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Landwirtschaft : TV-Bericht mit Folgen

Die Opposition fordert nach »Panorama«-Beitrag mehr Einsatz für den Tierschutz. Christdemokrat attackiert öffentlich-rechtlichen Rundfunk

04.10.2016
2023-08-30T12:30:08.7200Z
4 Min

Die von der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch im ARD-Magazin Panorama veröffentlichten Aufnahmen von verdreckten, geschwächten Schweinen und verwundeten Puten verstören die Fraktionen des Bundestages auf unterschiedliche Weise. In einer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangten Aktuellen Stunde zu dem Thema "Konsequenzen aus Berichten über nicht tragbare Verhältnisse in Tierställen" haben die Abgeordneten vergangene Woche über die dokumentierte tierschutzwidrige Haltung von Nutztieren in Ställen von führenden Vertretern der Landwirtschaftsbranche erbittert gestritten. Während sich die Grünen über die Bilder empörten, regte sich die Union über die Art und Weise der Beschaffung des Materials auf.

"Das sind nicht die schlechten Ställe von schwarzen Schafen der Branche", ärgerte sich Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen), als er von den "schrecklichen Bildern aus dem inneren der deutschen Masttierbetriebe" sprach. Es seien Höfe der Spitze der Veredelungswirtschaft betroffen, die in der Öffentlichkeit über Tierwohl philosophieren und zu Hause davon weit entfernt seien. Ostendorff machte die Landwirtschaftspolitik von Bundesminister Christian Schmidt (CSU) dafür verantwortlich, die dazu führe, dass die Bauern zwischen schlechten Handelspreisen für ihre Produkte und den hohen Erwartungen der Verbraucher aufgerieben würden.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte den Kurs der Union, der nur an einer freiwilligen Selbstverpflichtung wie in der Brancheninitiative "Tierwohl" zur Verbesserung der Verhältnisse festhalte. In der Initiative Tierwohl arbeitet der Einzelhandel mit den Landwirten und dem verarbeitenden Gewerbe zusammen. Tierhalter sollen besser dafür bezahlt werden, wenn den Tieren mehr Platz, Einstreu oder Beschäftigung während der Aufzucht gewährt wird. Pro verkauftem Kilogramm Fleisch erhält die Initiative vier Cent vom Einzelhandel, die den Tierhaltern zugutekommen. Jedoch gab der Deutsche Tierschutzbund vor kurzem bekannt, die Initiative verlassen zu wollen, weil die Ziele nicht ambitioniert genug gesteckt seien.

Auch deshalb forderten die Grünen in einer weiteren zum Tierschutz angesetzten Debatte am Freitag in einem Antrag (18/9798) die grundsätzliche Novellierung des Tierschutzgesetzes. Die Bundesregierung müsse die "Missstände und den Stillstand beim Tierschutz" beenden, das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen einführen und eine Überprüfung der Haltung von Sauen in Kastenständen vornehmen. Der Antrag wurde von den Fraktionen in den federführenden Landwirtschaftsausschuss überwiesen.

Kritik am Beitrag Heftig getadelt wurde indes der Panorama-Beitrag von Dieter Stier (CDU). Zwar sei eine kritische Befassung mit den angeprangerten Zuständen geboten, aber die gezeigten Bilder bildeten nicht den Alltag oder einen Dauerzustand in der deutschen Tierhaltung ab. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle durch objektive Berichterstattung aufklären, habe sich aber in dem Beitrag parteiisch gezeigt. "Keinem der Bilder konnte entnommen werden, ob eine Behandlung erfolgt ist", kritisierte Stier. Erkrankungen und Verletzungen könnten in konventionellen wie in biologischen Betrieben vorkommen. Durch die Berichterstattung sei aber die Schlussfolgerung suggeriert worden, dass die gezeigten Zustände die gesamte Tierhaltung widerspiegeln. Hingegen seien die Einbrüche in die Anlagen in der Öffentlichkeit relativiert worden. Stier erkannte darin eine "Verschiebung des Wertesystems", die er nicht mittragen wolle.

Auch Rita Stockhofe (CDU) kritisierte scharf, dass die Missstände nicht beim Veterinäramt angezeigt worden seien. Es dürfe außerdem nicht sein, dass in Ställe eingebrochen werden darf, ohne dass die Justiz das ahndet. Bauernfamilien könnten sich auf ihren eigenen Höfen nicht mehr sicher fühlen, wenn Einbrecher keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten müssen. Zudem monierte die Unionsabgeordnete, dass Äußerungen von Stallbesitzern zu den Fällen vorgelegen hätten, aber nicht gesendet worden seien. Sie unterstellte eine Absicht seitens des Vereins Animal Rights Watch, der die Bilder lange liegen gelassen und nicht zeitnah veröffentlicht habe.

Kirsten Tackmann (Die Linke) bezeichnete die "Ausflüchte der Verantwortlichen als unerträglich". Dass die Tierschutzorganisation allerdings das tierschutzwidrige Verhalten nicht zeitnah angezeigt hatte, "riecht nach Kampagne und ist auch nicht in Ordnung". Teile der Aufnahmen seien bereits vor langer Zeit erstellt worden. Doch Tackmann fasste die Problemanalyse allgemeiner: "Es läuft etwas schief in unserem Land, wenn die, die unsere Ernährungsgrundlage sichern, nicht davon leben können." Tiere und Menschen würden zur Ware degradiert, die möglichst billig sein soll. Aber dagegen könne etwas gemacht werden, denn das verarbeitende Gewerbe und der Handel würden die Rahmenbedingungen setzen. Auch der Bund und die Bundesländer trügen Verantwortung. "Das Personal bei den Kontrollbehörden ist so gering, dass eine vernünftige Überwachungsdichte gar nicht realisiert werden kann."

Ökonomische Zwänge Ein Befund, den Christina Jantz-Hermann (SPD) in mancher Hinsicht teilte. Die Sozialdemokratin sah die konventionelle Landwirtschaft als gefährdet an, den Tierschutz hinter ökonomischen Zwängen zurückstellen zu müssen. "Die Kontrollmechanismen vor Ort greifen nicht", monierte sie. "Die Kontrollbehörden müssen ihre Arbeit kritisch hinterfragen." Es sei "leider" der Fall, dass sich die illegale Beschaffung von Bildmaterial bisher als effektivstes Kontrollmittel erweise. "Die relativ hohen Tierschutzstandards in Deutschland dürfen nicht nur gepriesen werden", sondern es müsse auch mehr dafür getan werden. "Minister Schmidt, Sie müssen deutlich aktiver werden in Sachen Tierschutz", forderte schließlich auch Jantz-Hermann die Novellierung des Tierschutzgesetzes ein. Jan Eisel