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PROSTITUTION : Der Zwang zum Schutz

Streit über Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen. Einigkeit über Auflagen für Bordelle

06.06.2016
2023-08-30T12:30:02.7200Z
3 Min

Der Bundestag hätte sich keinen symbolträchtigeren Tag aussuchen können, um über die von Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) vorgelegten Gesetzesentwürfe zum Schutz von Prostituierten und zur Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung (siehe Text unten) zu beraten. Seit 1976 gilt der 2. Juli als der Internationale Hurentag, der an die Diskriminierung von Sexarbeiterinnen und deren oftmals ausbeuterischen Lebens- und Arbeitsbedingungen erinnern soll.

Auch in Deutschland ist das Geschäft mit dem käuflichen Sex oftmals von schlechten Arbeitsbedingungen, ausbeuterischen Geschäftsmodellen und auch Zwangsprostitution geprägt. Die liegt zum einen an der mangelhaften Regulierung von Prostitutionsstätten. Hierzulande sei "es schwieriger, eine Pommesbude zu eröffnen als ein Bordell", bemängelte Ministerin Schwesig in der Ersten Lesung des Prostituiertenschutzgesetzes (18/8556) am vergangenen Donnerstag. "Damit muss Schluss sein. Wir brauchen für Bordelle klare Regeln."

Diese Regeln sehen vor, dass das Betreiben von Prostitutionsstätten zukünftig einer Erlaubnispflicht unterliegt. So soll unter anderem verhindert werden, dass einschlägig Vorbestrafte - beispielsweise wegen Zwangsprostitution - ein Bordell eröffnen können. Zudem sollen ausbeuterische Geschäftsmodelle wie zum Beispiel Flatrate-Angebote verboten werden. "Es kann nicht sein, dass eine Frau eine ganz Nacht zu allem verkauft wird."

Bis zu diesem Punkt unterstützten alle Fraktionen das Vorhaben der Familienministerin. Allerdings sehen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die Auflagen für die sogenannte Wohnungsprostitution als zu hoch an. Die Einrichtung von getrennten Sanitärbereichen für Prostituierte und Kunden, die Installation eines technischen Notrufsystems sowie die Trennung von Schlaf- und Arbeitszimmer sei für Großbordelle sinnvoll und machbar, nicht aber für kleine Wohnungsbordelle, monierte die frauenpolitische Sprecherin der Linken, Claudia Möhring. Dabei seien es gerade die Wohnungsbordelle, die es den Prostituierten ermöglichen, selbstbestimmter zu arbeiten. "Im Ergebnis fördern Sie Großbordelle, und das ist echter Mist."

Gänzlich verhärtet sind die Fronten zwischen der Regierungskoalition und der Opposition allerdings beim Thema Anmeldepflicht. Nach dem Willen von CDU/CSU und SPD sollen sich zukünftig alle Prostituierten in einem Zweijahresrhythmus bei einer Kommune anmelden müssen, für 18- bis 21-Jährige gilt gar eine einjährige Frist. Zudem sieht das Gesetz eine verpflichtende Gesundheitsberatung vor.

Diese Auflage beurteilen Linke und Grüne als kontraproduktiv. Da Prostitution gesellschaftlich noch immer stigmatisiert sei, so argumentierte die Familienpolitikerin Katja Dörner (Grüne), seien viele Sexarbeiterinnen "dringend auf Anonymität angewiesen". Viele Prostituierte würden sich deshalb nicht anmelden und illegal weiterarbeiten. "Damit stiegt die Gefahr von Übergriffen", prophezeite Dörner. Gleiches gelte für die verpflichtende Gesundheitsberatung. "Alle Erfahrungen zeigen, dass den Beratungsangeboten Freiwilligkeit, Niedrigschwelligkeit und die Möglichkeit zur Anonymität zugrunde liegen müssen", führte Dörner aus. Möhring und Dörner stellten übereinstimmend fest, dass das Gesetz den Schutz der Prostituierten zwar im Namen trage, diesem Anspruch aber nicht gerecht werde.

Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), wies die Einwände der Opposition zurück und machte das Prostitutionsgesetz der rot-grünen Bundesregierung von 2002, mit dem die Prostitution legalisiert und Sexarbeiterinnen der Zugang zu den Sozialversicherungen ermöglicht wurde, für die Missstände verantwortlich: "Weniger als 100 Prostituierte sind in Deutschland sozialversicherungspflichtig angestellt. Stattdessen haben wir es mit Elend, Ausbeutung und Armut zu tun." Diese Probleme würden mit der Gesetzesinitiative der Koalition nun angepackt, sagte Weinberg. Es ginge schließlich nicht nur um die Belange von Gelegenheitsprostituierten und denen, die mit ihrem Beruf gut verdienen und selbstbestimmt arbeiten können. Vielmehr müsste der Gesetzgeber "die Tausenden von Prostituierten, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, und die immer öfter an der Landstraße stehen" in den Fokus nehmen, sagte Weinberg.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann bestätigte zwar, dass das Prostitutionsgesetz von 2002 verbesserungsbedürftig sei, warf der Union im Gegenzug jedoch vor, sie habe mit der FDP notwendige Regulierungen über Jahre im Bundesrat blockiert. Reimann verteidigte zudem den Widerstand der SPD gegen die Forderungen der Union, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen oder ein Mindestalter in das neue Gesetz aufzunehmen. Und sie gab die Marschrichtung in der weiteren parlamentarischen Beratungen des Gesetzes vor: Keine weiteren Verschärfungen, stattdessen mehr Rechte, mehr Beratung und mehr Unterstützung für die Prostituierten.