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Geheimdienste : Elefant und Pony

Die Verflechtungen mit Amerika haben eine lange Tradition

27.12.2016
2023-08-30T12:30:13.7200Z
3 Min

Hans-Georg Maaßen wollte es genau wissen. Im Herbst 2013 trat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit einem ungewöhnlichen Anliegen an die Berliner US-Botschaft heran. Er bat darum, Experten seines Hauses auf dem Dach nachschauen zu lassen, ob von dort aus etwa das Kanzleramt abgehört wurde. Maaßen war nicht der einzige, dem damals liebgewordene Gewissheiten abhanden kamen. Die Enthüllungen des amerikanischen Geheimdienstkritikers Edward Snowden über das Treiben der National Security Agency (NSA) hatten auf deutsche Spitzenpolitiker und -beamte verstörend gewirkt.

Bis dahin war die Bundesregierung der Meinung, dass der "engste Verbündete" Vertrauen in die Rechtlichkeit seines Verhaltens verdiente. "Nein, daran kann ich mich nicht erinnern", antwortete Günter Heiß, Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags auf die Frage, ob es schon vor der Snowden-Affäre Hinweise auf unliebsame Aktivitäten von US-Spionagediensten gegeben habe.

Metadaten Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) konnte gar nicht schnell genug Entwarnung geben, als sich im August 2013 herausstellte, dass "Der Spiegel" bei der Lektüre der Snowden-Akten einem Missverständnis aufgesessen war. Die 500 Millionen Metadaten, die monatlich aus dem Horchposten in Bad Aibling an die NSA flossen, stammten offenbar nicht von deutschen Bürgern, sondern von Pakistanern oder Afghanen.

Doch der Strom weiterer Enthüllungen riss nicht ab. Im Oktober 2013 kam heraus, dass die NSA wohl auch das Mobiltelefon der Kanzlerin angezapft hatte. Notgedrungen wandelte sich in Berliner und Pullacher Amtsstuben der Blick auf den engsten Verbündeten. Die Affäre habe "nachdenklich gemacht und Vertrauen in Frage gestellt", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier dem Ausschuss.

So kam im Bundesnachrichtendienst (BND) erstmals der Gedanke auf, die Suchmerkmale der NSA in Bad Aibling kritisch zu sichten. Es fanden sich knapp 40.000 gegen Ziele in Ländern der Europäischen Union und der Nato gerichtete Selektoren. Im Februar 2014 verschärfte das Auswärtige Amt in Berlin die zuvor recht locker gehandhabten Richtlinien für die Zulassung amerikanischer Vertragsfirmen der US-Streitkräfte in Deutschland. "Es hat sich seit Snowden gravierend was verändert", war auch der Eindruck des früheren IT-Direktors im Bundesinnenministerium, Martin Schallbruch. Vorbehalte gegen die Nutzung von Verschlüsselungstechniken seien in Behörden rapide geschwunden.

Dabei reichte die Tradition einer harmonischen geheimdienstlichen Verflechtung bis in die Nachkriegszeit zurück. Die "Hauptstelle für das Befragungswesen", die bis zum Jahr 2014 Asylbewerber ausforschte, war zunächst eine Gründung der Westalliierten, bevor sie dann 1956 vom Bundesnachrichtendienst übernommen wurde. Bis zuletzt saßen Agenten des US-Militärgeheimdienstes mit am Tisch. Bad Aibling war seit den 1950er Jahren eine Anlage der US-Armee. Erst die rot-grüne Regierung drängte 2001 darauf, dass der BND Hausrecht bekam. Die NSA behielt aber einen Fuß in der Tür, was die Deutschen als Beitrag zur technischen "Ertüchtigung" des BND begrüßten.

Unerlässlich "Die Amerikaner sind der Elefant, wir sind das Pony", pflegte August Hanning, BND-Präsident in den Jahren von 1998 bis 2005, das Verhältnis zur NSA zu beschreiben. Als nach 2001 die weltweite Terrordrohung beide Seiten noch enger zusammenrücken ließ, hätte nach Hannings Überzeugung des BND seine Aufgabe ohne US-Hilfe nicht erfüllen können. "Mit welchem Partner sollte ich denn sonst arbeiten, wenn ich nicht mehr mit der NSA arbeiten dürfte?", fragt auch ein ranghoher Verfassungsschützer.