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NSA-Ausschuss : Abrechnung mit Snowden

Verfassungsschutzchef Maaßen verblüfft mit Theorie über russische Strategie

13.06.2016
2023-08-30T12:30:02.7200Z
3 Min

Hans-Georg Maaßen hat keine hohe Meinung von Edward Snowden. In einer Podiumsdiskussion hat er einmal Verständnis dafür bekundet, dass die Amerikaner den Mann für einen "Verräter" halten, der die Geheimnisse der National Security Agency (NSA) internationalen Medien zum Fraß vorgeworfen hat. Dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor dem NSA-Ausschuss die Gelegenheit ergreifen würde, seine Einschätzung zu präzisieren, darauf mochten die Abgeordneten gefasst sein: "Snowden dürfte die NSA ausgeplündert haben, wie kein Zweiter zuvor einen US-Nachrichtendienst ausgeplündert hat." Fragt sich nur, zu wessen Nutzen. Maaßen präsentierte dem Ausschuss vergangene Woche dazu eine Theorie. Sie lautet: Die Snowden-Affäre ist Teil der "hybriden Kriegsführung" Russlands gegen den Westen.

Die Geschichte, wie Maaßen sie den Abgeordneten erzählte, beginnt im Jahr 2010. Damals setzte sich der russische Geheimdienstoberst Alexander Potejew mit Familie in die USA ab und ließ dort einen russischen Agentenring auffliegen. Für den russischen Auslandsnachrichtendienst SWR ein herber Gesichtsverlust, der nach Revanche schrie. War Snowden die Retourkutsche? Maaßen jedenfalls hält es offensichtlich für absolut denkbar, dass der SWR den damaligen Geheimdienstmitarbeiter als Agenten angeworben und geführt hat. Mit durchschlagendem Erfolg, werde doch Snowden in der Öffentlichkeit weder als Überläufer noch als Doppelagent wahrgenommen, sondern als selbstloser Idealist.

Unruhe im Saal Während der oberste Verfassungsschützer so referierte, entstand Geruckel und Getuschel unter den Abgeordneten, von denen einige wie Hans-Christian Ströbele (Grüne) den Whistleblower Snowden für einen Helden halten. Der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) musste zur Ordnung rufen. Es kam indes noch dicker. Maaßen gab dem Ausschuss zu verstehen, dass er diesen selbst womöglich als Teil des russischen Komplotts betrachtet. Wie anders sollten die Abgeordneten seine Klage auffassen, die Snowden-Affäre habe den deutschen Geheimdiensten in erheblichem Maße geschadet? Wichtige Informationen aus ihrer täglichen Arbeit seien an die Öffentlichkeit gezerrt, ihre Tätigkeit und Existenz "skandalisiert" worden. Es sei den Russen gelungen, einen Keil zwischen die USA und ihren engsten europäischen Verbündeten, Deutschland, zu treiben. Vor allem hier habe die Snowden-Affäre "antiamerikanische und gegen die eigenen Nachrichtendienste gerichtete" Stimmungen erneut hochkochen lassen. Wer konnte davon mehr profitieren als Russland, zumal angesichts des Ukraine-Konflikts?

Direkt angesprochen fühlen durften sich die Abgeordneten dann, als Maaßen auf die enorme Anspannung personeller Ressourcen zu sprechen kam, die die Affäre seiner Behörde eingebrockt habe. Im Zusammenhang mit den Themenkreisen NSA und NSU habe sich der Verfassungsschutz derzeit mit zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen im Bundestag und fünf weiteren in verschiedenen Landtagen auseinanderzusetzen. Das Informationsbedürfnis der Ausschüsse zu bedienen, koste in erheblichem Umfang Arbeitszeit und Energie, die angesichts wachsender Bedrohungen durch radikalislamischen Terrorismus an anderer Stelle dringender benötigt würden. Maaßen warnte: "Niemand sage im Fall eines Terroranschlags, er habe das nicht gehört."

Drohnenkrieg Nicht minder klare Ansagen servierte Maaßen dem Ausschuss zu einem anderen Thema, das diesen brennend interessiert: Der US-Drohnenkrieg ist für ihn über jeden völkerrechtlichen Zweifel erhaben. Maaßen berief sich auf einen Beschluss des Generalbundesanwalts. Dieser hatte am 20. Juni 2013 ein Ermittlungsverfahren wegen des Todes des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdogan durch eine US-Drohne eingestellt. Zur Begründung hatte es geheißen, Erdogan sei nicht als nach humanitärem Völkerrecht geschützter Zivilist, sondern als bewaffneter Angehöriger einer Truppe "mit fortgesetzter Kampffunktion" im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet unterwegs gewesen. Dort herrsche ein bewaffneter Konflikt, in dem die Vereinigten Staaten Partei seien. Die Drohnenattacke sei mithin ein legitimer Kriegsakt gewesen.

Auf einem anderen Blatt steht für Maaßen die Frage, ob der "rechtmäßige Drohneneinsatz der USA" von Deutschland "politisch und moralisch mitgetragen" werde. Hier habe die Bundesregierung "deutlich gemacht, dass sie Drohneneinsätze nicht gutheißt", eine Vorgabe, die in seiner Behörde penibel beachtet werde. Zum Vorwurf der Verstrickung in den Drohnenkrieg sagte er: "Derartige Unterstellungen weise ich nachdrücklich auch für meine Mitarbeiter zurück."

Sein Amtsvorgänger Heinz Fromm hatte indes zuvor als erster Zeuge im Untersuchungsausschuss überhaupt eingeräumt, dass der Verfassungsschutz unwissentlich doch an Drohneneinsätzen mitgewirkt haben könnte. "Es ist natürlich denkbar, dass Informationen, die von uns geliefert wurden, Teil einer Gesamtinformation werden, die dann geeignet ist, solch einen gezielten Angriff durchzuführen", hatte Fromm gesagt und hinzugesetzt: "Dann ist das eben so. Dann ist das eine mittelbar nutzbare Information."