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Abseits der Politik : Vertrauen Sie mir?

Im Revier, in der Bankfiliale oder am Krankenbett - das Zwischenmenschliche zählt

29.08.2016
2023-09-22T12:01:27.7200Z
9 Min

Der Polizist

Auf Streife: Heiko Höpner sucht den Kontakt zum Bürger

Mein schlimmster Moment als Polizist war, als ich gesehen habe, wie sich ein Mann selbst erschossen hat. Er saß an einer Straßenecke im Auto. Irgendwas war daran seltsam. Mein Kollege und ich haben ihn angesprochen. Da zog er eine Waffe und hielt sie sich an den Kopf. Er sagte: "Das gilt nicht euch" - und drückte ab. Die Kugel ging durchs Dach, nur knapp an mir vorbei.

So etwas ist mir nie wieder passiert. Seit 1989 bin ich Polizist, davor war ich beim Bundesgrenzschutz, und habe auch öfter eine Waffe in der Hand gehabt. Abgefeuert habe ich sie zum Glück nie. Von Anfang an habe ich im Polizeikommissariat 16 in der "Schanze", dem Hamburger Schanzenviertel, gearbeitet. In dieser Gegend bin ich teilweise aufgewachsen, mein Vater war Hausmeister an der Schule nebenan. Ich habe mich da sofort wohlgefühlt.

Heute bin ich Polizei-Oberkommissar und seit acht Jahren "Bünabe", also Bürgernaher Beamter - so hieß das zumindest früher. Das ist ein besonderer Fußstreifendienst, den man erst ab 40 machen darf. Wir leisten Präventionsarbeit in Schulen und sind Ansprechpartner für die Menschen im Viertel. Man kennt sich, trinkt auch mal einen Kaffee zusammen. Unsere Aufgabe ist es, Vertrauen zu schaffen. Wir zeigen den Bürgern, dass die Polizei nicht nur ein Verwaltungsapparat ist, sondern dass dort Menschen arbeiten. Das ist eine wirklich schöne Aufgabe, die Leute erzählen uns viel, gerade die Älteren fassen Vertrauen zu uns. Man könnte sagen, ich habe die angenehmere Seite des Jobs erreicht.

Da die Polizei chronisch unterbesetzt ist, kommt es allerdings zu Situationen, wo wir im Streifenwagen zu Einsätzen mitfahren müssen. Das bringt uns in der Vertrauensfrage in eine schwierige Situation. Plötzlich müssen wir da durchgreifen, wo wir sonst Kaffee trinken. Zum Glück ist das aber selten.

Früher war das anders, da war ich Zivilfahnder auf dem Hamburger Dom und gehört zu den szenekundigen Beamten vom FC St. Pauli. In dieser Szene ist das Verhältnis zur Polizei nicht so gut. Bei normalen Fans waren wir gern gesehen und hatten gute Kontakte, aber bei den Hooligans natürlich nicht. Heute sind die Krawall-Fans von damals erwachsen, viele haben selbst Kinder, und manchmal trifft man sich wieder - dann ist es schon witzig, sich zu unterhalten.

Anfang der 1990er-Jahre war ich bei der zivilen Truppe, war für die "Rote Flora" zuständig, die linke Szene. Wir hatten damals Zwölf-Stunden-Dienste und waren gerade bei Großveranstaltungen, Demos und auch Hausbesetzungen im Einsatz. Auch beim Schanzenfest war ich in zivil im Einsatz. Heute bin ich nur tagsüber da, sehe nach dem Rechten und unterhalte mich. Wenn am Abend die Stimmung umschlägt, stehen die Einsatztruppen schon bereit. Die Situation in der Schanze ist schon besonders, bis heute. Aber als Konflikt mit den Bürgern dort würde ich es nicht bezeichnen. Der Hass kommt nicht aus dem Viertel, wenn es Krawalle gibt, sind viele gar nicht von dort.

