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RENTENPOLITIK : Noch kein Feierabend

Die Große Koalition hat Einiges angestoßen. Ungelöst bleibt aber die Mindestrente für Geringverdiener

05.12.2016
2023-08-30T12:30:11.7200Z
4 Min

Andrea Nahles (SPD) war kaum im Amt, da präsentierte die Bundesarbeitsministerin der Öffentlichkeit Ende Januar 2014 ihren ersten großen Aufschlag: das Rentenpaket. Bis zu dessen Verabschiedung im Mai 2014 diskutierte gefühlt die halbe Republik darüber, ehemalige Bundeskanzler (Schröder SPD) und Rentenminister (Blüm, CDU) inklusive. Nun ist die Legislaturperiode fast vorbei und wieder diskutiert das halbe Land über ein Rentenkonzept von Andrea Nahles. Mit einem Unterschied: Das Rentenpaket wurde Gesetz, ihr aktuelles Rentenkonzept wird es so schnell nicht werden. Zumindest nicht mit der Union als Koalitionspartner, wie Nahles bei der Präsentation ihrer Zukunftsvision von der Rente auch einräumte.

Auch beim Rentenpaket gab es Gegenwind von der Union. Deren Wirtschaftsflügel kritisierte vor allem die Rente mit 63 heftig. Vor einer Frühverrentungswelle warnte der Mittelstandssprecher der Unionsfraktion, Christian von Stetten (CDU), damals im Interview mit "Das Parlament".

Rente mit 63 Seit Juli 2014 galt dann aber: Wer 45 Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt hat, kann mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Anspruch auf die Rente mit 63 hat, wer vor dem 1. Januar 1953 geboren ist. Später Geborene müssen wieder Abzüge in Kauf nehmen, denn die Altersgrenze steigt schrittweise auf 65 Jahre. Konkret heißt das: Für alle 1964 oder später Geborenen liegt die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente wieder bei 65 Jahren. Bis Ende 2015 stellten rund 450.000 Menschen einen Antrag auf Rente mit 63.

Mütterrente Der zweite wichtige Baustein des Rentenpaketes war vor allem ein Anliegen der CSU: die Mütterrente. Wurde der SPD vorgeworfen, mit der Rente mit 63 Klientelpolitik für einen ausgewählten Personenkreis zu betreiben, so musste sich die CSU diesen Vorwurf bei der Mütterrente gefallen lassen. Mit dem Unterschied, dass der Kreis der Profiteure wesentlich größer ist. Fast zehn Millionen (vorwiegend) Frauen bekamen für vor 1992 geborene Kinder einen zusätzlichen Rentenpunkt gutgeschrieben. Das bedeutete pro Monat und Kind 28,61 (West) beziehungsweise 26,39 Euro mehr Rente. Damit erhalten die Mütter dieser Kinder aber immer noch einen Rentenpunkt weniger als jene von nach 1992 geborenen Kindern, denn für diese gibt es drei Rentenpunkte. Die CSU pocht deshalb weiter auf eine Gleichstellung aller Mütter, konnte sich in der Koalition bisher aber nicht durchsetzen - eine zusätzliche Belastung der Beitragszahler um sechs Milliarden Euro sei nicht vermittelbar, argumentierten CDU und SPD.

Die Kosten Allerdings wurde es schon 2014 vielen mulmig, als sie an die Kosten des Rentenpaketes dachten. Bis zum Jahr 2030 schlagen die Reformen nämlich mit 160 Milliarden Euro zu Buche. Im Bundestag bezeichnete der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, den Tag der Verabschiedung des Gesetzes deshalb als "verhängnisvollen Tag" und forderte eine Finanzierung der Mütterrente aus Steuermitteln.

Doch Union und SPD hatte mit dem Rentenpaket, zu dem auch Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und bei Leistungen der medizinischen Rehabilitation gehörten, zentrale Versprechen ihres Koalitionsvertrages umgesetzt.

Flexi-Rente Zu diesen gehört auch, flexiblere Übergänge in die Rente zu schaffen. Im Oktober verabschiedete der Bundestag deshalb das Gesetz zur sogenannten Flexi-Rente. Damit wurde die schon bestehende, aber wenig genutzte Teilrente grundlegend reformiert. Die Möglichkeiten, vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Teilzeitarbeit durch eine Teilrente zu ergänzen, wurden flexibilisiert. Zu den Neuerungen gehört auch, dass jemand, der nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeitet, auf die dann bestehende Versicherungsfreiheit verzichten kann, um damit seinen Rentenanspruch zu erhöhen.

Mindestrente All dieser Projekte zum Trotz: Das eigentliche Aufregerthema, befeuert durch zahlreiche Studien und Prognosen, bleibt die Frage nach der Substanz der gesetzlichen Rente und wie diese den Lebensstandard sichern kann. Bereits im April entdeckte plötzlich CSU-Chef Horst Seehofer die Altersarmut als Thema und eröffnete damit einen wochenlang dauernden Mini-Rentenwahlkampf. Die Senkung des Rentenniveaus durch die rot-grüne Bundesregierung 2001 werde dazu führen, dass die Hälfte der Bevölkerung im Rentenalter in der Sozialhilfe lande, warnte Seehofer. Er forderte auch das Ende der Riester-Rente und fand damit nicht wenig begeisterte Anhänger. Andrea Nahles beendete diese Debatte gewissermaßen damit, dass sie für Ende des Jahres ein umfassendes Konzept zur Zukunft der Alterssicherung ankündigte. Darin schlägt sie nun unter anderem vor, das Rentenniveau (Verhältnis einer Standardrente zum Durchschnittseinkommen) bis zum Jahr 2025 auf 46 Prozent zu stabilisieren. Zugleich soll der Beitragssatz nicht über 25 Prozent steigen. Um Geringverdiener besser abzusichern, soll es eine "gesetzliche Solidarrente" mit einem Zehn-Prozent-Zuschlag auf die Grundsicherung geben. Im Koalitionsvertrag war noch von einer "solidarischen Lebensleistungsrente" die Rede. Beides dürfe man nicht verwechseln, sagte SPD-Sozialexpertin Katja Mast vergangene Woche im Bundestag. Und nach dem Koalitionsgipfel zum Thema Rente Ende November stand fest: Die solidarische Lebensleistungsrente, an der sich schon Nahles Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) die Finger verbrannt hatte, wird nicht kommen. Die Solidarrente von Nahles aber auch nicht.

Einige rentenpolitische Baustellen wollen Union und SPD bis zur Bundestagswahl aber noch abräumen. So einigten sich die Koalitionsspitzen auf Reformen bei der Betriebsrente, der Erwerbsminderungsrente und eine Angleichung der Ost-West-Renten bis 2025. Das werden also im Wahlkampf keine großen Streit-Themen werden. Aber es gibt ja noch die Mindestrente und das Rentenniveau.