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Silvester : Mit Ekel ins neue Jahr

Nach den Exzessen gegen Frauen sollen das Ausweisungs- und Sexualstrafrecht verschärft werden

18.01.2016
2023-11-08T12:41:31.3600Z
4 Min

zwei Wochen nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln lag die Zahl der Strafanzeigen Mitte vergangener Woche bereits bei der 600-er Marke. Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen lag am Mittwoch bei 24, wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) dem Innenausschuss des Bundestages berichtete, darunter seien zwölf Marokkaner und sieben Algerier. Die für Europa beispiellosen und nicht nur für Frauen alptraumhaften Exzesse der Silvesternacht, von denen neben Köln auch andere deutsche Städte wie Hamburg und Stuttgart betroffen waren, schlagen weiter hohe Wellen. Unmittelbar nach der Sitzung des Innenausschusses beriet der Bundestag in seiner ersten Debatte im neuen Jahr über Konsequenzen aus den Ereignissen vom Jahreswechsel; mit einer Reihe weiterer Gesetzesinitiativen zur Asylpolitik (siehe Beitrag unten) war die Flüchtlingsfrage ohnedies ein bestimmendes Thema der zurückliegenden Sitzungswoche des Parlaments.

Einmütige Verurteilung In der Verurteilung der Übergriffe waren sich Regierungskoalition und Opposition in der Aussprache ebenso einig wie in ihrer nicht minder entschiedenen Ablehnung rassistischer Hetze gegen Flüchtlinge als Folgereaktion auf die Kölner Vorkommnisse. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), bekräftigten zudem die Regierungspläne zur Verschärfung des Ausweisungs- und des Sexualstrafrechts.

Schröder mahnte mit Blick auf die "vielen Hunderttausend Flüchtlinge in unserem Land, die sich nichts zuschulden kommen lassen", niemand dürfe "die furchtbaren Straftaten der Silvesternacht mit Hass und Rassismus beantworten". Er hob zugleich die Verständigung zwischen Maas und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hervor, die Hürden für die Ausweisung ausländischer Straftäter "deutlich" abzusenken. Auch werde straffälligen Asylsuchenden künftig konsequenter die Anerkennung als Flüchtling verwehrt.

Maas betonte, für Übergriffe auf Frauen gebe es keine Rechtfertigung. Auch ein "möglicher kultureller Hintergrund" entschuldige nichts und sei "nicht einmal als Erklärung akzeptabel". Die vorgeschlagenen Änderungen im Ausweisungsrecht seien angemessen und notwendig. Zudem würden mit Änderungen im Sexualstrafrecht Frauen besser vor sexueller Gewalt geschützt (siehe Seite 3). Auch müssten die Behörden genug Personal haben, um das Recht umsetzen zu können, fügte Maas hinzu und verwies wie Schröder darauf, dass im Bundesetat 3.000 zusätzliche Stellen für die Bundespolizei ausgewiesen seien. Er unterstrich zugleich, dass "viele Täter in Köln Migranten waren", aber auch die pauschale Hetze gegen Flüchtlinge, die danach eingesetzt habe, "widerlich" sei.

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) sagte, in der Silvesternacht hätten "viele Männer aus anderen Ländern", die hier Schutz suchten, Frauen Schutz genommen. Dies müsse ausgesprochen werden, alles andere wäre "Wasser auf die Mühlen von Rechtsextremisten". Für sexistische Gewalttäter sei in Deutschland genauso wenig Platz wie für Rassisten.

Für Die Linke forderte ihre Parteivorsitzende Katja Kipping, die Täter der Silvesternacht "nach den Regeln der Gesetze" zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei dürfe es "weder einen Bonus noch einen Malus für die Herkunft geben". Sexismus sei "keine Importware aus dem Ausland, sondern leider fester Bestandteil unserer Gesellschaft". fügte Kipping hinzu. Sexualisierte Gewalt müsse auch dann bekämpft werden, "wenn die Täter nicht die vermeintlich Fremden sind". Nötig sei, Schutzlücken im Sexualstrafrecht zu schließen, statt Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen.

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wandte sich nachdrücklich dagegen, "dass, wenn ein Täter - oder seien es auch zehn, 20 oder 100 - ein Flüchtling war, alle Flüchtlinge zu potentiellen Tätern gemacht werden". Deshalb brauche es Aufklärung und keine "Schnellschüsse". In Köln und anderswo habe es an genügend Polizei gefehlt. Daher müsse die Koalition für mehr Polizisten sorgen. Auch wenn es richtig sei, aus Straftaten auch ausländerrechtliche Konsequenzen zu ziehen, solle die Koalition nicht so tun, als wäre das die "zentrale Antwort". Schließlich wisse auch die Regierung, dass Abschiebungen etwa nach Syrien nicht möglich seien.

Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) mahnte, die geltenden Regeln und Gesetze konsequent durchzusetzen. Rechtsfreie Räume dürfe es nicht geben. Die 3.000 zusätzlichen Stellen für die Bundespolizei dürften "ein Vorbild auch für die Landespolizeien sein". Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl forderte 12.000 zusätzliche Polizisten in Bund und Ländern, die vor allem die öffentlichen Plätze stärker sichern müssten. "Es darf in Deutschland keine Angsträume geben", sagte sie.

Kurskorrektur gefordert Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte eine "politische Kurskorrektur" in der Flüchtlingspolitik. Es sei richtig, dass das Asylrecht keine Obergrenzen kenne, doch bedeute dies nicht, "dass wir eine völlig unbegrenzte Aufnahmefähigkeit haben", argumentierte er und warnte vor einer Überforderung des Landes. Notwendig sei, den "Kontrollverlust, den wir seit Sommer vergangenen Jahres haben", möglichst rasch zu beenden.