Klar, für einige Leute ist der Polizist einfach das Feindbild, aber das ist mein Beruf, das gehört dazu. Man muss einfach damit leben, dass die Menschen immer nur schlechte Erlebnisse und Erfahrungen mit der Polizei erzählen. Kaum einer lobt eine positive Begegnung. Wir sind die, die immer Schuld sind, auch bei jedem Strafzettel fürs Falschparken - obwohl wir die gar nicht verteilen.

Bei der Polizeiarbeit begegnen einem immer wieder schlimme Dinge, vor allem die Drogentoten aus den Hochzeiten sind mir in Erinnerung geblieben. Da hat man den Dreck und das ganze Elend gesehen. Die guten Dinge sind nicht so eindrucksvoll, sie sind mir aber besonders wichtig. Wenn man den Leuten helfen kann, sie einem Vertrauen schenken. Als "Bünabes" machen wir manchmal die Arbeit von Sozialarbeitern. Wenn es um Einsparungen geht, wird häufig die Frage gestellt, ob das, was wir machen, überhaupt noch Polizeiarbeit ist. Aber das ist es, und es ist wichtig, dass wir da sind. Ich bin 53, sieben Jahre sind es noch bis zur Pensionsgrenze, und ich habe vor, die auf der Straße zu verbringen, um für die Menschen da zu sein. Am Schreibtisch sitzen kommt für mich nicht in Frage.

Aufgezeichnet von Mirjam Rüscher

Die Autorin arbeitet als  freie Journalistin in Hamburg.

Die Bankerin

Geldexpertin: Eva Wunsch-Weber setzt auf Werte

Vertrauen spielt im Wirtschaftsleben insgesamt eine immens große Rolle. Es ist für mich als Bankerin, die den Beruf von der Pike auf gelernt hat, die grundlegende Basis für die Antwort auf die Frage, mit wem ich zusammenarbeite, wem ich mein Geld anvertraue, wo und wie ich investiere, wie ich Dinge im Leben absichere.

Für uns als Bank ist Vertrauen noch wichtiger als in anderen Lebensbereichen, weil die Menschen uns ja nicht nur gefühlsmäßig vertrauen, sondern uns ihr Vermögen anvertrauen. Menschen wollen, dass wir mit ihrem Geld verantwortungsbewusst umgehen, sie wollen einen verlässlichen Partner an ihrer Seite wissen, der ihre finanziellen Entscheidungen begleitet.

Das ist wie in einer Lebenspartnerschaft: Auch hier bildet das Vertrauen eine, ja die wesentliche Grundlage. Vertrauen hat im Privaten wie im Geschäftlichen verschiedene Aspekte. Zum einen müssen sich die Partner erst einmal vergewissern, dass sie sich von denselben Werten leiten lassen. Zweitens muss jede Seite sicher sein, dass die jeweils andere verlässlich ist, zu ihrem Wort steht. Zum dritten ist eine offene und kommunikative Ebene wichtig für eine gesunde Vertrauensbasis. Das geht nicht von heute auf morgen, das baut man langfristig auf. Unser Haus ist fast 155 Jahre alt. Und wenn man sich die Beziehungen gerade zu den mittelständischen Kunden anschaut, dann arbeitet eine große Zahl von ihnen schon über Generationen mit uns zusammen.

Wir orientieren uns an dem Begriff des ehrbaren Kaufmanns. Das bedeutet, dass wir verantwortungsbewusst handeln. So verkaufen wir zum Beispiel keine Kundenforderungen an Dritte. Bei uns im Haus gibt es auch keine Einzelziele: Das heißt, wenn Sie heute als Kunde in unsere Bank kommen, dann wissen Sie, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin unseres Hauses mit Ihnen als Kunde eine Beziehung, eine Partnerschaft aufbauen will, die auf Vertrauen basiert. Und daraus entwickeln sich dann die geschäftlichen Dinge, oft über Jahrzehnte und Generationen hinweg.

