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TERRORAbwehr : Zoff um Paketannahme

Die Opposition lehnt das neue Maßnahmenbündel von Schwarz-Rot strikt ab

13.06.2016
2023-08-30T12:30:03.7200Z
4 Min

Bei der Zielvorgabe waren sich Regierung und Opposition in der Bundestagsdebatte über das neue schwarz-rote Anti-Terror-Paket vergangene Woche einig, schließlich ging es um den Schutz der Bevölkerung vor möglichen Anschlägen. "Es gibt keine Garantie, in Deutschland von einem großen Terroranschlag verschont zu werden, aber es gibt den Auftrag an uns alle, dass uns Mögliche zu tun, damit es dazu möglichst nicht kommt", sagte etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Für Die Linke betonte ihr Abgeordneter Frank Tempel: "Wir müssen alles daran setzen, dass geplante Terroranschläge nicht stattfinden können - wir müssen sie verhindern". Und seine Grünen-Kollegin Irene Mihalic unterstrich, natürlich müsse man "alles Rechtsstaatliche tun", um die Bürger vor Terroranschlägen zu schützen.

Damit aber hatte sich die Einigkeit auch schon erschöpft; bei der Bewertung des von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurfs "zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" (18/8702) gingen die Meinungen dann weit auseinander. Wohlüberlegt, angemessen und sachgerecht sei die Vorlage, urteilte der CSU-Mann Stephan Mayer, und sein Koalitionspartner Uli Grötsch (SPD) sah darin eine der "vielen guten Maßnahmen" der Koalition als Antwort auf die derzeitige Bedrohungslage. Tempel dagegen befand, der Gesetzentwurf sei nicht geeignet, "mehr Sicherheit gegen terroristische Anschläge zu bringen", und Mihalic konstatierte, die Vorlage gehe "hart an den Erfordernissen der Terrorismusbekämpfung vorbei".

Neue Befugnisse Mit dem Gesetzespaket soll das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) spezielle Befugnisse erhalten zur Einrichtung gemeinsamer Dateien mit ausländischen Partnerdiensten und die Bundespolizei die Befugnis, sogenannte Verdeckte Ermittler schon zur Gefahrenabwehr und nicht erst zur Strafverfolgung einzusetzen. Zudem ist unter anderem vorgesehen, Erbringer von Telekommunikationsdiensten zu verpflichten, die Identität von Prepaid-Kunden - zu deren Erhebung sie bereits nach geltendem Recht verpflichtet sind - anhand geeigneter Dokumente wie Personalausweisen zu überprüfen (siehe Beitrag unten).

De Maizière verwies darauf, dass Terroristen international agierten und Anschläge staatenübergreifend vorbereiteten. Daher müssten sich auch Sicherheitsbehörden international vernetzen. Dazu wolle man gemeinsame europäische Dateien schaffen, "in die Personen aufgenommen werden, die an Terrorismusorganisationen beteiligt sind". Auf diese Weise sollten die europäischen Nachrichtendienste ihre Erkenntnisse teilen und noch enger zusammenarbeiten. "Wissen ist Macht, und wir wollen den Terroristen in diesem Sinne machtvoll begegnen", sagte der Ressortchef. Auch wolle man die "verschleierte Nutzung" von Prepaid-Karten in kriminellen und terroristischen Strukturen verhindern.

Tempel sah in der geplanten Regelung zu den Prepaid-Karten dagegen eine "Massenüberwachung, ohne dass ein verhältnismäßiger Effekt für die Strafverfolgung erkennbar ist". Der normale Bürger solle sich dem staatlichen Zugriff auf seine Kommunikationsdaten nicht entziehen können, während "Personen mit Anschlagsabsichten" ohne größeren Aufwand "den Weg über Drittpersonen oder das Ausland wählen" könnten, kritisierte der Linken-Abgeordnete. Er verwies zugleich darauf, dass es schon bisher Kommunikation mit ausländischen Geheimdiensten gegeben habe und Terrorwarnungen, die sich "weitestgehend dann aber als Fehlinformation oder unüberprüfbar herausgestellt haben". Jetzt "wollen Sie diesen Zustand sogar noch verstetigen und den Heuhaufen, in dem Sie stochern, deutlich höher stapeln", fügte er an die Adresse des Ministers hinzu.

Mihalic erinnerte mit Blick auf die Einrichtung gemeinsamer Datenbanken mit Nachrichtendiensten anderer Nato-Staaten daran, dass dazu auch die Türkei gehöre. Nach den "kruden Vorstellungen", die in der Türkei teilweise zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten vorherrschten, seien aber auch die Bundestagsabgeordneten "alle verdächtig" (siehe Beitrag auf Seite 10 unten). Die Koalition stärke nicht die Polizei bei der Terrorismusbekämpfung, sondern "die Nachrichtendienste mit uferlosen Datenbanken". Das alles gehe "zu Lasten der Kontrollierbarkeit, der Transparenz und der Rechte der Bürger".

Grötsch hob hervor, dass die Nachrichtendienste die gemeinsamen Dateien errichten können sollten, "um damit wichtige Informationen über Terroristen austauschen - nicht sammeln - zu können". Er räumte zugleich ein, dass man sich eine anonyme Prepaid-Karte etwa in Österreich oder den Niederlanden kaufen könne. Deshalb wolle die Koalition hier mit gutem Beispiel vorangehen. Der zweite und wichtigere Schritt sei es aber, "auch die anderen EU-Staaten von einer europäischen Regelung zu überzeugen, weil das uns sonst nur in sehr beschränktem Ausmaß etwas nützt", sagte der Sozialdemokrat

Mehr Speicherrechte Der CSU-Abgeordnete Mayer warb unter Verweis auf den "brutalen Angriff einer 15-jährigen Dschihadistin" auf zwei Bundespolizisten vom Februar dafür, über die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen hinaus dem BfV die Speicherung von Daten 14- bis 16-Jähriger zu ermöglichen. Zur Begründung verwies er darauf, dass "die Radikalisierung von Salafisten immer frühzeitiger" beginne.