zugeflossen.

Wie lief der Datenstrom? Die bisher befragten zuständigen Dienststellenleiter des BND hatten dem Ausschuss freilich einhellig versichert, sie hätten den Amerikanern nichts geschickt. War der Datenstrom also über die Zentrale in Pullach gelaufen? Und wer war dort dafür verantwortlich? Bereits in der Vorwoche hatte der Zeuge J.S., von 2006 bis 2010 Leiter des Referats T2d, dem Ausschuss erklärt, er sei es nicht gewesen. Sein Referat habe aus verschiedenen Quellen gewonnene Erkenntnisse verarbeitet, die aus den Erfassungsstellen zugeliefert worden seien und daraus brauchbare Meldungen formuliert.

Dasselbe bekamen die Abgeordneten jetzt von H.K. zu hören. Er könne mit Rohdaten aus Überwachungsmaßnahmen gar nichts anfangen. Er erhalte die Erkenntnisse in bereits aufbereiteter Form aus den Erfassungsstellen. Er könne sich deshalb auch nicht erinnern, jemals eine Information auf dem Schreibtisch gehabt zu haben, von der er hätte annehmen müssen, sie sei auf rechtlich bedenklichem Wege zustande gekommen. Denn auch solche Daten würden bereits in den Erfassungsstellen ausgefiltert. Dabei tue der BND "alles, was technisch möglich ist", beteuerte er.

Keine automatische Weitergabe Über das Breitbandkabel, das den Ausschuss auch noch interessierte, fließen nach Auskunft des Zeugen keine Informationen vom BND in die USA, sondern in umgekehrter Richtung von der NSA nach Deutschland. Dabei handele es sich aber um Daten, die mit dem Untersuchungsauftrag des Ausschusses nichts zu tun hätten, betonte er. Näheres dazu wollte der Zeuge nur in nichtöffentlicher Sitzung erläutern. Keine Rede also von anlassloser, massenhafter, automatischer Datenweitergabe, jedenfalls nicht, soweit der Zeuge dies aus seiner Tätigkeit beurteilen könne: "Es gibt Situationen, wo Meldungen im Rahmen einer Kooperation an andere Staaten weitergegeben werden, aber immer individuell, nicht automatisch."

So hörte der Ausschuss ein weiteres Mal das Loblied auf das hohe Verantwortungsbewusstsein des BND im Umgang mit sensiblen Daten. Dies gelte insbesondere, wenn ein deutscher Grundrechtsträger etwa als Terrorverdächtiger ins Visier gerate, erläuterte der Zeuge. Der erste Schritt sei stets, die Hausjuristen zu Rate zu ziehen. Diese leiteten dann das Antragsverfahren bei der G10-Kommission des Bundestages ein, die die erforderliche Genehmigung zu erteilen hat. Erst wenn diese vorliege, werde in der Erfassungsstelle das gegen den Betroffenen gerichtete Suchmerkmal freigeschaltet: "Kein Nachrichtenbearbeiter wird von sich aus einen Selektor einstellen, von dem er weiß, dass er zu einem Deutschen gehört", betonte der BND-Mitarbeiter.

Die G10-Kommission freilich, der mehrheitlich ehemalige Abgeordnete angehören, ist derzeit auf den BND nicht gut zu sprechen, auf die Bundesregierung auch nicht. Wie kürzlich bekannt wurde, wollen die Geheimdienstaufseher vor dem Bundesverfassungsgericht auf Herausgabe der Liste fragwürdiger NSA-Selektoren klagen, die die Regierung ihnen vorenthält. Sie schlagen sich damit auf die Seite der Opposition im Ausschuss, die ein gleiches Verfahren betreibt.