Orientierung nach Krise  Die Finanzkrise hat das Vertrauen zu den Banken beschädigt. Mir steht es nicht an, über andere Banken ein Urteil zu fällen, die durchaus komplexere Strukturen haben. Wir haben damals aber wahrgenommen, dass Kunden eine Orientierung suchen. Sie wollten wissen, ob ihre Bank in problematische Geschäfte auf den Geld- und Kapitalmärkten involviert war und ob sie solche Produkte angeboten oder verkauft hat. Heute sind diese Entwicklungen für unsere Kunden Vergangenheit, stattdessen stellen sie in Zeiten der Niedrigzinsen die Frage, was mit ihrem Vermögen passiert. Die Geldanlage wird schließlich immer schwieriger. Wird mein Vermögen das bleiben, was es ist? Wird es sich mehren? Das wollen die Kunden wissen. Hier muss ich meiner Bank vertrauen können.

Anfang des Jahrtausends lebte die Branche in dem Gefühl, dass es keine Grenzen bei der wirtschaftlichen Entwicklung gibt. Im Nachhinein betrachtet sagt jeder, man ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Dann gab es zwei klare Justierungen: Eine Bankenaufsicht, die sich international aufstellt und die Tatsache, dass jede Bank sich gefragt hat, welche Lehren sie aus der Entwicklung zieht - auch unser Haus. Die Volksbanken haben zwar die Finanzkrise nicht verursacht, sie waren an ihr nicht beteiligt und sie wurden durch diese deshalb auch nicht erschüttert. Doch wir haben trotzdem auch eine Lehre daraus gezogen: Man muss sich täglich seiner Werte rückvergewissern, um das Vertrauen der Menschen nicht zu verlieren.

Aufgezeichnet von  Lukasz Galkowski

Der Autor arbeitet als freier  Journalist in Frankfurt am Main.

Biographisches:  Eva Wunsch-Weber ist die einzige Frau an der Spitze einer großen Genossenschaftsbank in Deutschland. Ihre Karriere begann mit einer Banklehre in Freiburg, danach absolvierte sie ein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Mannheim. Nach einer Traineeausbildung hat sie sich entschieden, zur Frankfurter Volksbank zu wechseln. Sie hat dort in der Hauptfiliale im Firmenkundenbereich begonnen, 1997 die Leitung des Vorstandsstabes übernommen, ist 2008 in den Vorstand berufen worden und seit 2012 als Vorstandsvorsitzende tätig.

Der Arzt

Gesundheit: Thomas-Peter Ranke erlebt aktive Patienten

Ich bin seit mehr als 25 Jahren Arzt und seit neun Jahren ärztlicher Leiter meines Krankenhauses. Wir haben hier in Hohwald ein Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung, insgesamt werden bei uns fast 4.000 Patienten im Jahr operiert.

Ich habe schon den Eindruck, dass sich das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten in den vergangenen Jahren verändert hat. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass Patienten ihrem behandelnden Arzt von Anfang an uneingeschränkt vertrauen und das, was er sagt und tut, nicht in Zweifel ziehen. Die Zeiten der "Halbgötter in Weiß" sind vorbei. Patienten haben heute eine ganz andere Haltung als früher: Sie empfinden sich als gleichberechtigt, wollen mitbestimmen und haben ein verstärktes Rechtsbewusstsein. Sie wollen ihre Behandlung und auch die Entscheidung darüber, was getan wird, aktiv beeinflussen - das betrifft dann auch schon mal die Frage, ob und wie operiert wird.

