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EEG-Gesetz : Reform unter Strom

An wenigen Rechtstexten haben die Abgeordneten so oft nachgebessert wie am EEG

24.07.2017
2023-08-30T12:32:25.7200Z
4 Min

Dass eine Bundesregierung gleich zwei Mal das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) grundreformiert, war eine Premiere. Die meisten Vorgängerregierungen haben sich diesen gesetzgeberischen Kraftakt nur einmal zugemutet. Die nun zu Ende gehende Große Koalition hat das EEG 2014 und 2016 (18/8860) gleich noch ein zweites Mal novelliert. Die Bewertung dieser gesetzgeberischen Leistung ist naturgemäß verschieden. Während das Bundeswirtschaftsministerium die neue "Planbarkeit" des Ausbaus erneuerbarer Energien lobt, klagt die Branche über eine "Ausbaubremse" für Wind- und Solarenergie.

Tatsächlich ist der Ausbau der Photovoltaik seit der EEG-Reform von 2014 deutlich langsamer vorangegangen als in der Vergangenheit. Die 2.500 Megawatt neuer Anlagenkapazitäten, die im EEG 2014 als "Ausbaukorridor" für die Solarenergie vereinbart worden sind, sind nun zwei Jahre in Folge nicht mehr erreicht worden. Für das laufende Jahr rechnet die Bundesnetzagentur (BNetzA) auf der Basis der Anlagenanmeldungen seit dem Januar mit etwa 2.100 Megawatt Solarzubau.

Neuer Modus Einer der Gründe für den eher schleppenden Ausbau war die Einführung von Ausschreibungen um große Freiflächenanlagen. Es dauerte einige Zeit, bis die Ausschreibungen ans Laufen kamen; nun liegen erste Erfahrungen vor. Die Ausschreibung ermittelt den am Ende bezahlten Förderbetrag pro Kilowattstunde Solarstrom. Im Durchschnitt erhalten die Anlagen, die in der ersten Runde den Zuschlag erhalten haben, 9,12 Cent pro Kilowattstunde eingespeisten Stroms. In der aktuell gerade erst abgeschlossenen Ausschreibungsrunde vom Juni 2017 lag der durchschnittliche Förderbetrag noch bei 5,66 Cent pro Kilowattstunde Solarstrom. Die Förderkosten sind mit jeder Runde weiter gesunken.

Auch für den Ausbau der Windenergie an Land ist im EEG 2014 ein "Ausbaukorridor" von 2.500 Megawatt im Jahr vereinbart worden, allerdings mit einer Übergangsfrist, bis auch Windenergie an Land von der bisherigen Einspeisevergütung für Windstrom ins Ausschreibungsverfahren überführt werden sollte. Das war dann Teil der EEG-Reform 2016. Bis dahin erlebte die Windbranche allerdings einen Super-Boom. Mehr als 4.600 Megawatt sind allein 2016 aufgebaut worden. Der Ausbaukorridor liegt bei etwa der Hälfte.

Re-Powering als Kompromiss Beim EEG 2016 drehte sich die Diskussion entsprechend vor allem um neue Regeln für den Ausbau der Windenergie an Land. Monatelang feilschten Branche und Politiker über die Frage, ob die 2.500 Megawatt nun brutto oder netto sein sollen. Am Ende einigten sich Bundestag und Bundesrat auf netto. Das gibt der Branche mehr Möglichkeiten, kleine bestehende Anlagen durch größere zu ersetzen; dieses Re-Powering war der Branche extrem wichtig. Denn angesichts der Akzeptanzgrenzen, die neue Windparks derzeit erleben, spricht einiges dafür, etablierte gute Standorte mit leistungsstärkeren Anlagen auszustatten.

Die erste Ausschreibung von Windenergie an Land hat bereits einen niedrigeren Einspeisepreis erbracht als das vorhergehende EEG-Niveau, nämlich im Schnitt 5,71 Cent pro Kilowattstunde. Bis August läuft nun die zweite Ausschreibungsrunde. Auch der Ausbau der Windenergie auf See wird seit dem EEG 2016 über Ausschreibungen gesteuert. Schon bei der ersten Ausschreibung haben zwei Windparks einen Zuschlag bekommen, die mit Null-Cent-Förderkosten angeboten haben. Zwar werden die Anlagen frühestens 2025 gebaut sein, weshalb sich der dänische Betreiber Dong und die baden-württembergische EnBW ein solches Angebot zutrauten. Aber auch hier sinkt die Fördersumme deutlich.

Für Kritiker des Ausbaus erneuerbarer Energien sind die sinkenden Fördersummen ein Beweis dafür, dass es da offenbar noch viel "Speck" gegeben haben müsse. In der Branche heißt es dagegen, der Konkurrenzdruck sei groß. Und außerdem sinken die Preise für die Anlagen sowohl bei den Solaranlagen als auch bei den Windrädern seit Jahren deutlich. Das mache eben auch günstigere Preise möglich. Jedenfalls sind erneuerbare Energien in den vergangenen fünf Jahren endgültig wettbewerbsfähig mit neuen großen fossilen Anlagen - vom Gas- bis zum Kohlekraftwerk - geworden. Gegen die Betriebskosten von 30 bis 40 Jahre alten, längst abgeschriebenen Kohlekraftwerken, kommen Wind- und Solarenergie allerdings noch nicht an.

Gestritten wird nach wie vor über das Ausbautempo: Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verlangt einen schnelleren Umbau des Energiesystems, als er mit den Ausbaukorridoren nun beschlossen ist: Und auch die Akteursvielfalt ist immer wieder Gegenstand von Debatten gewesen. Mit dem EEG 2016 hat das Ministerium erstmals eine Definition für Bürgerenergie vorgelegt. Diese Gesellschaften haben ein paar Vorteile im Vergleich zu Projektentwicklern oder Energiekonzernen, die auch Windräder bauen wollen. Sie mussten bei den ersten beiden Ausschreibungen noch keine Genehmigung nach dem Bundesimmisionsschutzgesetz (BImschV) vorlegen, haben mehr Zeit, die Anlagen zu bauen und sie bekommen eine Einspeisevergütung am oberen Ende des Spektrums. Professionelle Anbieter bekommen nur das, was sie in der Auktion auch angeboten haben.

In der ersten Ausschreibung gingen mehr als 90 Prozent der Zuschläge an Bürgerenergiegesellschaften - auch wenn es leise Zweifel daran gibt, wie viel Bürgerenergie in diesen Gesellschaften steckt, weil große Projektierer ihre Mitarbeiter über die Dörfer geschickt hatten, um entsprechende gesetzeskonforme Bürgergesellschaften zu gründen. Im kommenden Jahr sollen in einigen Ausschreibungen auch Bürgergesellschaften eine eine Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz vorlegen müssen, um sich zu beteiligen. Dass es schon wieder Änderungsbedarf gibt, lässt erahnen, wie es energiepolitisch in der nächsten Legislaturperiode weitergehen dürfte: Nach der EEG-Novelle ist vor der EEG-Novelle.

Die Autorin ist Redakteurin beim "Tagesspiegel".