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ENTWICKLUNG : Fluchtursachen bleiben im Fokus

Perspektiven für weniger privilegierte Länder

18.09.2017
2023-08-30T12:32:27.7200Z
4 Min

Ob unter dem Begriff "Fluchtursachenbekämpfung" (CDU) oder unter der Forderung nach dem "Recht, nicht migrieren zu müssen" (Die Linke): Dass ein wohlhabendes Land wie Deutschland seinen Teil dazu beitragen müsse, Perspektiven für Menschen in weniger privilegierten Ländern zu schaffen, ist weitgehend Konsens. Durch welche Entwicklungspolitik dieses Ziel erreicht werden kann, darüber gehen die Vorstellungen in den Wahlprogrammen der Parteien dann allerdings auseinander: durch mehr oder weniger Staat zum Beispiel, durch mehr oder weniger Privatinvestitionen, mit mehr Freihandel oder mehr Zugeständnissen für ärmere Länder.

Die Union möchte, dass die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Rahmen des vernetzten Ansatzes noch besser mit den Instrumenten der Diplomatie, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik abgestimmt wird. Um das Ziel zu erreichen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklung aufzuwenden, sollen parallel zur Erhöhung des Verteidigungshaushaltes die Mittel für die EZ "im Maßstab 1:1" gesteigert werden. Hilfen für die Menschen in den ärmsten Ländern betrachtet die Union als Gebot der Humanität. "Es liegt aber auch in unserem Interesse, Hunger, Krankheit und Not zu bekämpfen, denn sie führen oft zu Terror und Krieg und damit zu Flucht und Vertreibung." In den Mittelpunkt stellt das Wahlprogramm insbesondere die Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika, das beim Kampf gegen Hunger, bei der beruflichen Bildung und beim Aufbau von Rechtstaatlichkeit und Sicherheit auf Unterstützung angewiesen sei. Ein "Marshall-Plan" mit Afrika soll private Investitionen mobilisieren und eine mittelständische Kultur der Selbstständigkeit fördern.

Mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit - das wollen auch SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen, beide weisen aber darauf hin, dass das 0,7-Prozent-Ziel erreicht werden müsse, ohne die Ausgaben für die Aufnahmen von Flüchtlingen in Deutschland in diese Rechnung einzubeziehen. Die SPD fordert, dass Deutschland bei der Erfüllung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) bis 2030 eine Vorreiterrolle spielt. Die EZ solle stärker noch auf Armuts- und Hungerregionen und insbesondere auf den ländlichen Raum ärmerer Länder fokussiert sein. "Diesen gilt es durch Investitionen in die Infrastruktur strukturell zu stärken, einschließlich sozialer Sicherungssysteme, guter und leicht erreichbarer Bildungs- und Gesundheitsangebote, der Schaffung von Arbeitsplätzen auch außerhalb der Landwirtschaft, der Förderung von Wertschöpfung vor Ort und des Schutzes lokaler Märkte vor Dumpingimporten." Zudem sollen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit afrikanischen Staaten auf ihre Entwicklungsförderlichkeit überprüft werden.

Die Grünen fordern unter anderem mehr Kohärenz in Außen-, Handels- und Entwicklungspolitik: So soll ein "Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte" das Regierungshandeln mit Blick auf die nachhaltigen Entwicklungsziele überprüfen. Größere Teile einer einzuführenden Finanztransaktionssteuer sollen in die Entwicklungszusammenarbeit fließen, im Fokus sollen die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen, der Ausbau sozialer Sicherungs- und Gesundheitssysteme, Ernährungssouveränität, Klimaschutz, Gleichberechtigung und Zugang zu Bildung stehen. Eine Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge lehnen die Grünen ebenso ab wie die Kopplung der EZ an Rückübernahmeabkommen: Dies sei "keine Grundlage für eine menschenrechtsbasierte Entwicklungspolitik".

Noch deutlicher in der Kritik wird die Linke: Entwicklungspolitik müsse ein Instrument globaler Umverteilung im Sinne sozialer Gerechtigkeit sein und "darf nicht als Instrument der Einmischung sowie als ein Druckmittel zugunsten der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Geberländer und internationaler Konzerne missbraucht werden". Gefordert wird neben mehr Mitteln im Sinne des 0,7-Prozent-Ziels der Schutz ärmerer Länder vor "Freihandelsdiktaten", die "Trockenlegung von Steueroasen" und die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards durch multinational agierende Unternehmen. Konkret will die Linke bei den Vereinten Nationen einen von den Industrieländern finanzierten "Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus" einrichten. Die Klimafinanztransfers Deutschlands sollen zudem bis 2020 auf sieben Milliarden Euro jährlich ansteigen "und zum Großteil zusätzlich zur Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden".

Die FDP setzt sich für eine Entwicklungspolitik ein, "die auf Qualität statt auf Quantität der eingesetzten Mittel setzt und einen besonderen Fokus auf Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Soziale Marktwirtschaft hat". Die zügige Umsetzung nachhaltigen Entwicklungsziele erfordere einen kohärenten Ansatz - insbesondere eine bessere Abstimmung zwischen Wirtschafts-, Außen- und Entwicklungspolitik. Entwicklungszusammenarbeit solle Kooperationen mit Partnern aus der Privatwirtschaft suchen und vor allem die am wenigsten entwickelten Länder in den Blick nehmen, vor allen Dingen auf dem "Chancenkontinent Afrika".

Die AfD nennt das Ergebnis von 50 Jahren Entwicklungszusammenarbeit "ernüchternd" und fordert einen Strategiewechsel. Partnerländer und Projekte sollen unter Berücksichtigung von Erfolgspotenzial, Nachhaltigkeit und des möglichen Eigenanteils ausgewählt werden. Entwicklungsländer sollen außerdem gerechter in das internationale Handelssystem einbezogen werden und Erleichterungen für deren Ausfuhren in die Industrieländer und einen angemessenen Schutz für den Aufbau der eigenen Wirtschaftsentwicklung erhalten. "Statt Finanztransfers fordern wir die Öffnung unserer Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern."