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pflege : Keine Entwarnung in der Alten- und Krankenpflege

Das Dauerthema beschäftigt die Fraktionen auch in der neuen Wahlperiode. Es mangelt an Fachkräften

27.11.2017
2023-08-30T12:32:30.7200Z
3 Min

Die Pflegeversorgung muss nach Ansicht aller sechs Fraktionen des neuen Bundestages möglichst schnell und umfassend verbessert werden. In einer Debatte vergangene Woche über zwei Anträge der Linksfraktion für eine verbindliche Personalbemessung in Krankenhäusern (19/30) und zur Aufwertung der Altenpflege (19/79) machten die Abgeordneten deutlich, dass ungeachtet der in der vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Pflegegesetze weiter Handlungsbedarf besteht. Von einem Pflegenotstand sowohl in Kliniken wie auch in Altenpflegeeinrichtungen war die Rede. Die Linksfraktion berichtete sogar von gefährlicher Pflege, also von Fällen, wo die Versorgungslage so schlecht ist, dass Patienten wie auch Pflegekräfte gesundheitlichen Schaden nehmen können, vor allem in Nachtschichten.

Umfangreiche Reformen Die Große Koalition von Union und SPD hat in der zurückliegenden Wahlperiode drei Pflegestärkungsgesetze (PSG) verabschiedet, um die Versorgung zu verbessern. Das PSG I von 2014 zielte auf mehr Leistungen. Beschlossen wurde auch ein Pflegevorsorgefonds als finanzielle Rücklage für die Zeit, wenn die Babyboomer-Generation pflegebedürftig wird. Das PSG II von 2015 beinhaltete einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der 2017 eingeführt wurde und demenziell erkrankten Patienten gleichberechtigten Zugang zu Pflegeleistungen ermöglicht. Das PSG III von 2016 soll die Pflege auf kommunaler Ebene besser verankern.

Die alte Regierung beschloss außerdem eine Ausbildungsreform in den Bereichen Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege mit dem Ziel einer übergreifenden Grundausbildung, um Pflegekräfte möglichst universell einsetzen zu können. Im Sommer 2017 schließlich entschlossen sich die Koalitionäre für die Einführung von Personaluntergrenzen in der Krankenhauspflege. So soll in sogenannten pflegesensitiven Bereichen sowie in bestimmten ,,Intensiveinheiten" der Kliniken ausreichend Pflegefachpersonal zur Verfügung stehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurden damit beauftragt, Standards festzulegen. Die Regelungen sollen zum 1. Januar 2019 umgesetzt werden. Über das Pflegestellenförderprogramm und den Pflegezuschlag stehen den Kliniken künftig 830 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, um mehr Pflegepersonal zu beschäftigen.

Das alles reicht nach Ansicht der Abgeordneten nicht aus, auch wenn Redner von Union und SPD die bereits erreichten Verbesserungen hervorhoben. Harald Weinberg (Linke) wies darauf hin, dass die Pflege im Wahlkampf eine größere Rolle gespielt habe. Er habe den Eindruck gewonnen, dass einigen Abgeordneten überhaupt erst dort klar geworden sei, "dass es einen Pflegenotstand in den Krankenhäusern und in den Altenpflegestätten gibt". Allein in den Krankenhäusern fehlten nach Expertenschätzungen 100.000 Pflegekräfte. Über das Förderprogramm könnten aber nur rund 6.500 Stellen finanziert werden. Das sei "weniger, als der Tropfen auf den heißen Stein". Ein "zentrales Instrument" zur Verbesserung der Lage wäre eine gesetzliche Personalbemessung.

Zustimmung kam von der FDP-Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus. Nötig sei ein "Sofortprogramm in allen Bereichen der Pflege", sagte sie. Verbindliche Personalschlüssel wären wünschenswert, allerdings stünden am Arbeitsmarkt gar nicht ausreichend viele Pflegekräfte zur Verfügung. Somit müssten die Pflegeberufe attraktiver gestaltet werden, etwa durch eine vereinfachte Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit sowie familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Zudem müsse die Bürokratie in der Pflege abgebaut werden.

Wahlen wirken Der Mediziner Axel Gehrke (AfD) kritisierte, die vergangenen zwölf Jahre seien in der Gesundheitspolitik gekennzeichnet durch "Fehlanreize, Ökonomisierung, Bürokratisierung" und eine "patientengefährdende Gesetzgebung". Er fügte hinzu: "Ja, es gibt ganz eindeutig einen Pflegenotstand, im ambulanten Bereich, im Krankenhaus und besonders gravierend in der Altenpflege."

Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink sagte, erstmals werde bei diesem Thema der Wille des ganzen Hauses deutlich, "sofort etwas zu tun". Somit hätten die Wähler schon etwas bewirkt. In der Kranken- und Altenpflege müsse ein Sofortprogramm aufgelegt werden mitsamt Personalbemessung. Die Untergrenzen in den Kliniken reichten nicht aus.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bekannte, alle Fraktionen hätten ein Interesse daran, dass sich die Situation der Pflege verbessere. In der Krankenpflege fehlten 30.000 bis 100.000 Kräfte. "Man darf unsere Erfolge nicht kaputt reden, aber klar ist: Die Maßnahmen reichen noch lange nicht."

Gesundheitsexperten der Union räumten ein, die Pflege sei ein Dauerthema. Lothar Riebsamen (CDU) benannte die unzureichende Finanzierung der Investitionskosten der Kliniken durch die Länder, die Gegenfinanzierung von Tarifabschlüssen und das mangelnde Pflegepersonal. Vor allem die Investitionskosten seien "eine offene Flanke", weil Kliniken das fehlende Geld vom Personal abzögen. Nötig sei eine Regelung, damit das Geld nicht zweckentfremdet werde. Die beiden Anträge sollen jetzt im Hauptausschuss weiter beraten werden.