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ANTI-TERROR-Kampf : Eilpaket gesendet

ANTI-TERROR-Kampf Gegen die Stimmen der Opposition setzt die Große Koalition binnen zweier Sitzungswochen ein neues Maßnahmenbündel durch

27.06.2016
2023-08-30T12:30:03.7200Z
3 Min

Opposition ist Mist." Dieser Satz des früheren SPD-Partei- und Fraktionschefs Franz Münterfering mag vergangene Woche so manchem Innenexperten der Linken und der Grünen durch den Kopf gegangen sein bei der parlamentarischen Behandlung des neuen Anti-Terror-Pakets, das der Bundestag am Freitag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedete. Schon gegen die Aufsetzung des schwarz-roten Gesetzentwurfes "zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" (18/8702, 18/8917) auf die Tagesordnung hatten sich die Oppositionsfraktionen gesträubt, weil sie die in dem Paket enthaltenen "tiefen Grundrechtseingriffe" nicht in einem "Hauruck"-Verfahren beraten wollten - der Gesetzentwurf war erst in der vorherigen Sitzungswoche eingebracht worden, ein Änderungsantrag der Koalition folgte vergangene Woche. Die Große Koalition sah hingegen Eilbedürftigkeit und über die Oppositionseinwände weg.

Eklat im Ausschuss "Die Arroganz der 80-Prozent-Mehrheit" verhindere ein ordentliches Verfahren, hatte sich Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz schon zu Wochenbeginn geärgert, als es in der Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf zum Eklat kam. Aus Protest gegen das Eilverfahren und gegen die von der Koalition vorgenommene Benennung der Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Bundespolizei als Sachverständige verließen die Oppositionsfraktionen noch vor den Experten-Statements die Veranstaltung. Die drei Spitzenbeamten seien dem Bundesinnenministerium "weisungsunterstellt" und damit keine wirklich unabhängigen Experten, kritisierte die Opposition.

Gemeinsame Dateien So kam es ohne sie zu der Anhörung, bei der die drei Behördenchefs wenig überraschend den Gesetzentwurf begrüßten. Mit ihm wird das BfV zur Einrichtung gemeinsamer Dateien "mit wichtigen ausländischen Partnerdiensten, insbesondere der Nachbarstaaten und anderer EU- beziehungsweise Nato-Mitgliedsstaaten" befugt. Ferner soll die Bundespolizei wie bereits "nahezu alle Polizeien der Länder und das Bundeskriminalamt" die Befugnis erhalten, sogenannte Verdeckte Ermittler schon zur Gefahrenabwehr und nicht erst zur Strafverfolgung einzusetzen. Zudem ist unter anderem vorgesehen, Erbringer von Telekommunikationsdiensten zu verpflichten, die Identität von Prepaid-Kunden - zu deren Erhebung sie bereits nach geltendem Recht verpflichtet sind - anhand geeigneter Identitätsdokumente wie Personalausweise oder Reisepässe zu überprüfen. Eine mit Koalitionsmehrheit beschlossene Ergänzung enthält unter anderem eine Befugnis zur Speicherung von Daten Minderjähriger im Alter ab 14 statt wie bisher ab 16 Jahren in Dateien. In der Begründung dafür heißt es, dass unter den Leuten, die nach Syrien reisen und sich dort terroristischen Vereinigungen anschließen, auch Minderjährige unter 16 Jahren seien.

In der Debatte betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), wenn sich Terroristen weltweit vernetzten, dürfe "polizeiliche und nachrichtendienstliche Arbeit ebenfalls nicht an Staatsgrenzen haltmachen". Die "Kernregelung des Gesetzentwurfes" sei daher die Schaffung klarer Rechtsgrundlagen für gemeinsame Dateien des BfV mit ausländischen Nachrichtendiensten. Voraussetzung für solche Dateien sei die "Gewährleistung rechtsstaatlicher Standards einschließlich des nötigen Datenschutzniveaus". Mit der Neuregelung zu den Prepaid-Karten werde ebenfalls eine auch für den Anti-Terror-Kampf relevante Sicherheitslücke geschlossen. Der präventive Einsatz Verdeckter Ermittler der Bundespolizei sei wichtig, um die "abgeschotteten Strukturen der Schleuser" aufzubrechen.

Ulla Jelpke (Linke) äußerte verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Vorhaben. Bislang hätten internationale Geheimdienste nur im Einzelfall auf Ersuchen Daten austauschen dürfen. Künftig sollten sie dagegen einen "internationalen Datenpool schaffen, aus dem sie sich nach Gutdünken bedienen können - und zwar automatisiert und ohne Einzelfallprüfung".

Notz sah den Versuch einer "offenkundig verfassungswidrigen Legalisierung beim internationalen Daten-Ringtausch der Geheimdienste". Zwar sei beim Datenaustausch eine bessere Kooperation in Europa nötig sei, doch müsse dies rechtsstaatlich sein, was auf den Gesetzentwurf nicht zutreffe. Vielmehr werde nicht ausgeschlossen, "dass wir uns gemein machen mit den Geheimdiensten von Folterstaaten".

Anti-Terror-Zentrum Burkhard Lischka (SPD) beklagte, dass es bislang nicht eine Datenbank gebe, in der die Namen aller Syrien-Kämpfer und terroristischen Gefährder in Europa allen europäischen Sicherheitsbehörden zugänglich ist. Dieses "schwere Versäumnis" müsse dringend behoben werden, mahnte er. Zudem warb er für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Anti-Terror-Zentrums.

Auch Armin Schuster (CDU) verwies darauf, dass es bisher keine gesamteuropäische Datenbank für Terrorgefährder gebe. Nun plane ein Zusammenschluss der europäischen Nachrichtendienste, zum 1. Juli dieses Problem zu beseitigen. Damit sich Deutschland daran beteiligen könne, schaffe man dafür jetzt die gesetzlichen Grundlagen und wolle damit nicht bis September warten.