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Kirchen in der diktatur : Zwischen Anpassungsstrategien und Widerstandsaktivitäten

In der NS-Zeit wurde die Bekennende Kirche zum Sammelbecken der Auflehnung. Opposition gegen die SED begann in Kirchen

09.01.2017
2023-08-30T12:32:13.7200Z
3 Min

In beiden Diktaturen im Deutschland des 20. Jahrhunderts lassen sich auf Seiten der Kirchen jeweils deutliche Anpassungsstrategien wie auch Widerstandsaktivitäten beobachten. Bei einer Einschätzung der jeweiligen Staat-Kirche-Beziehungen ist es jedoch wichtig, die "grundlegend verschiedene Situation" zu berücksichtigen, wie die Historikerin Anke Silomon betont.

Tatsache ist, dass die Kirchen Ende der 1920er Jahre den aufkeimenden Nationalsozialismus nicht prinzipiell ablehnten. Im Gegenteil: Anlässlich der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 gab es sogar Festgottesdienste. Protestanten sympathisierten traditionell eher mit einer starken Obrigkeit. Das Ende des Kaiserreichs und die unruhige Weimarer Zeiten stürzten viele evangelische Christen in eine Identitätskrise. Viele sehnten sich nach "Recht und Ordnung".

Der Katholizismus stand schon zu Bismarcks Zeiten ("Kulturkampf") in Opposition zum Staat, Bischöfe betonten die Wahrung religiöser Rechte und die kulturelle Autonomie ihrer Kirche. Karl-Dietrich Bracher sah auf Seiten der evangelischen Kirche in der NS-Zeit nicht nur ein stärkeres gesellschaftliches Gewicht, sondern beschrieb die Protestanten auch als "ungleich anfälliger, verführbarer". Der katholische Publizist Andreas Püttmann erinnert allerdings daran, dass schon lange "vor der nationalsozialistischen Herrschaft" auch Rechtskatholiken tatkräftig geholfen haben, die Weimarer Demokratie sturmreif zu schießen. Und im Schicksalsjahr 1933 dauerte es nur Wochen, bis auch die Parteien des politischen Katholizismus (Zentrum und Bayerische Volkspartei) auf Linie waren: Im März stimmten sie für das Ermächtigungsgesetz. Adolf Hitler hatte Papst Pius XI. in Stellung gebracht - das in Rom ausgehandelte Konkordat garantierte "die Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre".

Bereits im Herbst 1932 hatten sich unter Führung nationalsozialistisch gesinnter Pfarrer die "Deutschen Christen" formiert. Erklärtes Ziel: Die Angleichung des Protestantismus an die Ideologie des Nationalsozialismus. Führerprinzip und Antisemitismus gehörten zur Grundausstattung. Bei der Kirchenwahl im Juli 1933 gelang ihnen ein Erdrutschsieg von landesweit 75 Prozent. In 26 der 28 Landeskirchen stellten "Deutsche Christen" den Bischof. "Theologisch" zielte die Bewegung auf eine "Entjudung" des Christentums - man versuchte den Mythos eines "Arischen Jesus" zu etablieren, auch das Alte Testament sollte aus der Bibel getilgt werden. Allerdings blieb ihr Einfluss begrenzt: Die "Deutschen Christen" wurden nie eine Massenorganisation, sie hatten nur 600.000 Mitglieder.

Historisch bedeutsam ist die Bekennende Kirche: Sie wurde zum Sammelbecken für kircheninterne Oppositionelle, die als Theologen oder mutige Gemeindepfarrer aufgrund ihrer christlichen Überzeugung teilweise schon früh auf Distanz gegangen waren. Auf ihrer Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen positionierten sich 139 Vertreter aus 18 Landeskirchen klar gegen die "Deutschen Christen" und die Vereinnahmung der Kirche durch die NS-Ideologie. "Wir verwerfen die falsche Lehre", heißt es in der "Barmer Theologischen Erklärung. Zu prägenden Persönlichkeiten des Kirchenkampfes wurden der Theologieprofessor Karl Barth, der Theologe Dietrich Bonhoeffer oder der Berliner Pfarrer Martin Niemöller.

Die Bekennende Kirche verhinderte eine völlige Gleichschaltung der evangelischen Kirche mit dem NS-Staat. Sie kann als Ganzes jedoch nicht als Widerstandsorganisation gesehen werden: Ihre Aktivitäten zielten vor allem auf die Selbstbehauptung kirchlicher Strukturen. Vertreter wie Dietrich Bonhoeffer zählen jedoch zu jenen, die sich trotz ethischer Bedenken bewusst am aktiven Widerstand beteiligten - mit dem Ziel, Adolf Hitler gewaltsam zu beseitigen. Auch der katholische Jesuit Alfred Delp war aktiver Widerständler. Beide verloren ihr Leben im Kampf gegen Hitler.

Kennzeichnend für die DDR war die atheistische Staatsideologie. Die Verfolgung Andersdenkender im SED-Staat erfolgte subtiler als im NS-Regime. Vor allem in den 1950er Jahren kam es zu gewaltsamen Übergriffen gegen Protestanten, es gab Haftstrafen. Auch später mussten Christen wegen ihres Glaubens Schikanen und Einschränkungen bei Ausbildung und Berufswahl hinnehmen - etwa weil sie die atheistische Jugendweihe ablehnten.

Seit Beginn der 1980er Jahre formierte sich die staatskritische kirchliche Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung. Der damalige sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider entwickelte 1980 das biblisch angelehnte Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" - es wurde zum Logo der Friedensbewegung. Unter dem Dach der Kirchen, mit Kerzen und Friedensgebeten, versammelte sich schließlich die Bürgerrechtsbewegung, die im Herbst 1989 mit Massenprotesten die DDR zum Einsturz brachte. Seit Jahren aktiv waren Kirchenleute wie Rainer Eppelmann, Friedrich Schorlemmer oder Joachim Gauck, die später im vereinten Deutschland wichtige Aufgaben übernahmen - bis hin zum Amt des Bundespräsidenten.

Die Kirchen waren nach Überzeugung des Kirchenhistorikers Peter Maser "die einzige gesellschaftliche Massenorganisationen in der DDR, die niemals voll in das Regime der SED-Diktatur integriert werden konnten und zäh ihre Selbstständigkeit behaupteten."