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AKTuelle Stunde : Hohe Wellen im Hohen Haus

Opposition fordert nach umstrittenen Minister-Äußerungen zu Attesten in Abschiebeverfahren de Maizières Rücktritt. Auch die SPD kritisiert den Ressortchef

27.06.2016
2023-08-30T12:30:03.7200Z
3 Min

Rücktrittsforderungen, Lügen-Vorwürfe, gegenseitige Angriffe unter Koalitionspartnern - die Wellen schlugen hoch im Bundestag, als das Hohe Haus vergangene Woche über umstrittene Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu ärztlichen Attesten in Abschiebeverfahren debattierte. "Tun Sie uns und dem Land den Gefallen: Treten Sie zurück", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Für Die Linke konstatierte deren Fraktionsvize Jan Korte, dass Minister "schon wegen bedeutend geringerer Verfehlungen" ihr Amt zur Verfügung gestellt hätten. Die Unions-Fraktion wies die Rücktrittsforderung als "Gaga" zurück.

De Maizière hatte in einem Interview kritisiert, es würden ,,zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt", und hinzugefügt, es könne nicht sein, "dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden". Im Bundestag verwies er darauf, diese Aussage bereits zurückgenommen zu haben. Er habe mit der Zahlenangabe "keine offizielle Statistik", sondern "einen Erfahrungswert" aus Gesprächen zu diesem Thema angeführt zu haben. "Ja, ich hätte diesen Prozentsatz so nicht nennen sollen", fügte er hinzu. Tatsache sei aber, dass es beim Thema Abschiebungen Probleme durch Krankschreibungen und Atteste gebe. So habe eine Evaluierung des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen habe ergeben, dass 70 Prozent der Ausreisepflichtigen psychische Erkrankungen als Vollzugsdefizit geltend gemacht hätten. "Derart hohe Zahlen über Krankenstände und Atteste" widersprächen jeder Lebenserfahrung.

»Nicht tragbar« Göring-Eckardt warf dem Minister vor, die Prozent-Angabe in die Welt gesetzt zu haben, ohne sie belegen zu können. Das sei ein "Affront gegen die Ärzteschaft", eine "Stigmatisierung von Flüchtlingen" und "Brennstoff für den Hass". Auch handele es sich nicht um de Maizières erste Äußerung dieser Art. So habe er behauptet, dass sich 30 Prozent der Flüchtlinge fälschlich als Syrer ausgeben würden. In Wahrheit sei es ein halbes Prozent gewesen. De Maizière sei als Innenminister nicht mehr tragbar und müsse den Weg frei machen "für faktenbasierte Politik".

Korte sagte, der Minister habe schon vor einiger Zeit von "den vielen Integrationsverweigerern gesprochen", dann aber nicht "eine wirkliche Zahl" nennen können, wie viele Integrationsverweigerer es denn gebe. "Das ist die Methode de Maizière, die einzig und allein das Klima vergiftet", fügte Korte hinzu. Der Ressortchef sei in den derzeit schwierigen Zeiten der "denkbar unpassendste Innenminister, den man sich nur vorstellen kann".

Lars Castellucci kritisierte, de Maizière habe deutlich gemacht, dass er inhaltlich nichts zurücknehme. "Das ist nicht ausreichend", monierte der SPD-Parlamentarier. Wenn de Maizière eine Behauptung nicht belegen könne, müsse er sie "richtig zurücknehmen". Es sei "eine Aussage in der Welt, die das soziale Klima in diesem Land vergiftet - das ist brandgefährlich", unterstrich Castellucci. Auch behaupte de Maizière immer wieder Dinge, hinter denen er am Ende nicht stehe.

Der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth empfahl im Gegenzug der SPD zu hinterfragen, warum sie in Umfragen hinter der Union liege: Das liege "daran, dass wir für Qualität stehen und dass Ihre Minister in den Ressorts, für die sie Verantwortung tragen, die Arbeit nicht so verrichten, wie es sein sollte".