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wirtschafT I : Höchste Export-Wellen

Opposition kritisiert anhaltende Rekorde bei den deutschen Waffenausfuhren

11.07.2016
2023-08-30T12:30:04.7200Z
4 Min

Sturmgewehre, Panzerfäuste und Handgranaten - Exporterlaubnis je nach betroffenem Empfängersaat mal ja, mal nein: Zu einem "diplomatischen Desaster" könne das führen, ist sich Jan van Aken (Die Linke) im Klaren. Einerseits. Andererseits: "Die tödlichsten Waffen sind die Kleinwaffen." Seine Lösung: "Immer Nein" - generelles Verbot in Deutschland für die Ausfuhr zumindest dieser Kleinwaffen. Dafür plädierte er am vergangenen Freitag im Bundestag in einer Debatte zu drei Anträgen seiner Fraktion, die unter anderem einen Waffenexport-Stopp in die Golfregion gefordert hatte. Der Widerspruch der Koalitionsfraktion kam prompt.

Unterschiedliche Bewertung auch in einem weiteren Punkt: Van Aken will das "System" der Genehmigungspraxis geändert sehen. Eine "radikale Kehrtwende" forderte auch Agnieszka Brugger von den Grünen. Dagegen verteidigten die Koalitionsfraktionen das gegenwärtige Vorgehen als jetzt schon "klar geregelt" (Klaus-Peter Willsch, CDU) und "restriktiv" (Ulrich Hampel, SPD)

In der Debatte bezeichnete van Aken das System der Genehmigungen als "butterweich" und "kaputt". Derzeit würden Rüstungsgüter auch "an die schlimmsten Menschenrechtsverletzter" geliefert. Der Umfang der deutschen Rüstungsexporte sei stets gewachsen und werde ohne eine Änderung "immer steigen - egal, wer regiert". Van Aken schlug "definierte, gesetzliche Verbote" vor. Derzeit sei ein Nein "nicht nachhaltig"; die Nachfolge-Regierung könne es ändern. Und: Jetzt würden immer Einzelfallentscheidungen getroffen. Was bedeute: "Alles ist erlaubt." So stünden 12.000 Exportanträgen, die 2015 gestellt worden seien, gerade mal 100 Ablehnungen gegenüber. Er lobte den Minister für Wirtschaft und Verkehr, Sigmar Gabriel (SPD), dafür, dass er die Lieferung weiterer Komponenten für eine Gewehrfabrik in Saudi-Arabien gestoppt habe. Ansonsten ging van Aken mit dem Minister hart ins Gericht: Er habe sich im Wahlkampf für eine Reduzierung der Rüstungsexporte eingesetzt, aber "nullkommanichts" erreicht.

Hans-Peter Willsch (CDU) hielt van Aken vor: "Es ist schwer erträglich, in welcher Selbstgefälligkeit Sie sich suhlen." Bei einem generellen Exportverbot für Kleinwaffen wären etwa die kurdischen Peschmerga-Soldaten nicht in die Lage versetzt worden, "ihren gerechten Kampf" gegen den "Islamischen Staat" zu führen. Willsch strich heraus, dass es "klare Regeln" für die Ausfuhr von Rüstungsgütern gebe. Insgesamt habe es bei den Genehmigungen in "großer Kontinuität" eine "große Zurückhaltung" gegeben. Die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf Genehmigung. Eine Ablehnung erfolge etwa "bei hinreichendem Verdacht auf Menschenrechtsverletzungen". Willsch gab zu, dass "die arabische Halbinsel alles andere als ein Garten Eden" sei. Doch auch gegenüber den Staaten in dieser Region sei "ein flexibles Handeln von Fall zu Fall" vonnöten. Deutschland müsse sicherheitspolitische Partnerschaften etwa im Kampf gegen den Terror beachten. Rüstungsexporte seien sinnvoll "zum Wohle der deutschen Industrie, aber auch der internationalen Partner".

Agnieszka Brugger (Grüne) geißelte einen "beschämenden Rekord der sicherheitspolitischen Verantwortungslosigkeit". Es sei "höchste Zeit" für eine Umkehr. 2015 sei der höchste Wert an Rüstungsexporten seit Beginn der Berichtspflicht erreicht worden. Den Verweis Gabriels auf "Sonderfaktoren" - "nur ein Ausreißer nach oben" - ließ sie nicht gelten. Es grenze überdies "fast an Lüge", wenn der Minister behaupte, frühere Entscheidungen könnten nicht widerrufen werden. Das zeige das Beispiel Russland. Damit stehle sich Gabriel nur aus der Verantwortung. Entscheidend sei: "Der politische Wille der Regierung muss geändert werden." Ein möglicher Schadenersatz an Unternehmen sei "weniger schlimm" als die Verantwortung für "blutige Gewalt". Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe "den Vogel abgeschossen", als er dazu aufgerufen habe, die Richtlinien für Rüstungsexporte zu lockern, um die Zusammenarbeit in Europa nicht zu gefährden.

Ulrich Hampel (SPD) versicherte, seine Fraktion begrüße es ausdrücklich, dass das Thema Rüstungsexporte stärker in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sei. Gabriel habe dafür gesorgt, dass "endlich mehr Transparenz" herrsche und die "Geheimhaltungspraxis beendet" worden sei. Das deutsche Vorgehen sei "restriktiv nach klaren Regeln und hohen Maßstäben". Das betreffe auch die Golfregion. Doch auch für diese Staaten gelte: "Ein generelles Exportverbrot lehnen wir ab." Denn es könne sich erweisen: "Wer nicht liefert, macht sich auch schuldig." Bei der Ablehnung der Ausfuhr von Komponenten der Gewehrfabrik nach Saudi-Arabien habe die Bundesregierung "verantwortungsvoll agiert". Der Export von Kleinwaffen werde zurückhaltend gehandhabt. Von 2014 auf 2015 sei das Volumen von 47 auf 32 Millionen Euro gesunken. Genehmigungen rückgängig zu machen, sei "nicht so einfach". Es könne zu "Entschädigungen in Millionen- und Milliardenhöhe" kommen.

Ausgangspunkt der Debatte war ein Antrag der Linksfraktion (18/8930), Genehmigungen für Rüstungsexporte in die Staaten des Golfkooperationsrates zu widerrufen und keine neuen zu erteilen. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an die Ausschüsse verwiesen. Ein älterer Linken-Antrag (18/768, 18/1674) wurde mit der Koalitions-Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.

Intervention im Jemen Zudem ging es um einen Antrag der Grünen (18/5380), mit dem die Beendigung der militärischen Intervention im Jemen und der Beginn neuer Friedensverhandlungen gefordert wird. Der Bundestag lehnte ihn mit den Stimmen der Koalition gegen das Votum der Opposition ab und folgte damit einer Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/6145).

In dem nun an die Ausschüsse überwiesenen Antrag fordert die Linksfraktion die Bundesregierung dazu auf, keinen Export von Rüstungsgütern und Waffenfabriken in die Staaten des Golfkooperationsrates mehr zu genehmigen. Erteilte Genehmigungen sollen widerrufen werden. Die Mitgliedstaaten des Kooperationsrates, Bahrein, Kuwait, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, seien Teil einer Koalition, die im März 2015 mit einer militärischen Intervention im Jemen begonnen habe. Es habe über 6.000 zivile Todesopfer und Zehntausende Verletzte gegeben.