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EDITORIAL : Die Bühne ist frei

03.07.2017
2023-08-30T12:32:24.7200Z
2 Min

Welche Themen den heraufziehenden Bundestagswahlkampf bestimmen werden, ist noch nicht klar. Ein Thema, das ist seit Freitag gewiss, wird dabei jedoch keine Rolle mehr spielen: die "Ehe für alle". Nach jahrzehntelangem Streit ist die Frage, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften einer Ehe zwischen Mann und Frau juristisch vollends gleichgestellt werden sollen, in nur wenigen Tagen zugunsten einer Reform entschieden worden.

Die Ereignisse in dieser Sitzungswoche des Deutschen Bundestages waren mindestens ungewöhnlich. Trefflich lässt sich darüber spekulieren, wer letztlich als Sieger aus dem Gezerre hervorgegangen ist. Die SPD, die ihren Koalitionspartner bewusst vorgeführt hat, um drei Monate vor der Wahl einen Punktsieg zu landen? Die Oppositionsparteien, die jetzt für sich reklamieren, ihre Hartnäckigkeit habe letztlich zum Erfolg geführt? Oder doch die Bundeskanzlerin? Denn Angela Merkel hat ihrer Unionsfraktion zwar aufgeregte Stunden beschert. Aber sie hat mit einer scheinbar beiläufigen Antwort auf einem Podium ein Thema abgeräumt, mit dem für CDU und CSU im Wahlkampf kein Blumentopf zu gewinnen gewesen wäre. Zumal das Verharren auf einem konservativen Standpunkt nach der Wahl Koalitionsgespräche erschwert hätte; alle denkbaren Partner befürworten die "Ehe für alle".

Seit langem gibt auch eine deutliche Mehrheit der Deutschen in Umfragen zu Protokoll, die Ehe mit allen gesetzlich garantierten Rechten und Pflichten solle auch für homosexuelle Paare gelten. Genauso eindeutig ist aber der Befund, dass dieses Thema nicht zu denen gehört, die der Nation besonders unter den Nägeln brennen. Die "Ehe für alle" ist also entgegen der medialen und politischen Wahrnehmung ein Nischenthema.

Zuvorderst wurde und wird die Haltung zum Adoptionsrecht für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften diskutiert. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Es ist nachvollziehbar, wenn eine Verweigerung dieses Rechts als diskriminierend empfunden wird. Genauso gut lässt sich aber auch ein traditionelles Familienmodell favorisieren. Für beide Positionen gibt es gute Argumente.

Der Bundestag hat sich mit turbulenten Tagen in die Sommerpause verabschiedet. Jetzt ist die politische Bühne frei für den Wahlkampf. Wenn der Vorgeschmack nicht trügt, wird es dabei ausgesprochen munter zugehen.