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Parlamentarisches Profil : Die Finanzpolitikerin: Cansel Kiziltepe

18.04.2016
2023-08-30T12:29:59.7200Z
3 Min

D ie Frage treibt sie um, nicht anders als die Menschen in ihrem Berliner Wahlkreis Kreuzberg-Friedrichshain. Die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe sie dort in den vergangenen Tagen öfters gehört: Warum müssen normale Bürger Steuern zahlen, während andere ihr Geld in irgendeiner Offshore-Firma verstecken? "Dieses Problem ist ja nicht neu", sagt Kiziltepe. "Es ist schade, dass es einer Aufdeckung durch Journalisten bedarf, damit die Politik mal handelt."

Die Politik hat nach Ansicht der bekennend linken SPD-Abgeordneten bisher entschieden zu wenig getan. Ein Vorwurf, der nicht zuletzt Wolfgang Schäuble (CDU) gilt, dem Bundesfinanzminister, der unter dem Eindruck der Panama-Enthüllungen mit einem Zehn-Punkte-Plan Tatkraft gegen Steueroasen zeigt. Warum erst jetzt?, fragt sich Kiziltepe. Hätte Schäuble nicht längst Gelegenheit gehabt, zum Beispiel einen Antrag der SPD-regierten Länder im Bundesrat aufzugreifen, der seit 2013 vorliegt? Die Initiatoren wollen Banken oder Finanzberater haftbar machen, die Beihilfe zur Steuerflucht leisten.

Und gibt es nicht schon seit dem Jahr 2009 ein "Steuerhinterziehungs-Bekämpfungsgesetz"? Es würde ermöglichen, Staaten, die bei der Fahndung nach Fluchtgeld nicht kooperieren, auf eine "Schwarze Liste" zu setzen und mit Sanktionen zu belegen. Warum geschieht das nicht? "Ich habe den Eindruck, Herr Schäuble will das Problem auf die internationale Ebene verlagern." Eine Lieblingsformel des Finanzministers in diesen Tagen laute: "Panama muss ..." Als ob sich Panama zu etwas zwingen ließe, sagt Cansel Kiziltepe: "Wir müssen selbst dafür sorgen, dass das nicht mehr möglich ist"

Ein Finanzminister nach ihrem Geschmack ist da schon eher ihr Parteifreund Norbert Walter-Borjans, nordrhein-westfälischer Finanzminister und beherzter Aufkäufer von im Ausland entwendeter Vermögensdaten. Auch in den Steuer-CDs, in deren Besitz Nordrhein-Westfalen auf diesem Wege gelangte, sei bereits von ominösen Adressen in Panama die Rede gewesen. Beteiligte Geldinstitute, die Commerzbank, die Deutsche Bank, hätten Strafzahlungen leisten müssen, allerdings "in lächerlicher Höhe", meint Kiziltepe. Sie hat an dem von manchen Liberalen und Konservativen kritisierten Handel mit ausländischen Daten deutscher Steuerpflichtiger nichts auszusetzen: "Es sind kriminelle Machenschaften. Die gehören aufgedeckt, auch wenn das das einzige Instrument ist, um das zu erreichen."

So zu reden ist Ehrensache, wenn man wie Kiziltepe im Finanzausschuss in die politischen Fußstapfen des einstigen SPD-Fraktionsvize Joachim Poß tritt, der sich in seiner aktiven Zeit mit zahllosen Pressemitteilungen einen Namen als Rächer des ehrlichen Steuerzahlers gemacht hat. Seit 2013 ist die türkischstämmige gebürtige Kreuzbergerin im Bundestag, im Ausschuss derzeit Berichterstatterin für die Reform der Erbschaftssteuer. Auch so ein Punkt, der sie mit der Großen Koalition und dem Minister hadern lässt. Finanzpolitik ist ihr Wunsch- und Herzensthema, denn da geht es um die Einnahmen des Staates. Mithin, so sieht es Kiziltepe, um die Ermöglichung sozialer Gerechtigkeit.

Aus ähnlichen Gründen hat sich die heute 40-Jährige vor zwei Jahrzehnten für das Studium der Volkswirtschaft entschieden: Das Fach, sagt sie, handele von der "Verteilung des Wohlstandes", der Frage: "Wer kriegt wieviel vom Kuchen ab?" Ihr akademischer Lehrer an der TU Berlin war Jürgen Kromphardt, ein sozialdemokratischer und gewerkschaftsnaher Ökonom, langjähriges Mitglied des Sachverständigenrates, der ihr auch empfahl: "Machen Sie doch Politik. Da können Sie sich einbringen, was verändern."

In der SPD, der sie 2005 beitrat, wurde Ottmar Schreiner ihr "politischer Ziehvater", der Chef des Arbeitnehmerflügels. Sie hat ihm sieben Jahre lang als persönlicher Referentin im Bundestag zugearbeitet. Mit seiner Kritik an der "Agenda 2010" erwarb sich Schreiner den Ruf eines SPD-Linken. "Eine Gesellschaft ist nur gerecht, wenn es einen starken Staat gibt." Diesen Leitsatz seiner einstigen Mitarbeiterin würde er wohl unterschreiben.