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EUROPARAT : Aserbaidschan im Rampenlicht

Im Straßburger Parlament sorgt eine Korruptionsaffäre für Aufregung

13.03.2017
2023-08-30T12:32:17.7200Z
3 Min

In Münster geben sich Ermittler gern ein Stelldichein - nicht nur im ARD-Tatort. Ernst wurde es kürzlich, als zur Überraschung des Münsteraner SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer Staatsanwälte aus Mailand auftauchten und ihn zur Causa Luca Volonté befragten. Volonté, ehemals Chef der EVP-Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, soll von Aserbaidschan rund 2,4 Millionen Euro erhalten haben, um sich beim Staatenbund für die Interessen des Landes einzusetzen. Zu diesem schlimmen Verdacht erhofften sich die Ermittler, die den italienischen Politiker der Korruption und der Geldwäsche beschuldigen, vom Zeugen Strässer nähere Erkenntnisse.

Der SPD-Politiker war möglicherweise ein Opfer der "Kaviardiplomatie" geworden, wie in Straßburg die vermutete Flankierung politischer Lobbyarbeit mit Kaviarpäckchen, Reiseeinladungen ans Kaspische Meer und teuren Geschenken wie Schmuck, Uhren oder Teppichen umschrieben wird. 2013 war im Europaratsparlament eine Resolution des Berichterstatters Strässer gescheitert, die Aserbaidschan zur Freilassung von 50 politischen Gefangenen aufforderte. Damals waberten Gerüchte, dass bei dem Votum bei nicht wenigen Abgeordneten auch Gefälligkeiten aus Baku eine Rolle gespielt haben könnten. Beweise fanden sich jedoch nicht.

"Mit dem Fall Volonté haben wir endlich etwas Konkretes in der Hand", meint Strässer. Zum Zeitpunkt der ominösen Abstimmung war Volonté EVP-Fraktionschef, später legte er sein Straßburger Mandat nieder. Besonders delikat: Wie manch andere aktuelle und einstige Abgeordnete soll auch der amtierende Parlamentspräsident, der Spanuer Pedro Agramunt, von Vergünstigungen profitiert haben.

Bei der Plenartagung Ende April, bei der die Affäre zu einem heiß umstrittenen Thema werden dürfte, sollen die Vorsitzenden der Fraktionen eine Beschlussvorlage für die Einsetzung einer externen Kommission entwerfen, die den Bestechungsskandal auch über den Fall Aserbaidschan hinaus durchleuchten und eine Verschärfung des parlamentarischen Verhaltenskodex ausarbeiten soll.

"Dieses Gremium muss umfassende Kompetenzen haben sowie mit unabhängigen Persönlichkeiten besetzt werden", betont Frank Schwabe, der zu den treibenden Kräften einer konsequenten Aufklärung der Affäre zählt: "Wurde das Geld, das Volonté erhielt, vielleicht verteilt, und wenn ja, an wen?". Der SPD-Abgeordnete gehört zu jenen, die eine von mehr als 60 Parlamentariern aus mehreren Staaten und Fraktionen signierte Petition lancierten, die von "seriösen und glaubwürdigen Beschuldigungen" und einer Gefährdung der "Integrität" des Europaratsparlaments spricht. Auch mehrere nationale Delegationen verlangen eine Untersuchung, außerdem unabhängige Organisationen, wie etwa Amnesty International. Angesichts der gereizten Stimmung unterstrich der Geschäftsordnungsausschuss, es dürfe kein Pardon gegenüber "allen Formen der Korruption" geben.

Zorn und Widerspruch Im Lager der Abgeordneten, gegen die sich die Vorwürfe richten, hält man sich mit öffentlichen Erklärungen zurück. Wie zu hören ist, herrscht Empörung darüber, dass man seriösen Politikern "so etwas anhängen will". Zornig wird bestritten, man wolle die Aufklärung der Affäre verschleppen.

Zu einem Prozess gegen Luca Volonté wegen Korruption kam es in Mailand bislang nicht. Nach den kursierenden Informationen wies er vor den Staatsanwälten den Vorwurf der Bestechung zurück: Mit den 2,4 Millionen Euro sei seine Beratertätigkeit für Baku vergütet worden. Als Beleg für diese Arbeit soll er zwei Broschüren zu Agrarthemen vorgelegt haben. Volonté könnte von der Immunität profitieren, da im internationalen Europaratsparlament für solche Fälle keine rechtlichen Regeln existieren, kritisiert Schwabe.

"Lobbyismus, Netzwerke und Korruption voneinander abzugrenzen, ist schwierig", meint Christoph Strässer. Er war zwischenzeitlich in Straßburg ausgeschieden, wird nun aber bis zur Bundestagswahl im September wieder Mitglied im Europaratsparlament, um ein "Zeichen zu setzen, dass man es mit der Aufklärung der Affäre ernst meint".