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ATOMKRAFT : Ewiges Lager

Bundestag setzt Kommissionsempfehlungen um. Die Öffentlichkeit soll umfassend beteiligt werden

24.07.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
3 Min

Eines der voraussichtlich komplexesten technischen und politischen Vorhaben der Geschichte der Bundesrepublik ist in der ablaufenden Wahlperiode auf den Weg gebracht worden: die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Das entsprechende Gesetz (18/11398) brachte der Bundestag im März 2017 mit Stimmen von Union, SPD und Grünen auf den Weg.

Der Startschuss für den Neustart der Endlager-Suche fiel 2013 mit der Verabschiedung des Standortauswahl-Gesetzes (Stand-AG). Eine "Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe" wurde darin damit beauftragt, wissenschaftlich-technische und gesellschaftliche Kriterien zu erarbeiten und das StandAG zu evaluieren. Die damit verbundene Hoffnung: Ein gesellschaftlich breit besetztes Gremium könne einen Konsens erarbeiten, der über einen rein parlamentarischen hinausgeht. Die in das Gremium entsandten Abgeordneten sowie die Mitglieder der Landesregierungen durften entsprechend nicht über den Abschlussbericht abstimmen. Dies blieb den 16 Vertretern der Wissenschaft und der gesellschaftlichen Gruppen vorbehalten. Neben Repräsentanten aus Atomindustrie, Gewerkschaften und Kirchen sollten auch Umwelt- und Anti-AKW-Verbände eingebunden werden. Doch die winkten zunächst mit scharfer Kritik ab, schließlich ließen sich die Deutsche Umweltstiftung und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf das Experiment ein.

Streitpunkt Gorleben Die Anti-Atom-Initiativen kritisierten vor allem den Umgang mit Gorleben. Die Auseinandersetzungen um den möglichen Standort bestimmten auch die Kommissionsarbeit, zunächst mehr im Hintergrund, zum Ende hin dann deutlich spürbarer. Denn einer der Kernfragen der Kommissionsarbeit lautete: Was bedeutet die angekündigte Suche auf einer "Weissen Landkarte"? Für Gorleben-Gegner konnte eine Landkarte mit Gorleben nicht weiss sein - zu umkämpft, zu umstritten, schlicht verbrannt und zudem wissenschaftlich ungeeignet sei der Standort. Andere wiederum sahen die "Weisse Landkarte" bedroht, würde Gorleben aus politischen Gründen ausgeschlossen.

In dem Abschlussbericht, der weitgehend durch Gesetze des Bundestages umgesetzt wurde, empfiehlt die Kommission eine breit angelegte Suche, die auch Gorleben beinhaltet: Gesucht werden soll in den Wirtsgesteinen Salz, Ton und Granit. Über mehrere Erkundungsphasen (siehe Stichwort) soll schließlich der Standort mit "bestmöglicher Sicherheit" ausgewählt werden, um den hochradioaktiven Atommüll für eine Million Jahre sicher tiefengeologisch zu lagern. Das Verfahren soll lernen können und so Rückschritte sowie Fehlerkorrekturen ermöglichen. Nach der Einlagerung soll der Müll noch für bestimmte Zeit rückholbar sein, sollte sich zeigen, dass die gefundene Lösung nicht funktioniert. Bis auf den Vertreter des BUND stimmten alle Kommissionsmitglieder dem Bericht zu. Im Bundestag sprach sich nur die Fraktion Die Linke gegen die Neuregelungen aus.

Beteiligung der Öffentlichkeit Gerahmt wird das Suchverfahren von einer neuen Behördenstruktur sowie eine nach Vorstellung der Kommission umfassenden Beteiligung der Öffentlichkeit. In den betroffenen Regionen etwa sollen Gremien mit Informations- und Mitwirkungsrechten eingerichtet werden. Als ein zentraler Akteur wurde das "Nationale Begleitgremium" geschaffen, dass das Suchverfahren unabhängig verfolgen soll. Alle wesentlichen Standortentscheidungen sollen per Gesetz festgelegt werden. Der Öffentlichkeit werden zudem an bestimmten Stellen Klagemöglichkeiten eingeräumt, um das Verfahren gerichtlich überprüfen zu lassen.

Wie lange die Suche dauert, ist unklar. Bisher angedacht war, 2031 eine Entscheidung über den Standort zu fällen und ab zirka 2050 mit der Einlagerung zu beginnen. Ob das so klappt, ist fraglich. Die Endlager-Kommission bezeichnete den Zeitplan als "unrealistisch".

Es wird teuer Was hingegen klar ist: Billig wird die Endlager-Suche nicht. Die Finanzierung hatte das Endlager-Gremium ausgeklammert, dafür wurde im Oktober 2015 die "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs" eingesetzt. Diese Kommission einigte sich auf eine Fonds-Lösung (18/10469), die vom Bundestag Ende 2016 mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung, die eigentlich bei den Atomkonzernen liegt, geht damit auf den Staat über. So sollen die Rückstellungen vor kreativer Umgestaltung oder Pleiten der Konzerne gesichert werden. Anfang Juli 2017 überwiesen die Konzerne insgesamt 24 Milliarden Euro, die nun vom Fonds verwaltet werden.

Ein Trostpflaster für die Konzerne kam aus Karlsruhe: Knapp einen Monat vor Überweisungsfrist entschied das Bundesverfassungsgericht zur Überraschung der Bundesregierung, dass die 2011 von Schwarz-Gelb im Gegenzug zur Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossene Brennelementesteuer verfassungswidrig ist. 6,29 Milliarden Euro plus Zinsen muss der Staat nun zurücküberweisen. Sören Christian Reimer