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UMWELT I : Neue Regeln fürs Fracking

Koalition setzt künftige Ausrichtung der umstrittenen Fördertechnologie durch

27.06.2016
2023-08-30T12:30:04.7200Z
4 Min

Es ging dann doch recht flott: Nach intensiver Debatte hat der Deutsche Bundestag am Freitag das Fracking-Gesetzespaket der Bundesregierung in geänderter Fassung beschlossen. Erst vor den Fraktionssitzungen vergangenen Dienstag hatte die Koalition einen Durchbruch bei dem Thema verkündet, nachdem die Entwürfe nach ihrer ersten Beratung im Mai 2015 lange auf Eis lagen. Denn das Thema ist heftig umstritten: Die Fördermethode für Erdgas- und Erdöl ist wegen möglicher Umwelt- und Gesundheitsrisiken in der Kritik, zahlreiche Verbände und Organisationen hatten gegen das Vorhaben mobil gemacht. Auch zwischen und innerhalb der Koalitionfraktionen knatschte es.

Aus Sicht der Opposition geht der Kompromiss nicht weit genug. Sie forderte erneut ein Komplettverbot des Fracking-Einsatzes. Die Koalition hob hingegen in der Debatte vor allem die Änderungen an den Regierungsentwürfen hervor, insbesondere das unbefristete Verbot für sogenanntes unkonventionelles Fracking etwa in Schiefergestein. Auch die Einschränkungen beim konventionellen Fracking in Sandstein betonten die Koalitionäre. Dieses wird in Deutschland überwiegend in Niedersachsen bereits seit den 1960ern Jahren betrieben.

Nach dem verabschiedeten Gesetzespaket soll im Wasserhaushaltsgesetz die Förderung von Erdgas und Erdöl in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein ausgeschlossen werden. Im Regierungsentwurf war dieses nur für oberhalb von 3.000 Meter Tiefe unter Normalnull vorgesehen. Ausnahmen sind in dem geänderten Gesetzentwurf für insgesamt vier "Erprobungsmaßnahmen" zur wissenschaftlichen Untersuchung vorgesehen. Ursprünglich war die Zahl nicht begrenzt. Zudem muss nun auch die betroffene Landesregierung zustimmen. Auch die Rolle der Expertenkommission ist neu justiert worden. Sie soll nur noch berichten und kann einzelnen Fracking-Maßnahmen keine Unbedenklichkeit mehr attestieren, wie es der Regierungsentwurf noch vorsah.

In Hinblick auf das konventionelle Fracking schränkt die veränderte Fassung dessen Nutzung etwa im Einzugsgebiet eines Mineralwasservorkommens ein. Weitere Änderungen sind unter anderem im Hinblick auf die Ablagerung von Lagerstättenwasser vorgesehen. Zudem soll bei bergrechtlichen Haftungsfragen eine Beweislastumkehr zu Lasten der Förderunternehmen etabliert werden.

Matthias Miersch (SPD) sprach mit Bezug auf die Änderungen von einem "Riesenerfolg" für das Parlament. Viele der seit Einbringung des Gesetzes diskutierten Punkte seien angegangen worden, auch nachdem sich Bürger, Organisationen und Bundesländer eingebracht hätten. Es gebe nun erstmalig ein "klares Verbot für unkonventionelles Fracking" in Deutschland. Der Bundestag habe 2021 die Möglichkeit, dieses zu überprüfen: "Macht er nichts, bleibt dieses Verbot bestehen. Das ist das Entscheidende", stellte Miersch klar. Das Parlament müsse allerdings im Bezug auf konventionelles Fracking darauf achten, wie Industrie und Genehmigungsbehörden mit den neuen Gesetzen umgehen.

Sorgen und Ängste Herlind Gundelach (CDU) sagte, Koalition und Regierung hätten die Ängste und Sorgen der Bürger ernst genommen. Sie verwies darauf, dass künftig beim konventionellen Fracking höhere wasserrechtliche Maßstäbe an die Schädlichkeit der sogenannten Fracking-Fluide angelegt würden. Auch werde künftig häufiger eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig, etwa beim neugeregelten Umgang mit Lagerstättenwasser. Allerdings seien bei diesem politisch sehr aufgeladenen Thema auch viele "Fehlinformationen" unterwegs. Gundelach wies insbesondere die Kritik von Hubertus Zdebel (Die Linke) zurück: Die Koalition habe sich nicht von der Gasindustrie erpressen lassen, sagte sie.

Zdebel übte scharfe Kritik. Es handle sich um ein "Pro-Fracking-Gesetz". Die Gas- industrie erhalte genau das, was sie verlangt habe, nämlich Rechtssicherheit für das Tight-Gas-Förderung in Sandstein. Dies provoziere einen "Kampf um jedes Bohrloch". Ein ganzes Bundesland, sagte Zdebel mit Bezug auf Niedersachsen, solle "den Interessen der Gasindustrie geopfert werden". Hinzu käme - durch die möglichen Erprobungsmaßnahmen - eine Option für Schiefergasförderung. Zdebel verlangte ein generelles Verbot der "Risikotechnologie". Auch klimapolitisch sei dies sinnvoll, da die Klimabilanz von gefracktem Erdgas "miserabel" sei.

Wie auch Zdebel kritisierte Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) die Eile, mit der das Vorhaben nun beschlossen wurde. "Das ist kein sauberes parlamentarisches Verfahren", sagte die Grünen-Abgeordnete. Inhaltlich würden mit dem Gesetzespaket zwar einige Verbesserungen erzielt, das reiche den Grünen aber nicht. Es gebe zudem kein böses oder gutes Fracking, die Technologie sei dieselbe. Das Tight-Gas-Fracking, das in Niedersachsen zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte geführt habe, werde auch weiterhin erlaubt sein, monierte Verlinden. Nötig sei ein komplettes Verbot des Frackings im Bergrecht.

Abgestimmt In namentlicher Abstimmung stimmten bei den wasserrechtlichen Regelungen (18/4713, 18/4949, 18/8916); 435 Koalitionsabgeordnete für und 108 Oppositionsabgeordnete sowie Michael Fuchs (CDU) gegen den Entwurf, neun Koalitionäre enthielten sich. Bei den bergschadensrechtlichen Regelungen (18/4714, 18/4952, 18/8907) enthielten sich bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen die Grünen, die Linke stimmte dagegen. Entschließungs- und Änderungsanträge der Grünen (18/8925, 18/8926, 18/8927) und Linken (18/8931) scheiterten an der Koalitionsmehrheit.