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ÖSTLICHE PARTNERSCHAFT : Politische Manöver um die Visafreiheit

Aus innenpolitischen Gründen zögern eine Reihe von EU-Mitgliedern die Visafreiheit für Ukrainer und Georgier hinaus

13.06.2016
2023-08-30T12:30:02.7200Z
4 Min

Man möchte nicht in der Haut von Petro Poroschenko stecken: Direkt nach seiner Wahl zum Präsidenten der Ukraine im Frühjahr 2014 versprach er seinen Bürgern, bis zum Ende des Jahres werde man sich mit der EU über die Visafreiheit geeinigt haben. Er hat seine Versprechungen mehrfach wiederholt, aber bis heute gilt die Visafreiheit nur in eine Richtung. Dasselbe gilt für Georgien. Von den jüngst assoziierten Ländern hat nur Moldawien die begehrte Visafreiheit 2014 bekommen: Drei Monate dürfen sich Moldawier nun ohne Visum in der EU aufhalten, eine Arbeitsgenehmigung ist jedoch nicht enthalten.

Was haben die Moldawier, was die Georgier und Ukrainer nicht haben? Die Frage ist nur politisch zu beantworten. Beide Länder haben inzwischen alle technischen und legalen Bedingungen erfüllt, die ihnen die EU gestellt hatte. Im Falle der Ukraine hatte die Kommission das im April bestätigt. Schon im vergangenen Dezember hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesagt, er empfehle den EU-Staaten, die Visumpflicht für Bürger aus der Ukraine und Georgien aufzuheben.

Was fehlt, ist eine Entscheidung des Europäischen Rates. Und da ist man derzeit nervös - angesichts von Flüchtlingskrise, Rechtspopulisten und Brexit-Referendum. Nun wird nach Möglichkeiten gesucht, die Entscheidung zu verschieben. Aus EU-Rat-Kreisen hört man von Diskussionen über "Packages" von Ländern, über deren Visafreiheit man dann gesammelt entscheiden werde. In dieses "Package" soll die Türkei, aber auch Länder wie Kosovo. So könnte sich eine Entscheidung über die Visafreiheit noch weiter hinauszögern lassen.

In deutschen Medien wurde zuletzt von Innenpolitikern aus CDU und CSU über "georgische Diebesbanden" gesprochen, die angeblich von der Visafreiheit profitieren würden. "Die Visumsfreiheit würde nur zu mehr unkontrollierter Einreise, mehr Asylmissbrauch und mehr Verbrechen führen", warnte etwa der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl.

Für den EU-Parlamentsabgeordneten Knut Fleckenstein (SPD) sind das "fadenscheinige Begründungen". In Wirklichkeit gehe es den politischen Kräften nur darum, angesichts der Flüchtlingskrise in Europa nicht noch mehr Wählerstimmen zu riskieren, meint er. Damit stehe allerdings nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel, warnt er. "Wenn Georgien und die Ukraine alle Bedingungen erfüllt haben, dann müssen wir unser Versprechen einlösen. Das muss und kann man dann auch seinen Wählern erklären."

Neben der Flüchtlingskrise und den schwierigen Visa-Verhandlungen mit der Türkei torpediert auch das niederländische Referendum eine Einigung: Im April hatte eine Mehrheit der Niederländer die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens abgelehnt. Noch bis Ende Juni haben die Niederlande die EU-Ratspräsidentschaft inne - und suchen nach einem möglichen Kompromiss, der es ihnen erlauben würde, doch noch das Abkommen zu ratifizieren, ohne den Volkszorn auf sich zu ziehen.

Sturz Die Ratifizierung durch die Niederlande würde auch das letzte der 2014 geschlossenen Assoziierungsabkommen endgültig in Kraft treten lassen: Während die Abkommen mit Moldau und Georgien keine größeren Probleme mit sich brachten, führte das Abkommen mit der Ukraine nicht nur zum Sturz von Präsident Wiktor Janukowytsch, sondern löste einen kriegerischen Konflikt mit Russland aus, der bis heute einer politischen Lösung harrt.

Im Fall von Moldau und Georgien führte Russland zwar auch einzelne Importsperren ein, diese wurden jedoch in der Folge wieder aufgeweicht. Im Falle der Ukraine annektierte Moskau die ukrainische Halbinsel Krim, löste einen Bürgerkrieg im Osten des Landes aus und brachte das Nachbarland durch eine radikale Blockadepolitik an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

Zwar kommt die Ukraine nach dem wirtschaftlichen Absturz 2014 und 2015 seit dem ersten Quartal 2016 wieder langsam aus der Rezession. Die positiven Auswirkungen der schon im Sommer 2014 erlassenen Handelserleichterungen mit der EU lassen allerdings noch auf sich warten: Auch 2015 gingen die Exporte in die EU um 6,9 Prozent zurück. Vor allem im Bereich Rohstoffe und Landwirtschaft kann das Land wegen des Wegfalls von Zöllen seine Exporte in die EU steigern. Gleichzeitig schützt die EU ihren Markt auch weiter in vielen Bereichen mit Quotenregelungen.

Georgien hat 2015 seinen Export in die EU um 12,4 Prozent gesteigert. In absoluten Zahlen sind diese Exporte mit 740 Millionen US-Dollar jedoch übersichtlich. Wichtigste Handelspartner des Landes sind weiterhin die direkten Nachbarn.

Auch in Moldau zeigt sich eine Belebung des Handels mit der EU - 2014 stiegen die Exporte in die EU-Länder um 20,5 Prozent, 2015 um weitere fünf Prozent auf 1,2 Milliarden Dollar. Mit allen drei Ländern erzielt die EU jedoch einen deutlichen Handelsüberschuss, der nur durch höhere Direktinvestitionen ausgeglichen werden könnte. Diese stagnieren jedoch momentan. Eine Aufhebung der Visapflicht für Georgien und die Ukraine wäre vor diesem Hintergrund ein deutliches Signal: Diese Länder gehören zu Europa.

Der Autor berichtet als freier Journalist aus der Ukraine.