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NsA-Affäre : Verdächtigungen und Vermutungen

Abteilungsleiter des Innenministeriums hält deutsche Beihilfe zum US-Drohnenkrieg für ausgeschlossen

11.07.2016
2023-08-30T12:30:04.7200Z
3 Min

Wieder ein Zeuge mit dem Drang, sich zu verteidigen. Stefan Kaller ist Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium, zuständig unter anderem für die Aufsicht über den Verfassungsschutz. Der heute 57-jährige Jurist hat mehr als anderthalb Berufsjahrzehnte im Dienst der Abwehr von Gefahren für Staat und Gesellschaft hinter sich, und was ihm derzeit erkennbar aufs Gemüt schlägt, ist das Misstrauen, das diese Tätigkeit hier und da auslöst.

Kolonne von Zeugen Um sich den Kummer einmal von der Seele zu reden, kam Kaller am vergangenen Donnerstag die Frage der CDU-Abgeordneten Nina Warken nach möglichen Zusammenhängen zwischen dem Wirken des Verfassungsschutzes und tödlichen Drohnenattacken in Pakistan oder Somalia offenbar wie gerufen. "Ich habe den Eindruck", hielt er den Mitgliedern des NSA- Untersuchungsausschusses vor, "dass es Leute gibt, die in der Vorstellungswelt leben, dass es für mich oder meine Mitarbeiter in irgendeiner Weise gleichgültig oder - ich wage es kaum auszusprechen - befriedigend ist, zu hören, dass Menschen in Kampfgebieten umkommen."

Gibt es Leute, die so über deutsche Sicherheitsbehörden denken? Gibt es sie womöglich auch im Ausschuss? Der befasst sich seit Monaten intensiv mit der Frage einer deutschen Verstrickung in den Drohnenkrieg der USA und hat mittlerweile eine ganze Kolonne von Zeugen gehört, die aussagten, sie könnten dazu nichts sagen. Von einer Relaisstation auf dem US-Stützpunkt Ramstein, die Funksignale zur Steuerung von Drohnen nach Afrika und in den Mittleren Osten vermitteln soll, sei der Bundesregierung nichts bekannt, und wenn der Verfassungsschutz die Mobilfunkdaten von Verdächtigen an befreundete Geheimdienste weitergebe, gehe er davon aus, dass diese allein nicht geeignet seien, Zielpersonen präzise zu orten.

Die Frage liegt nahe: Könnte es sein, dass die deutsche Seite so genau gar nicht Bescheid wissen will? Dass es den Zuständigen in Regierung und Geheimdiensten vielleicht nicht unlieb ist, wenn ein gefährlicher Islamist dank einer US-amerikanischen Hellfire-Rakete keine Gelegenheit hat, aus dem Dschihad nach Deutschland zurückzukehren? Vor dem Ausschuss verwahrte sich der Zeuge Kaller gegen solche Vermutungen energisch.

Bereits in seiner einleitenden Erklärung hatte er betont: "Alle Datenübermittlungen, so haben es mir meine Mitarbeiter versichert, finden auf gesetzlicher Grundlage statt." Was unter anderem bedeutet, dass schutzwürdige Belange des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden dürfen. Selbstverständlich sei auch für ihn und seine Kollegen jeder Tod eines Drohnenopfers ein "trauriges Ereignis", setzte Kaller jetzt hinzu: "Das nehmen wir sehr ernst. Wir können aber den Zustand in Kampfgebieten nicht unmittelbar beeinflussen."

»Kein Nachweis» In der Sache ließ er sich nicht anders ein als die Zeugen vor ihm. Auch er hält es für ausgeschlossen, dass deutsche Behörden durch Kooperation mit US-Geheimdiensten Beihilfe zum Drohnenkrieg geleistet haben könnten. Zwar sei bekannt, dass mehrfach Verdächtige zu Tode kamen, deren Mobilfunkdaten der Verfassungsschutz zuvor weitergegeben hatte. Aber das heiße nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang gebe.

Wer könne denn sagen, dass die Drohne genau diese Personen im Visier hatte und ihr Tod nicht vielmehr ein dummer Zufall war? Zu bedenken sei auch, wie außerordentlich kostspielig und technisch aufwendig jeder Einsatz sei: "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Amerikaner allein aufgrund der Ortung eines Handys eine Drohne anfeuern." Es gebe also "keinen Nachweis eines unmittelbar kausalen Verlaufs eines gelieferten deutschen Datums für einen tödlichen Angriff", argumentierte Kaller.

Lob für Maaßen Einen Zeugen mit vergleichbarem persönlichen Erklärungsbedarf hatte der Ausschuss bereits vier Wochen zuvor erlebt. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hatte die Abgeordneten mit der These irritiert, ihr Ermittlungseifer behindere den Kampf gegen den Terror. Kaller nutzte seinen Auftritt, um auch ihn zu verteidigen: Maaßen sei ein "außerordentlich erfolgreicher, sehr, sehr guter Präsident seiner Behörde. Ich bin froh, dass wir ihn haben."