Den Grund für diese Entwicklung sehe ich in einem tiefgreifenden sozialen Wandel: Den Menschen geht es gut, sie verdienen immer besser und haben Zugang zu Informationen. Das führt auch zu mehr Selbstbewusstsein und dem Wunsch, Einfluss auf wichtige Fragen zu nehmen. Gleichzeitig haben wir es aber im medizinischem Bereich mit einem immer höheren ökonomischen Druck zu tun: Die Zeit, die wir für jeden einzelnen Patienten aufwenden können, ist extrem limitiert. Das macht es häufig schwer. Denn die Patienten erwarten zu Recht, dass man mit ihnen ausführlich über ihre Behandlung spricht - dafür müssen wir Ärzte uns heute viel mehr Zeit nehmen als früher. Ich plädiere sehr dafür, dass wir gerade im Bereich der Beratung noch stark investieren, auch wenn nicht abgerechnet werden kann.

Meiner Meinung nach hat sich aber nicht nur das Vertrauen, dass Patienten ihrem Arzt entgegen bringen, verändert. Auch auf der Seite der Behandelnden hat sich viel verändert: Sie müssen heute ja viel stärker damit rechnen, verklagt zu werden als früher. In welche Richtung das läuft, kann man am Beispiel der USA beobachten - ich bin mir sicher, dass wir mit einer Verzögerung von etwa zehn bis 15 Jahren den gleichen Weg nehmen. Das führt dazu, dass wir Ärzte uns immer stärker schriftlich absichern müssen. Heute muss jedes Gespräch, das ich mit meinen Patienten führe, dokumentiert werden: Schließlich könnte alles juristisch relevant werden.

Auch die Zahl der Patienten, die skeptisch dem gegenüber sind, was ihre Ärzte ihnen sagen, wächst. Ich habe mindestens ein oder zwei Patienten pro Woche, die an dem zweifeln, was ihnen ein anderer Arzt gesagt hat. Diese Zweitmeinungs-Verfahren nehmen immens zu. Ich finde es grundsätzlich auch total in Ordnung, dass man sich bei so wichtigen Eingriffen den Rat mehrerer Experten einholt. Ich halte es aber nicht für gut, wie das in der Praxis läuft: dass nämlich derjenige, der sich neutral äußern sollte, unter Umständen auch derjenige ist, auf dessen OP-Tisch der Patient landet. Eigentlich bräuchten wir für diese Zweitmeinungs-Verfahren einen unparteiischen Dritten, der in keinem Fall davon profitiert, wie der Patient sich letztlich entscheidet.

Natürlich genießen Ärzte unabhängig von diesen Fragen immer auch einen gewissen Vertrauensbonus: Ein Mensch, dem es schlecht geht und der auf Hilfe angewiesen ist, tendiert eher dazu, seinem Gegenüber, dem er ja in gewisser Weise ausgeliefert ist, zu vertrauen und will glauben, in guten Händen zu sein. Das dürfen wir nicht enttäuschen. Für jedes Krankenhaus ist es überlebenswichtig, einen guten Ruf zu haben, dem auch Menschen vertrauen, die noch nicht selbst in Behandlung waren und keine eigenen Erfahrungen haben. Das kann man schnell durch Fehler ruinieren. Für uns ist es deshalb wichtig, dass die Qualität auf allen Ebenen stimmt und dass unsere Patienten sicher sein können, von allen Beteiligten - und das umfasst sowohl die ärztliche als auch die pflegerische Behandlung bis hin zur Verwaltung - fair und gut behandelt zu werden; ganz unabhängig von ihrem Versicherungsstatus.

Ich selbst habe es natürlich ein bisschen leichter, in Sachen Medizin zu vertrauen: Als Arzt habe ich den Vorteil, viele Kollegen zu kennen und von vornherein zu demjenigen zu gehen, bei dem ich ein gutes Gefühl habe. Grundsätzlich bin ich aber davon überzeugt, dass auch medizinische Laien in Deutschland den Ärzten im Allgemeinen mit gutem Gewissen vertrauen können.  

Aufgezeichnet von  Susanne Kailitz

Die Autorin arbeitet als freie  Journalistin in Dresden.