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ZWANGSVERWALTUNG : »Das ist kein schönes Gefühl, aber es ist ok«

Wenn eine Kommune überschuldet ist, kann die zuständige Aufsichtsbehörde eingreifen

07.03.2016
2023-08-30T12:29:57.7200Z
3 Min

Herr Damsch, Ihre Kommune Oberharz am Brocken ist 2013 vom Land Sachsen-Anhalt wegen Überschuldung vorübergehend unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Woran lag das?

Mit der Gemeindegebietsreform sind Anfang 2010 zehn Kommunen vereinigt worden. Wenn ich zehn verschuldete Kommunen zusammenpacke, wird da kein Reicher daraus. Das war für die neugebildete Stadt Oberharz eine ungünstige Ausgangslage.

Wie ist das konkret abgelaufen?

Die Regierung wollte das über einen Beauftragten richten und hat mich außer Kraft gesetzt. Es hat sechs Monate gedauert. Der Bevollmächtigte hat geschaut, wie die Dinge hier geregelt werden, ist aber auch zu keinen anderen Erkenntnissen gekommen. Am Ende konnte er nur bestätigen, dass ich als Bürgermeister eine ordentliche Arbeit abgeliefert habe. Im Verfahren ist eine Konsolidierung beschlossen worden, das waren 37 Punkte, die sind alle abgearbeitet. Wir sind jetzt wieder im ganz normalen Geschäftsgang.

Was haben Sie als gewählter Bürgermeister in der Zeit denn gemacht?

Ich war nicht ganz außen vor, sondern habe dem Beauftragten zur Seite gestanden. Aber ich hatte in der Zeit keine Entscheidungskompetenzen. Nachdem der Beauftragte festgestellt hatte, dass ich alles getan habe, was getan werden musste, hat mich der Innenminister wieder ins Amt eingesetzt und ich habe die Geschäfte weiter geführt. Der Stadtrat stand immer hinter mir.

Sind die Finanzen jetzt in Ordnung?

Die Ausgaben haben wir im Griff, auf unabsehbare Zeit problematisch ist die Einnahmesituation. Vor allem die Gewerbesteuern sind nicht planbar. Wir haben nicht viele Unternehmen und können hier nicht mit großen Einnahmen rechnen. Wir müssen Geld ausgeben, um die Gemeindefunktionen aufrecht zu erhalten, aber das können wir nicht selbst erwirtschaften. Unsere Kommune hat 11.000 Einwohner, 272 Quadratkilometer Fläche, es müssen 100 Kilometer kommunale Straßen bewirtschaftet werden, 2.000 Straßenlampen in Betrieb gehalten und 2.500 Gullis gesäubert werden. In einer größeren Stadt kann man mit solchen Aufgaben anders umgehen als in einer Flächengemeinde.

Das heißt, Sie brauchen weiter Finanzspritzen vom Land?

Wir werden immer wieder auf finanzielle Unterstützung des Landes angewiesen sein. Der Tourismus an sich bringt Umsatz für das Gewerbe, aber keinen ausreichenden Gewinn für die Stadtkasse. Da kommt was rein über Kurtaxen oder marginal Gewerbesteuern, aber das reicht nicht, um die Gesamtkosten zu decken. In den vergangenen vier Jahren haben wir mit Hilfe des Landes und des Bundes in unserem Stadtgebiet aber immerhin weit über 20 Millionen Euro investieren können.

Wie lässt sich das Problem lösen?

Das kann man nur lösen, indem die Zuweisungen erhöht werden. Man muss erkennen, dass Kommunen auskonsolidiert sind und an der Ausgabenschraube nicht mehr gedreht werden kann. Der Fehlbetrag müsste zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollten die Gewerbesteuern am Ort der Leistung bezahlt werden und nicht am Sitz des Unternehmens. Wir haben einen Fall, da tragen wir die Lasten und sind am Steueraufkommen nur marginal beteiligt.

Was war das für ein Gefühl, zwangsverwaltet zu werden?

Das ist kein schönes Gefühl, aber es ist ok, wenn es die Kommune nach vorne bringt. Es war auch ein Experiment und es hat sich gezeigt, dass es nicht der Heilsbringer war.

Das Interview führte Claus Peter Kosfeld.

Frank Damsch (SPD/52) ist Bürgermeister der Stadt Oberharz am Brocken.