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Parlamentarisches Profil : Die Verkehrsexpertin: Sabine Leidig

13.03.2017
2023-08-30T12:32:17.7200Z
3 Min

Eine "Flatrate fürs Autobahnfahren" nennt Sabine Leidig das Mautkonzept des CSU-Verkehrsministers. Man entrichtet eine bescheidene Summe für die Vignette, spart im selben Umfang an der Kfz-Steuer und braust unbekümmert los - kann es das sein? Ginge es nach der verkehrspolitischen Sprecherin der Linken, wären die Weichen völlig anders zu stellen: "Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir den Straßenverkehr reduzieren."

Der passende Weg, dieses Ziel zu erreichen, wäre nach Leidigs Ansicht eher eine drastisch erhöhte Mineralölsteuer als eine Nutzungsgebühr für die Infrastruktur. Dass sie jeden Cent zur Förderung des Individualverkehrs im Grunde für hinausgeschmissenes Geld hält, daraus macht sie jedenfalls keinen Hehl. Kopfschüttelnd hat sie zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung in den nächsten 15 Jahren 50 Milliarden für Straßenbau ausgeben will. Mit Unverständnis erwähnt sie die 4,7 Milliarden, mit denen jährlich der Dieseltreibstoff subventioniert werde - was für eine Vergeudung!

Was die Menschen wirklich wollen, davon ist Leidig überzeugt, ist ein öffentliches Verkehrssystem, so preiswert und so gut ausgebaut, dass auch in ländlichen Gegenden das eigene Auto entbehrlich wird. Das ist ihre Vision. Das unterscheidet sie nach eigenem Verständnis auch von Verkehrspolitikern der Grünen, die sich etwa dafür stark machen, die Anschaffung von Elektro-Autos mit Prämien zu unterstützen. So etwas würde Leidig nicht im Traum einfallen: "Die öffentliche und kollektive Organisation von Mobilität spielt für uns eine ganz zentrale Rolle."

Seitdem sie 2009 erstmals in den Bundestag einzog, ist Leidig die Verkehrsexpertin ihrer Fraktion. Nicht, dass das damals ihre Leidenschaft gewesen wäre: "Ich hätte mir auch sehr gut vorstellen können, Wirtschaft zu machen." Immerhin hatte sie fast sieben Jahre als Bundesgeschäftsführerin der globalisierungskritischen Bewegung Attac amtiert, sich mit Finanzmarkthemen befasst, Kampagnen gegen die Discounter-Kette Lidl organisiert, gegen den Börsengang der Bahn.

Indes folgt auch die Verteilung der Ressorts in einer Bundestagsfraktion den Regeln von Angebot und Nachfrage: "Bei den Linken wollen alle Sozialpolitik oder Außenpolitik machen." Dass gerade ein vergleichsweise weniger beackertes Gelände Möglichkeiten der Entfaltung bietet, wusste Leidig bald zu schätzen. Sie hat es sich in mittlerweile zwei Legislaturperioden als Herzenssache zu eigen gemacht: "Das ist vor Ort ein relevantes Thema. Verkehr, Mobilität, daran sind alle interessiert."

Veränderung schaffen, Neues ausprobieren ist so etwas wie ein Lebensprinzip der heute 55-Jährigen. Biographische Umbrüche hat sie eher gesucht als ihnen aus dem Weg zu gehen. In ihrem 3000-Seelen-Heimatdorf Mauer bei Heidelberg, das jenseits der kirchennahen Jugendarbeit wenig Attraktives zu bieten hatte, wurden die "Kirche von unten", die "Theologie der Befreiung" zu Einstiegsthemen einer linken politischen Sozialisation. Der Gewerkschaft trat Leidig bei, als sie 1979 am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eine Ausbildung zur Biologielaborantin begann, wurde Jugendvertreterin und Personalrätin.

Jahre später wechselte sie hauptberuflich in den Dienst der Gewerkschaft, als DGB-Jugendbildungsreferentin in Baden-Württemberg, seit 1996 als DGB-Chefin in Mittelbaden - die Jüngste, erste Frau, erste Nicht-Sozialdemokratin auf diesem Posten. Sie vertauschte ihn mit einem leerstehenden Büro im Frankfurter Bahnhofsviertel, der neuen Attac-Geschäftsstelle. In den Augen mancher Kollegen ein berufliches Himmelfahrtskommando. In Leidigs Erinnerung "eine superspannende und turbulente Zeit".

Drei Jahrzehnte außerparlamentarische Politik, dann Einzug in den Bundestag - ist mehr Umbruch denkbar? "Mein Politikverständnis hat sich nicht verändert", sagt Leidig. "Wenn gesellschaftliche Veränderungen möglich werden sollen, müssen wir auch außerparlamentarisch arbeiten."