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NSA-AFFÄRE : Doppeltes Dementi zweier Verfassungsschützer

Abgeordnete vernehmen BfV-Mitarbeiter

02.05.2016
2023-08-30T12:30:00.7200Z
3 Min

Die NSA, dein Freund und Helfer? Mittlerweile 22 Jahre hat Klaus-Michael Rogner im Dienst der Spionageabwehr und inneren Sicherheit verbracht. Er macht sich keine Illusionen: "Die moralischen Kategorien der Nächstenliebe sind im Nachrichtendienstgeschäft nicht ausgeschlossen, aber höchst selten." Wenn dem so ist: Warum hat dann die National Security Agency (NSA), der großmächtige US-Geheimdienst, Rogners Behörde, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfA), die Hochleistungs-Software XKeyscore geschenkt? Einfach so?

Die Frage treibt den NSA- Untersuchungsausschuss schon seit einer Weile um, und seit die Schenkungsvereinbarung bei "Zeit Online" nachzulesen ist, hegen manche Abgeordnete auch eine Vermutung: In dem im April 2013 unter anderen von Rogner unterzeichneten Dokument heißt es, dass sich der Verfassungsschutz im Gegenzug für die Überlassung von XKeyscore verpflichte, "in größtmöglichem Umfang" eigene Erkenntnisse mit der NSA zu "teilen".

Noch eine zweite Frage stellt sich in diesem Zusammenhang, die den Ausschuss von Anfang an beschäftigt hat: Waren unter den Informationen, die auf diesem und anderen Wegen aus Deutschland in die USA flossen, womöglich Geo- oder Mobilfunkdaten, die dazu dienen konnten, Menschen als Ziele tödlicher Drohnenattacken zu markieren? Wurden deutsche Behörden so zu Komplizen völkerrechtlich fragwürdiger Einsätze?

Mitte April hat der Ausschuss dazu zwei Mitarbeiter der Abteilung 3 gehört, die beim BfV die Installation und den Testbetrieb von XKeyscore betreut. Zu den Hintergründen des Geschäfts vermochten beide aber nicht viel zu sagen. Sie verwiesen auf die Abteilung 6, beim BfV zuständig für die Abwehr radikalislamischer Bestrebungen. Sie pflege im Haus die engsten Kontakte zur NSA.

»Kein Deal« An der Spitze der Abteilung 6 steht seit 2011 der heute 50-jährige Jurist Rogner. Außer ihm war vergangene Woche einer seiner früheren Untergebenen als Zeuge geladen, ein 42-jähriger Historiker, der vor dem Ausschuss unter dem Tarnnamen "Folker Berfuß" auftrat. Er war von 2011 bis 2014 als Referatsgruppenleiter in der Abteilung 6 tätig. Was die Abgeordneten von beiden zu hören bekamen, war ein zweifaches Dementi: Nein, es habe keinen "üblichen Deal Technik gegen Daten" gegeben. Und nein, es gebe keine deutsche Verstrickung in den US-Drohnenkrieg.

"Eine Gegenleistung an die Amerikaner ist zu keinem Zeitpunkt formuliert worden", fasste Rogner die Gespräche mit der NSA über XKeyscore zusammen. Es gebe auch "keinen Hinweis" darauf, dass die US-Seite vor allem bestrebt sei, "an unsere Daten heranzukommen". Für Berfuß sind der Datenaustausch mit der NSA und die Vereinbarung über XKeyscore zwei voneinander unabhängige Sachverhalte. Nie habe es geheißen: "Nur wenn ihr das macht, gibt's auch die Software." Die Haltung der NSA in den Verhandlungen über XKeyscore sei vielmehr gewesen: "Wir hoffen, dass wir euch damit helfen können." Also doch Freund und Helfer?

Für das BfV ist XKeyscore die Antwort auf die Herausforderung durch die technisch immer komplexere und schwerer durchschaubare Kommunikation der extremistisch orientierten Zielgruppe in sozialen Netzwerken. Das System ermöglicht die Analyse und Verknüpfung bei Überwachungsmaßnahmen erfasster Daten, die sonst kaum zu entschlüsseln wären. Deutsche Sicherheitsbehörden entsprechend zu "ertüchtigen", sei auch der US-Seite ein Anliegen, betonten beide Zeugen und erinnerten an Ereignisse wie die tödliche Attacke eines radikalislamischen Attentäters auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen im Mai 2011. "Der springende Punkt ist, dass die Amerikaner ein vitales eigenes Interesse daran haben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Job gut macht", sagte Berfuß.

Auch zum Verdacht der Beihilfe zum Drohnenkrieg äußerten sich beide Zeugen gleichermaßen kategorisch. "Die Behauptung, vom Bundesamt für Verfassungsschutz übermittelte Daten seien ursächlich für Tötungen, weise ich zurück", erklärte Rogner. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Daten, die von uns weitergegeben werden, dazu genutzt werden", echote Berfuß. Gegen Missbrauch habe sich die deutsche Seite schließlich abgesichert. Jede an einen ausländischen Geheimdienst weitergegebene Information sei mit dem Hinweis versehen, sie dürfe "nur für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt" werden, also lediglich für Gewinnung und Analyse von Informationen.

Eine solche Beschränkung habe durchaus völkerrechtliche Bindungskraft, betonte Rogner, und das BfV behalte sich auch vor, die Einhaltung zu überprüfen. Was freilich, wie der Zeuge einräumte, in der Praxis des Umgangs mit der NSA schwierig sei: "Diese Zusammenarbeit beruht auf gegenseitigem Vertrauen."